Auskragen
Design und Architektur von Marcel Breuer im Bauhaus Dessau
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Auskragen
Design und Architektur von Marcel Breuer im Bauhaus Dessau
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Die Schau, eine Übernahme aus dem Vitra Design Museum, lässt dem Architekten Breuer endlich einmal Gerechtigkeit widerfahren. In allen Ausstellungen über das Bauhaus kommt er allein als Möbelentwerfer vor. Doch erst beide zusammen, Design und Architektur, machen Breuers Lebenswerk aus.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Eine Fotografie der Möbelwerkstatt am Bauhaus Weimar aus dem Jahr 1923 zeigt viel Holz und noch mehr Späne. In dieser Werkstatt lernte der blutjunge Marcel Lajos Breuer aus dem ungarischen Pécs die Möbeltischlerei. Und verabschiedete sich zwei Jahre später vom Holz, um stattdessen Möbel aus Metall zu entwerfen. Da war er, gerade 23 Jahre alt, selbst Leiter der Werkstatt. 1926 zog das Bauhaus nach Dessau in das neue Gebäude von Walter Gropius; in Dessau hatte Breuer schon zuvor seinen „Stahlclubsessel“ gezeigt, der heutzutage unter dem Namen „Wassily-Chair“ bekannt ist und immer noch produziert wird – ein Klassiker.
Marcel Breuer (1902–81) hat mehrere solcher Klassiker entworfen. Um den klassischsten von allen, den „hinterbeinlosen“ Stuhl von 1929 für die mit Bugholzmöbeln zu Weltruhm gelangte Firma Thonet, musste Breuer mit dem Holländer Mart Stam einen langen Rechtsstreit führen. Auch Stam hatte mit Metall experimentiert, und zwar mit gewöhnlichem Gasrohr. Er wollte die Produktion so preiswert wie möglich machen, und so zeigte er seinen hinterbeinlosen Stuhl – den in der Tat allerersten – in seinen Reihenhäuschen „für das Existenzminimum“ bei der Stuttgarter Weißenhofsiedlung 1927. Breuer hingegen bespannte sein Exemplar mit Korbgeflecht – das war eher für Besserverdiener erschwinglich.
Ein wenig vermisst man dann doch die Sozialgeschichte in der Ausstellung, die die Stiftung Bauhaus Dessau dem Designer und Architekten Marcel Breuer widmet. Doch dessen erstaunlichen Lebensweg zeichnet die Übernahme aus dem Vitra Design Museum mit vorzüglichen Objekten nach. Dafür musste ein Teil der Ausstellungsebene im Werkstattflügel des Bauhauses klimatisch hergerichtet werden – provisorisch, versteht sich, denn zur Klimatisierung ist ein Lüftungsaustritt durch die Fassade erforderlich. Die Schau lässt dem Architekten Breuer endlich einmal Gerechtigkeit widerfahren. In allen Ausstellungen über das Bauhaus kommt er allein als Möbelentwerfer vor. Das versteht sich insofern, als er erst in der Exilzeit in den USA ab 1937 als Architekt arbeitete, ist aber eben auch verzerrend, weil beide zusammen, Design und Architektur, Breuers Lebenswerk ausmachen.
Von Stahlrohrmöbeln zu Betonkirchen
Im Unterschied zu Zeitgenossen wie Ludwig Mies van der Rohe oder Alvar Aalto war Breuer nie zeitgleich Möbelgestalter und Architekt. Er war es nacheinander. So unterscheidet sich beides denn auch erheblich voneinander. Breuers technisch-industrielle Haltung der Bauhaus-Zeit macht in seiner Architektur einer kraftvollen und ausdrucksstarken Formensprache Platz. Dass er später einmal mit monumentalen Kirchen aus Beton hervortreten würde, hätte er sich in seinen Dessauer Jahren wohl nicht träumen lassen.
Breuers Architektur stellt die Ausstellung in leuchtend weißen Modellen vor. Ob er nun „der wichtigste und großartigste Einfamilienhausbauer des 20. Jahrhunderts“ war, wie Kurator Matthias Remmele behauptet, sei dahingestellt, aber zweifellos sind seine Häuser von einer inneren Logik, die ihresgleichen sucht. Es sind, wie alle seine Bauten, Solitäre. So auch das Whitney Museum in New York von 1964–66, sein bekanntestes Bauwerk. Das meistbesuchte hingegen dürfte das Kaufhaus „De Bijenkorf“ von 1957 sein, aus Rotterdams Wiederaufbauphase, und sein spektakulärstes das über einen Felsen auskragende, postum vollendete Hotel „La Flaine“ in den französischen Alpen.
Auskragen – das ist das verbindende Motiv von Design und Architektur bei Breuer. Die Stühle und Sessel wippen, ganz auf die Elastizität des Stahls vertrauend, die Häuser weiten sich mit zunehmender Höhe oder balancieren, wie ein College-Gebäude in New York, auf schmalen Betonfüßen. Breuers Interesse an der Konstruktion, auch am Ausreizen der technischen Möglichkeiten, ist allgegenwärtig. Und hat in der Möbelwerkstatt am Bauhaus begonnen.
Marcel Breuer (1902–81) hat mehrere solcher Klassiker entworfen. Um den klassischsten von allen, den „hinterbeinlosen“ Stuhl von 1929 für die mit Bugholzmöbeln zu Weltruhm gelangte Firma Thonet, musste Breuer mit dem Holländer Mart Stam einen langen Rechtsstreit führen. Auch Stam hatte mit Metall experimentiert, und zwar mit gewöhnlichem Gasrohr. Er wollte die Produktion so preiswert wie möglich machen, und so zeigte er seinen hinterbeinlosen Stuhl – den in der Tat allerersten – in seinen Reihenhäuschen „für das Existenzminimum“ bei der Stuttgarter Weißenhofsiedlung 1927. Breuer hingegen bespannte sein Exemplar mit Korbgeflecht – das war eher für Besserverdiener erschwinglich.
Ein wenig vermisst man dann doch die Sozialgeschichte in der Ausstellung, die die Stiftung Bauhaus Dessau dem Designer und Architekten Marcel Breuer widmet. Doch dessen erstaunlichen Lebensweg zeichnet die Übernahme aus dem Vitra Design Museum mit vorzüglichen Objekten nach. Dafür musste ein Teil der Ausstellungsebene im Werkstattflügel des Bauhauses klimatisch hergerichtet werden – provisorisch, versteht sich, denn zur Klimatisierung ist ein Lüftungsaustritt durch die Fassade erforderlich. Die Schau lässt dem Architekten Breuer endlich einmal Gerechtigkeit widerfahren. In allen Ausstellungen über das Bauhaus kommt er allein als Möbelentwerfer vor. Das versteht sich insofern, als er erst in der Exilzeit in den USA ab 1937 als Architekt arbeitete, ist aber eben auch verzerrend, weil beide zusammen, Design und Architektur, Breuers Lebenswerk ausmachen.
Von Stahlrohrmöbeln zu Betonkirchen
Im Unterschied zu Zeitgenossen wie Ludwig Mies van der Rohe oder Alvar Aalto war Breuer nie zeitgleich Möbelgestalter und Architekt. Er war es nacheinander. So unterscheidet sich beides denn auch erheblich voneinander. Breuers technisch-industrielle Haltung der Bauhaus-Zeit macht in seiner Architektur einer kraftvollen und ausdrucksstarken Formensprache Platz. Dass er später einmal mit monumentalen Kirchen aus Beton hervortreten würde, hätte er sich in seinen Dessauer Jahren wohl nicht träumen lassen.
Breuers Architektur stellt die Ausstellung in leuchtend weißen Modellen vor. Ob er nun „der wichtigste und großartigste Einfamilienhausbauer des 20. Jahrhunderts“ war, wie Kurator Matthias Remmele behauptet, sei dahingestellt, aber zweifellos sind seine Häuser von einer inneren Logik, die ihresgleichen sucht. Es sind, wie alle seine Bauten, Solitäre. So auch das Whitney Museum in New York von 1964–66, sein bekanntestes Bauwerk. Das meistbesuchte hingegen dürfte das Kaufhaus „De Bijenkorf“ von 1957 sein, aus Rotterdams Wiederaufbauphase, und sein spektakulärstes das über einen Felsen auskragende, postum vollendete Hotel „La Flaine“ in den französischen Alpen.
Auskragen – das ist das verbindende Motiv von Design und Architektur bei Breuer. Die Stühle und Sessel wippen, ganz auf die Elastizität des Stahls vertrauend, die Häuser weiten sich mit zunehmender Höhe oder balancieren, wie ein College-Gebäude in New York, auf schmalen Betonfüßen. Breuers Interesse an der Konstruktion, auch am Ausreizen der technischen Möglichkeiten, ist allgegenwärtig. Und hat in der Möbelwerkstatt am Bauhaus begonnen.
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