Bauwelt

Die Umwelt von Barcelona wurde über Jahrhunderte vom Menschen verändert

Bajet Giramé über die Wandelbarkeit der Rolle „des Architekten“ und die Notwendigkeit, Projekte als Prozess zu denken

Text: Gómez-Moriana, Rafael, Barcelona

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    Bajet Giramé gegründet 2017 von Maria Giramé und Pau Bajet; das Studio versteht sich als kollaborative Plattform. Aktuell sind sie u.a. Teil des Kuratorenteams für den UIA Kongress 2026 in Barcelona und entwickelndiverse Wohnbauprojekte.
    Foto: Architekten

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    Bajet Giramé gegründet 2017 von Maria Giramé und Pau Bajet; das Studio versteht sich als kollaborative Plattform. Aktuell sind sie u.a. Teil des Kuratorenteams für den UIA Kongress 2026 in Barcelona und entwickelndiverse Wohnbauprojekte.

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    La Seda, 1. Preis im Wettbewerb zum Neubau von 72 Sozialwohnungen in El Prat de Llobregat; veranschlagte Bauzeit bis 2025
    Foto: Architekten

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    La Seda, 1. Preis im Wettbewerb zum Neubau von 72 Sozialwohnungen in El Prat de Llobregat; veranschlagte Bauzeit bis 2025

    Foto: Architekten

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    Aus dem Wettbewerb für 70 Sozialwohnungen in Montgat (Auftraggeber: IPSOL) gingen Bajet Giramé zweitplatziert. Ihr Entwurf aus lose platzierten Bauten folgt der Gartenstadt-Idee.
    Abbildung: Architekten

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    Aus dem Wettbewerb für 70 Sozialwohnungen in Montgat (Auftraggeber: IPSOL) gingen Bajet Giramé zweitplatziert. Ihr Entwurf aus lose platzierten Bauten folgt der Gartenstadt-Idee.

    Abbildung: Architekten

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    Der Campingplatz in Tarragona stammt aus den 40er Jahren.
    Foto: Joan Guillamat

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    Der Campingplatz in Tarragona stammt aus den 40er Jahren.

    Foto: Joan Guillamat

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    Die Sanierung begannen Bajet Giramé 2017, ...
    Foto: Joan Guillamat

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    Die Sanierung begannen Bajet Giramé 2017, ...

    Foto: Joan Guillamat

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    ... sie verstehen das Projekt als kontiunierliche Instandhaltung und Erweiterung.
    Foto: Joan Guillamat

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    ... sie verstehen das Projekt als kontiunierliche Instandhaltung und Erweiterung.

    Foto: Joan Guillamat

Die Umwelt von Barcelona wurde über Jahrhunderte vom Menschen verändert

Bajet Giramé über die Wandelbarkeit der Rolle „des Architekten“ und die Notwendigkeit, Projekte als Prozess zu denken

Text: Gómez-Moriana, Rafael, Barcelona

Mit „Barcelona Metropolitana“ fand die Manifesta in diesem Jahr zum ersten Mal nicht nur in einer Stadt, sondern in einem Ballungsraum statt. Dies kommt zur rechten Zeit, denn die Kunstszene Barcelonas hat sich aufgrund des Drucks des Immobilienmarktes weitgehend aus der Stadt hinaus in die kleineren Nachbarstädte verlagert, wo mittlerweile auch viele Architekten und Architektinnen ihre Karriere beginnen: Bajet Giramé, ein junges Architektenpaar, das in einem Lagerhaus im ehemaligen Industriegebiet Poblenou lebt und arbeitet, ist ein gutes Beispiel für ein aufstrebendes Büro in der katalanischen Hauptstadt. Wie so viele Vertreter ihrer Genera­tion entwerfen und bauen sie nicht nur, sondern lehren, forschen, schreiben und kuratieren auch. Ich habe mich mit Pau Bajet und Maria Giramé getroffen, um über ihre multidis-ziplinäre Arbeit zu sprechen, und als erstes habe ich sie gefragt, wie es ist, so viele verschiedene Hüte zu tragen. Ist es nicht anstrengend, ständig den Hut wechseln zu müssen?
Pau Bajet Architekten und Architektinnen müssen heutzutage viele Hüte tragen. Vieles von dem, was wir tun, mag nicht unmittelbar produktiv erscheinen, aber es hilft uns, die Wirklichkeit zu verstehen. Lehren und Forschen halten unser Denken in Bewegung und zwingen uns, unsere Ideen zu artikulieren und kommunizierbar zu machen. Das Schreiben hilft uns, strengere Maßstäbe an unsere Arbeit anzulegen. Letztlich befruchten sich unsere verschiedenen Tätigkeiten gegenseitig.
Ja, sage ich, aber wir haben heute mehr Architektur-Biennalen als je zuvor und mehr Ausstellungen und Konferenzen als je zuvor, und gleichzeitig herrscht Wohnungsnot. Lenken diskursive Veranstaltungen nicht von der dringlicheren und primären Aufgabe der Arbeit von Architektinnen ab?
Pau Bajet Ja, aber Ablenkungen können neue Ideen hervorbringen und unsere Arbeit inspirieren. Wenn wir bei einem Gestaltungsaspekt nicht weiterkommen und uns anderen Aufgaben zuwenden, taucht die Lösung für das Gestaltungsproblem oft unerwartet auf. In gewisser Weise genießen wir Ablenkungen.
Ablenkung ist wohl ein Symptom des digitalen Zeitalters. Was ist mit den Häusern, die sie bauen – sind sie von Ablenkungen inspiriert?
Maria Giramé Zwei Wohnungsbauwettbewerbe, an denen wir kürzlich teilgenommen haben,
haben zu zwei sehr unterschiedlichen Projekten geführt. Für die Stadt El Prat (wo sich der Flughafen von Barcelona befindet, Anmerkung des Autors) wurde die Gebäudehülle von den Planern vorgegeben, so dass sich das Projekt hauptsächlich auf die Tektonik der Ballonstruktur aus Holz konzentrierte. In Montgat (auf der anderen Seite von Barcelona, Anm. d. A.) waren wir in Bezug auf die Gebäudetypologie frei, so dass es bei diesem Projekt um eine symbiotische und durchlässige Beziehung zwischen den Wohneinheiten und der Landschaft ging.
Pau Bajet Wir entwerfen gerne Sozialwohnungen, in denen wir selbst gerne leben würden.
In El Prat konnten wir eine Ballonkonstruktion verwenden, da die vorgegebene Hülle nur drei Stockwerke über dem Erdgeschoss lag. Die Holzbalken sind in den Decken sichtbar, aber das mussten wir uns erst erkämpfen.
Maria Giramé Letztendlich haben Akustik und Brandschutz viele Details bestimmt, daher war es uns wichtig, zumindest einen Teil des Ballontragwerks sichtbar zu lassen, was in Spanien bei großen Gebäuden eine ungewöhnliche Bauweise ist.
Pau Bajet Es war wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen, ein echtes Gefühl dafür, dass das Gebäude aus Holz gebaut ist.
Dann frage ich die beiden, ob das, was in der Metropolregion passiert, sich von dem unterscheidet, was im Stadtzentrum in Bezug auf Architekturprojekte passiert.
Maria Giramé Die Peripherie von Barcelona ist die Zukunft der Stadt. Es ist der einzige Ort, an dem sich die Stadt ein wenig ausdehnen kann, also ziehen die Menschen dorthin, um neue Möglichkeiten zu suchen.
Pau Bajet Während der Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in den 1980er Jahren hieß es in Barcelona: „Lasst uns die Peripherie monumentalisieren“, weil sie eine Art unerwünschter Ort war. Die Anziehungskraft der Peripherie und des „terrain vague“ in den Achtziger Jahren war gewissermaßen das Ergebnis einer Überästhe-tisierung. Heute sehen wir dieses Gebiet anders. Vielleicht gibt es jetzt echte Bemühungen, es zu einem Ort des Zusammenlebens zu machen, wo den kulturellen, politischen und ökologischen Wechselwirkungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Ich weise darauf hin, dass im Zentrum von Barcelona zunehmend „Expats“ und digitale Nomaden leben und arbeiten, und frage sie, was sie von diesem Wandel halten.
Maria Giramé Die Aufwertung der Peripherie ist in der Tat eine Möglichkeit, sie auch für diese Menschen attraktiver zu machen. Aber es gibt einen Teil, den wir vielleicht akzeptieren müssen. Als wir in London lebten, wo wir beide für David Chipperfield gearbeitet haben, genoss ich es, von Menschen aus der ganzen Welt umgeben zu sein. Ich liebe es, in einer Stadt mit anderen Kulturen zu leben. Natürlich gibt es das Phänomen der Gentrifizierung, mit dem sich die Stadt auseinandersetzen muss. Aber ich hoffe, dass Barcelona immer eine gastfreundliche Stadt bleiben wird.
Pau Bajet Tatsache ist, dass Barcelona ein Magnet für Menschen aus der ganzen Welt ist, und wir können unsere Grenzen nicht einfach schließen. Wir wollen nicht zu einer kleineren und engstirnigeren Gesellschaft zurückkehren. Ja, wir müssen uns mit Problemen wie der Gentri-fizierung auseinandersetzen, und als Architektinnen können wir anregen, diese durch mehr Investitionen in den öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbau anzugehen. Wenn wir auf die letzten 40 Jahre zurückblicken, haben wir in der Tat viele Sozialwohnungen gebaut, aber was ist mit ihnen passiert? Viele wurden in einer Art öffentlicher Lotterie verschenkt – gewissermaßen ein Erbe der Franco-Diktatur – und landeten dann auf dem freien Markt. Heute gibt es in Barcelona nur noch zwei Prozent Sozialwohnungen, vielleicht sogar noch weniger. Glücklicherweise gab es in den letzten Jahren massive Kritik, und dank des gestiegenen Bewusstseins werden die meisten Wohnungen heute zur Vermietung und nicht zum Verkauf gebaut.
Dann frage ich sie nach dem schönen Campingplatz, den sie an der Küste von Tarragona renoviert haben.
Pau Bajet Das Renovierungsprojekt für den Campingplatz Alfacs begann etwa 2016. Der Auftraggeber kam klugerweise nicht mit einem festen Auftrag, sondern bat uns um eine offe-ne Studie, und so begannen lange Gespräche. Die Arbeiten konnten nur außerhalb der touris­tischen Saison durchgeführt werden, und so wurde es eine schrittweise Umgestaltung mit kleinen Eingriffen, die über viele Jahre hinweg nur im Winter stattfanden. Es ist ein langsamer Prozess, eine Idee, die uns gefällt: Es wird mit der Zeit. Wir haben uns das Ganze als eine kleine Stadt voller Vielfalt vorgestellt: Es gibt Begegnungen, Privatsphäre, Kontemplation, Schatten, frische Luft, Grünflächen, Terrassen und sogar einen Strand!
Maria Giramé Die erste Idee für das Projekt war eine Topografie aus alten und neuen Terrassen aus Waschbeton. Aus diesen Terrassen ragen Stampflehmbauten mit schmalen Servicepavillons heraus, die alltägliche Aufgaben in angenehme Urlaubsaktivitäten verwandeln sollen, während zwei größere zentrale Gebäude mit Schrägdächern großzügige Innenräume für gemeinschaftliche Nutzungen bieten. Für die Terrassen haben wir 24 vorgefertigte Bungalows mit Holzkonstruktionen entworfen. Dabei gibt es eine Vielzahl von Typologien, aber immer mit ei-ner gleich großen, schattigen Veranda mit Blick auf das Meer. Die Freiräume sind auf einem Campingplatz sehr wichtig, und es gibt viele alte Bäume, die wir respektieren. Es ist ein mediterraner Garten, an dem wir mit einem Landschaftsarchitekten gearbeitet haben. Die Küste ist sehr unregelmäßig und das Gelände sehr schmal, so dass die ursprünglichen Stellplätze nicht wie auf einem typischen „Parkplatz“ angelegt werden konnten. Dieser Campingplatz ist einer der ersten, die in Spanien Ende der 1940er Jahre gebaut wurden. Die Bäume wurden damals wahrscheinlich ohne Plan gepflanzt, so dass der Platz sehr organisch und zufällig wirkt, was wir sehr schätzen.
Das Gespräch über eine attraktive Küstenlandschaft bringt das umstrittene Thema der Erweiterung des Flughafens von Barcelona auf, die die Küstenlagune bedroht. Dort hat u.a. Antoni Bonet in den 1960er Jahren die wunderschöne Villa „La Ricarda“ gebaut, die einer der Manifesta-Standorte war.
Pau Bajet Unser ökologisches Denken ist nicht konservativ in dem Sinne, dass wir versuchen, eine idealisierte, nicht hybride natürliche Vergangenheit wiederherzustellen. Wir glauben nicht, dass es in diesem Gebiet eine rein natürliche Umwelt gibt. Die Umwelt von Barcelona wurde über Jahrhunderte vom Menschen verändert, und die heutige Küstenlinie ist alles andere als natürlich. Auch das Flussdelta des Llobregat ist zum Teil das Ergebnis menschlicher Aktivitäten, und die Lagune von La Ricarda ist nur ein kleiner Teil davon. Es liegt auf der Hand, dass die Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität in einem weitgehend geschädigten und urbanisierten Delta absolut notwendig ist. Aber ohne eine klare Position in der Debatte fragen wir uns, ob dieser wirtschaftliche Druck nicht umgekehrt werden könnte: Wenn die Expansion unvermeidlich ist, wäre es dann nicht möglich, das Delta in einem größeren Maßstab zu betrachten und es als eine größere Plattform für Biodiversität neu zu gestalten, indem viel mehr urbanisiertes Land für die Nutzung neuer Sumpfgebiete und Teiche zurückgewonnen wird?
Gemeinsam mit einer Reihe von Architekten und Architektinnen verschiedener Generationen aus Barcelona haben Bajet Giramé kürzlich den Wettbewerb für die Kuratierung des World Architecture Congress 2026 der UIA gewonnen. Mich interessiert, worum es in ihrem kuratorischen Konzept geht.
Pau Bajet Das Kongress-Thema dreht sich um den Begriff des „Werdens“. Werden wird als das Potenzial verstanden, Ereignisse räumlicher Aneignung und Transformation im Laufe der Zeit zu katalysieren. Unser Ansatz der Transformation geht von einem radikalen Gegensatz zum Konzept der tabula rasa aus und schlägt stattdessen langsame Prozesse der allmählichen Veränderung vor. Wir glauben, dass diese langsamen Rhythmen der Veränderung notwendig sind, um die bereits existierenden physischen, kulturellen, politischen und ökologischen Zusammenhän-ge zu berücksichtigen.
Maria Giramé Wir arbeiten noch daran und haben derzeit sechs Schwerpunkte, die sich aus dem zentralen Thema des Werdens ergeben und jeweils unterschiedliche Aspekte wie Ökologie, Ästhetik, Tektonik, Politik, Information und Zirkularität hervorheben. Neben der Identifizierung und Verbreitung internationaler Best Practices, die in Form von Workshops, Vorträgen und einer großen Ausstellung präsentiert werden, ist es unser Ziel, durch Forschung im Rahmen von eigens für den Kongress entwickelten Designprojekten zur Wissensproduktion beizutragen. Mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten, aber wir freuen uns darauf, darüber mehr zu erzählen, sobald die Ausstellung in Gange ist!
Aus dem Englischen von Beate Staib
Fakten
Architekten Bajet Giramé, Barcelona
aus Bauwelt 24.2024
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