Auf Zeit
Alte und neue Wandbilder in Baden-Baden und Bielefeld
Text: Kuhlmann, Elmar, Minden
Auf Zeit
Alte und neue Wandbilder in Baden-Baden und Bielefeld
Text: Kuhlmann, Elmar, Minden
Zwei simultan präsentierte Ausstellungen der Kunsthallen Bielefeld und Baden-Baden stellen zurzeit die Wandmalerei ab den späten 1960er Jahren in den Mittelpunkt. Sie spüren – mit unterschiedlichen Schwerpunkten – dem Drang der Künstler zum viel zitierten „Ausstieg aus dem Bilde“ (Laszlo Glozer) nach.
Die Ausstellungen mit dem Zwillingstitel „Auf Zeit“ gründen nicht zuletzt auf Rekonstruktionen längst übertünchter Wandbilder damaliger Avantgardisten wie Sol LeWitt, Lawrence Weiner oder Blinky Palermo.
In Baden-Baden wird neben aktuellen Wandarbeiten ausgewähltes Archivmaterial zu vergangenen Ausstellungen in der geschichtsträchtigen Kunsthalle präsentiert, damals unter Beteiligung etwa von Daniel Buren, Günther Förg, Hamish Fulton, Gerhard Merz, Helmut Middendorf, Guiseppe Penone, Karin Sander, K.R.H.Sonderborg und Corinne Wasmuth. Könnten hier wahre Schätze geborgen wer-den, die einer Freilegung entgegensehen? Das jedenfalls suggeriert der Badener Untertitel „Was hinter dem Putz steckt“.
In Bielefeld wählte man einen anderen Weg. Die Kuratoren beziehen sich thematisch, nicht zum ersten Mal (Bauwelt 43.12, 07.13), auf das Baujahr des Museumshauses 1968 und nutzten daneben mit den frei eingestellten Wandscheiben die spezifisch-räumlichen Qualitäten des Johnson-Baus für eine treff- liche Präsentation darauf abgestimmter Arbeiten. Plausibel im Sinne der Wechselwirkung von Raum und Werk wurde der Subtitel „Wandbilder – Bildwände“ gewählt.
Neu ist, dass die Fassade der Kunsthalle mit Kunst bespielt wird. An der oberen Gebäudekante verläuft ein Schriftband von Lawrence Weiner, THE MIDDLE OF THE MIDDLE OF THE MIDDLE OF auf dem rötlichen Naturstein. Wandgestaltung! Schon im Entrée des Hauses eröffnet die Arbeit von Kay Rosen: Wanderful! die Ausstellung. Treppabwärts, gen Studiogalerie, wurde endlich der verblasste „Farbweg“ des zweifachen Documenta-Teilnehmers Otto Herbert Hajek aus dem Jahre 1971 restauriert.
In den Obergeschossen hatte sich in den vergangenen Wochen echte Atelieratmosphäre ausgebreitete, als sukzessive, auf über vierzig Wandflächen, insgesamt 26 Positionen rekonstruierter und aktueller Wandmalerei entstanden. Der in der Ausstellung angebotene Dokumentarfilm dazu vermittelt die Freude der beteiligten Künstler an dieser kollek-tiven Arbeit. Vom „dekorierten Schuppen“ der postmodernen Episode weist der Blick der Kuratoren zurück nach vorn. Das konsistente Gesamtkunstwerk rückt erneut in den Fokus des Interesses. Etwa durch die posthume Rekonstruktion zweier Werke des Initialkünstlers Sol LeWitt (Walldrawing #5 und #46, 1969/70), der die Ausführung seiner Ideen den Assistenten überließ, denen er Handlungsanweisungen gab. Richard Turtle hat für die Bielefelder Ausstellung eine Reihe von neun Arbeiten rekonstruiert, die er 1973 für den Kunstraum München geschaffen hatte.
In den Obergeschossen hatte sich in den vergangenen Wochen echte Atelieratmosphäre ausgebreitete, als sukzessive, auf über vierzig Wandflächen, insgesamt 26 Positionen rekonstruierter und aktueller Wandmalerei entstanden. Der in der Ausstellung angebotene Dokumentarfilm dazu vermittelt die Freude der beteiligten Künstler an dieser kollek-tiven Arbeit. Vom „dekorierten Schuppen“ der postmodernen Episode weist der Blick der Kuratoren zurück nach vorn. Das konsistente Gesamtkunstwerk rückt erneut in den Fokus des Interesses. Etwa durch die posthume Rekonstruktion zweier Werke des Initialkünstlers Sol LeWitt (Walldrawing #5 und #46, 1969/70), der die Ausführung seiner Ideen den Assistenten überließ, denen er Handlungsanweisungen gab. Richard Turtle hat für die Bielefelder Ausstellung eine Reihe von neun Arbeiten rekonstruiert, die er 1973 für den Kunstraum München geschaffen hatte.
Dass die Möglichkeiten der Wandinterventionen bei weitem nicht ausgereizt sind, zeigen exemplarisch Karin Sanders in Bielefeld realisierte Wandstücke (Wallpiece 176x132 und Wallpiece 32x26,5). Erst bei genauem Hinschauen ist auf den mono-chrom weißen Putzflächen jeweils ein glasglatt aufpoliertes Rechteck auszumachen, entstanden durch beharrliches Bearbeiten der Teilflächen mit immer feinkörnigerem Sandpapier. Anstelle stumpfer Wandfläche spiegelt sich darin bei geeigneter Blickrichtung nun der ausladende Kunsthallenpark. „The handicap in using walls is that the artist is at the mercy of the architect“, beklagte Sol LeWitt im Jahr 1970. Die neue Künstlergeneration lernt offenbar, den Spieß umzudrehen.
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