Robuster Stadtbaustein
- Autorin: Doris Kleilein
- Fotos: Timothy Soar
Im hippen Londoner Stadtteil Southwark haben AHMM ein Ensemble aus Bürohochhaus und Wohnblock gebaut: „240 Blackfriars Road“ besticht durch seine komplexe Geometrie – und durch den massiven schwarzen Klinker, der auffällt, nicht nur wegen seiner für London ungewöhnlichen Farbe.
Seit dem Umzug der Tate Modern an das südliche Themse-Ufer ist Southwark im Kommen: Bei Touristen und Einheimische gleichermaßen beliebt, entwickelt sich der vormals industriell geprägte Stadtteil zum Ausgehviertel. An einer der wichtigsten Kreuzungen, dort, wo die Blackfriars Road auf die Themse und das Eisenbahnviadukt trifft, haben AHMM 2014 ein ungleiches Duo fertiggestellt: einen 90 Meter hohen Glasturm, dessen schlankes, asymmetrisches Volumen zur Landmark werden könnte, begleitet von einem dunklen, mit sechs Geschossen vergleichsweise niedrigen Massivbau. Die Nutzungen sind – typisch für London – klar getrennt: Im Hochhaus sind 28 000 Quadratmeter Büroflächen untergebracht, der schwarze Block fasst auf 1300 Quadratmetern zehn exklusive Wohnungen. „Die Aufteilung folgt der Logik der Auftraggeber und des Grundstücks, das ein Parallelogramm bildet. Wir wollten allerdings nicht, dass das Wohnhaus wie ein schwacher kleiner Anhang aussieht, sondern sein eigenes Gewicht bekommt“, erläutert Architekt Simon Allford von AHMM das Konzept.
„Schwarzer Klinker, der auffällt, nicht nur wegen seiner für London ungewöhnlichen Farbe”
Blick in den Himmel: ein sechsgeschossiges Atrium vermittelt zwischen Wohn- und Hochhaus
Um das Wohnhaus klar von dem gläsernen Turm abzusetzen und in seiner Präsenz zu stärken, haben die Architekten sich für eine schwarze Klinkerfassade entschieden – eine ungewöhnliche Farbe für Londoner Verhältnisse, wo rote und braune Backsteinfarben dominieren. „Der Backstein sollte nicht wie eine dünne Haut auf einem skulptural geformten Volumen aussehen, sondern eine gewisse Tiefe zeigen, als hätte man die Fensteröffnungen in einen massiven Block geschnitten“, so Allford. Um diese Anmutung zu erreichen, haben die Architekten einen flachen schwarzen Klinker (Röben FARO, 240 x 90 x 52 Millimeter) im Läuferverband verlegt, dunkelgrau verfugt und auch in die Laibungen und Rückwände der Loggien hineingezogen. Die Fassade wirkt plastisch und aus einem Guss, ohne Zierelemente und sichtbare Stürze. Verstärkt wird der Eindruck durch die besondere Ausbildung der Gebäudekanten mit ihren unterschiedlichen, nicht-orthogonalen Winkeln: Speziell von Röben angefertigte Formsteine legen sich passgenau um die Ecken.
„Wir wollten allerdings nicht, dass das Wohnhaus wie ein schwacher kleiner Anhang aussieht, sondern sein eigenes Gewicht bekommt.“
Die homogene Außenhülle verrät nur wenig von dem komplexen Innenleben des Hauses: Die als Maisonetten ausgebildeten Wohnungen sind großzügig mit Gärten, Dachterrassen und Loggien bestückt, es sind High-End-Apartments, was man bei Wohnungspreisen zwischen einer und drei Millionen Euro auch erwarten darf. Doch nicht nur auf hochwertige Materialien und Ausstattung haben die Architekten Wert gelegt. Wichtig war ihnen auch die stadträumliche Einbindung auf der Fußgängerebene und die Schnittstelle zwischen Hochhaus und Wohnblock.
Auch die Loggien sind mit Klinker verkleidet
Im Stadtraum präsent: das Wohnhaus von AHMM
Die beiden stehen nicht einfach nebeneinander, sondern sind durch einen kleinen Vorplatz und ein öffentlich einsehbares Atrium verbunden: „Durch den Zuschnitt des Grundstücks gab es viele eigenartige Beziehungen zwischen der Glasfassade des Bürohauses und dem Wohnhaus – wir haben damit gespielt und eine Art heimlichen Hof entworfen“, so Simon Allford. Das sechs Geschosse hohe Atrium spannt sich zwischen die beiden Gebäude: Passanten können es „entdecken“, die Bewohner verlassen die belebte Blackfriars Road und betreten von dort aus ihre Wohnungen. Die Innenwände des „black canyon“ sind wie die Straßenfassaden in schwarzen Klinker gehüllt, wobei die Architekten die Oberflächen auf Augenhöhe weiter differenziert haben: Sie wurden mit einem polierten, dunkelgrün glasierten Stein ausgeführt. „Es ist ein Gebäude mit komplexer Geometrie. Wir haben zum ersten Mal mit dem deutschen Hersteller Röben gearbeitet und sind sehr zufrieden“, resümiert der Architekt. Das Wohnhaus ist ein robuster Stadtbaustein geworden, der sich gut einfügt in die Nachbarschaft von Themse und Tate und sicher zur weiteren Aufwertung des Viertels beitragen wird.
Der Londoner Architekt Simon Allford
links: Eingangshof zum Wohnhaus
rechts: Außen schwarz, innen lichtdurchflutet: Maisonette-Wohnung mit Loggia