Die Mönchengladbacher glauben wieder an ihre Stadt
Die beiden Hauptakteure auf Seiten der Bürgerschaft, Ernst Kreuder von der IHK Mittlerer Niederrhein und Fritz Otten als Vertreter der Architektenschaft, erläutern, wie es gelang, dass der Masterplan für Mönchengladbach Früchte trug.
Text: Escher, Gudrun, Xanten
Die Mönchengladbacher glauben wieder an ihre Stadt
Die beiden Hauptakteure auf Seiten der Bürgerschaft, Ernst Kreuder von der IHK Mittlerer Niederrhein und Fritz Otten als Vertreter der Architektenschaft, erläutern, wie es gelang, dass der Masterplan für Mönchengladbach Früchte trug.
Text: Escher, Gudrun, Xanten
Brücken, die nichts verbinden, Mauern, die Räume verstellen. Stadt aus Inseln. Wie konnte es so weit kommen, dass Außenstehende ein solches Urteil über Mönchengladbach fällen?
Fritz Otten Mönchengladbach hatte es versäumt, auf die Herausforderungen, die der sukzessive Zusammenbruch der Textilindustrie mit sich brachte, mit einer Vision für die Zukunft zu antworten. Das gilt sowohl für die wirtschaftlichen Aspekte, als auch für den Städtebau. Die Krise führte die Stadt unter das Kuratel der Haushaltssicherung. Das führte zu einer Stadtentwicklung von der Hand in den Mund – ohne Gesamtkonzept, ohne Zielrichtung und ohne Öffentlichkeit. Die Entscheidungen fielen in bestimmten Hinterzimmern. Konzepte wie „ Mönchengladbach 2030“, die im Rahmen des Bundesforschungsvorhabens „Stadt 2030“ Anfang des neuen Jahrhunderts erarbeitet wurden, verschwanden wieder in der Schublade.
Ernst Kreuder Die drei bei der Gebietsreform 1975 zusammengefassten Städte Mönchengladbach, Rheydt und Wickrath wurden mit der Gießkanne möglichst gleichmäßig „versorgt“, um die jeweiligen Wähler nicht zu vergrämen. Die Voraussetzungen sind aber sehr ungleichgewichtig, sodass Einzelprojekte nicht die erhofften Wirkungen erzielen konnten.
Ist Mönchengladbach trotz allem eine schöne Stadt? Und worin besteht Ihrer Meinung nach ihr Potenzial?
Fritz Otten Worin liegt die Schönheit Mönchengladbachs? Die Stadt scheint attraktiv zu sein. Jedenfalls bei den Unternehmensgründungen liegt sie bei einem Ranking auf Platz 2 und bei der Familienfreundlichkeit in einer anderen Studie auf Platz 1. Wir haben niedrigere Lebenshaltungskosten als andere Großstädte und eine ganze Reihe spannender Freizeitangebote vor der Haustür.
Ernst Kreuder Mönchengladbach steht für Aufbruch und Tradition, urbanes Leben und grüne Oasen, Kreativität und Brauchtum, nicht zuletzt für die Faszination Fußball. Und Mönchengladbach hat eine große, lange und erfolgreiche Tradition in Sachen bürgerschaftlichen Engagements.
Wie entstand die Idee für ein Masterplanverfahren?
Fritz Otten Die Architektenschaft Mönchengladbach e.V. hat sich immer schon offensiv für Städtebau engagiert. Dort entstand auch die Idee für den Masterplanprozess und die Idee einer „3. Gründung“ – nach der Stadtgründung vor über 1000 Jahren durch die Mönche und nach der Blütezeit der Textilwirtschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Logo „MG 3.0“, das die Mönchengladbacher Agentur Zeichensaele dann für uns entwickelte, hat diese Idee griffig gemacht. Dass wir außerdem mit Gregor Bo-nin als damaligem Planungsdezernenten von Düsseldorf einen engagierten Städtebauer mit internationalen Kontakten an Bord hatten, war sehr hilfreich.
Ernst Kreuder Den Verein „MG 3.0“ als Träger des gesamten Verfahrens haben Architektenschaft und die IHK gemeinsam mit der Handwerkskammer gegründet. Damit war von Anfang an eine breite Basis der Beteiligung sichergestellt. Und so ist es uns auch gelungen, die erforderlichen Geldmittel bei den Gladbacher Bürgern und Unternehmen zusammenzutragen.
Wie haben Sie die Bürgerbeteiligung organisiert?
Fritz Otten Beteiligungsverfahren, das wissen wir Planer aus Erfahrung, sind mit viel Aufwand verbunden, dabei oft zäh und ineffektiv und von den Bürgern wenig beachtet. Wir aber wollten die ganze Bevölkerung „mitnehmen“, wenn die Zukunft ihrer Stadt in Rede steht. Jörg Faltin mit seinem Büro FSW aus Düsseldorf hat den Fahrplan für das Verfahren entwickelt und dieses dann auch professionell durchgeführt.
Ernst Kreuder Unsere Vorstandsmitglieder haben im Vorfeld die Chefs der IHK Mitgliedsunternehmen befragt. Dabei sind viele Kritikpunkte zum Beispiel an der Infrastruktur, am Stadtbild, an der Sauberkeit der Stadt benannt worden, aber auch positive Anregungen, die von Beginn an in die Überlegungen einfließen konnten.
Warum war es Ihnen wichtig, Fachkompetenz von außen zu holen?
Fritz Otten Uns war es von Anfang an wichtig, Professionalität in allen Belangen einzukaufen, um ein transparentes und hochwertiges Verfahren zu gewährleisten. Wir haben bewusst Experten von außen geholt – es sollte die Chance genutzt werden, völlig unvoreingenommen neu zu denken. Der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern wollten wir etwas zur Verfügung stel-len, das Substanz hat und Bestand haben kann.
Wie verhindern Sie, dass der Masterplan in der Schublade verschwindet wie andere Pläne vorher auch?
Fritz Otten Zahlreiche Gesprächsrunden mit Politik und Stadtverwaltung sowie ein runder Tisch waren alle von Anfang an in das Gesamtverfahren eingebunden. Schließlich wurde das im „4. Bürgerdialog“ vorgestellte Ergebnis vom Team um Sir Nicholas Grimshaw vom Rat der Stadt als Grundlage für die weitere Stadtentwicklung beschlossen. Daraus ist jetzt der Maßnahmenkatalog „mg+ Wachsende Stadt“ entstanden.
Was unterscheidet das Verfahren in Mönchengladbach von Masterplänen für andere Städte?
Ernst Kreuder Natürlich haben wir uns vorab über Masterpläne in anderen Städten informiert. In Duisburg ist der Masterplan von Sir Norman Foster für den Innenhafen und später auch die Innenstadt von der Stadt in Auftrag gegeben worden mit formeller Beteiligung der städtischen Ämter, aber ohne intensiven Bürgerdialog. Um uns über das Verfahren in Köln zu informie-ren und Mitstreiter zu gewinnen, hat die Architektenschaft ganz am Anfang den Kölner IHK-Präsidenten Paul Bauwens-Adenauer eingeladen, den Kölner Masterplan vorzustellen. Der Masterplan von Albert Speer war sicher gut, aber er hatte wenig Akzeptanz in der Bevölkerung, da diese nicht mit eingebunden war. Das wollten wir besser machen. Und das ist uns auch gelungen: Bis zu 400 interessierte Bürger kamen zu unseren Dialogveranstaltungen.
Haben Sie Ihr Ziel erreicht?
Fritz Otten Um die Ziele, das Vorgehen, die verschiedenen Etappen auf dem Weg zum Masterplan und das Ergebnis zu dokumentieren, haben wir 2013 das Buch „MG 3.0 – die 3. Gründung“ herausgegeben. Jetzt ist der Folgeband „MG 3.0 –Mission erfüllt!“ erschienen. Darin gehen wir auch auf das ein, was an konkreten Schritten bereits in die Wege geleitet ist, eingebunden in die Stadtentwicklungsstrategie „mg+ Wachsende Stadt“, welche die Handschrift unseres Baudezernenten Gregor Bonin und unseres Oberbürgermeisters Hans Wilhelm Rainers trägt.
Ja, wir haben es geschafft! Wir haben einen Masterplan erarbeitet, der eine realitätsnahe Vision davon gibt, wie unsere Stadt in einigen Jahrzehnten aussehen kann. Und genauso wichtig: Die Mönchengladbacher glauben wieder an ihre Stadt.
Was wäre Ihr Traum für Ihre Stadt über MG 3.0 hinaus?
Ernst Kreuder In der Stadt und in der Region, aber auch auf den Immobilienmessen in Cannes und München spüren wir ein waches Interesse an Mönchengladbach bei Investoren. International tätige Unternehmen erkennen das Potenzial von Mönchengladbach und seiner Arbeitskräfte, und es werden bereits einige große Maßnahmen umgesetzt sowohl im Gewerbesektor wie auch im Wohnbereich. Ich wünsche mir, dass dieser neue Schwung lange anhält.
Fritz Otten Mein Traum ist eine Stadt, die ihre autogerechte Vergangenheit mit überdimensionierten Straßenschneisen und Kreuzungen endgültig überwindet und damit wertvolle Räume für Menschen gewinnt. Und eine Stadt, die ihr kleines aus dem Krieg übriggebliebenes architektonisches Erbe erkennt und wertzuschätzen lernt. Da gibt es noch einige Schätze zu heben und Objekte in Szene zu setzen, wie zum Beispiel auch das alte Polizeirevier mitten in der Stadt, unmittelbar an der Hochschule.
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