Bauwelt

Baumeister Solness

Ibsens Drama um einen desillusionierten Archi­tekten am Staatsschauspiel Dresden

Text: Landes, Josepha, Berlin

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Foto: David Baltzer

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Baumeister Solness

Ibsens Drama um einen desillusionierten Archi­tekten am Staatsschauspiel Dresden

Text: Landes, Josepha, Berlin

Mit seinen Söhnen verlor Solness die Leidenschaft fürs Bauen, seinen Glauben an Gott. Nie wieder wollte er Kirchen bauen, verschrieb sich stattdessen dem lukrativen Immobiliengeschäft – den Wunsch anderer nach Bürgerlichkeit befriedigend, wissend, dass er selbst niemals derart „glücklich“ sein werde.
 „Jetzt muss Schluss sein!“ Die Worte des todkranken Knut Brovik (Lars Jung) öffnen die Bühne für Henrik Ibsens Baumeister Solness. Brovik war einst Lehrer von Halvard Solness (Holger Hübner) – und ist nun dessen Angestellter. Schluss solle sein, meint Brovik, mit der Dominanz des Architekten Solness, dieser möge nun seinerseits Platz für die Jugend machen. Sein letzter Wunsch: Solness soll Broviks Sohn Rag­nar (Matthias Luckey), der als Zeichner bei Solness angestellt ist, eine Projektleitung übertragen. Solness lehnt ab.
Unverhofft und buchstäblich zum Fenster herein kommt frischer Wind ins Büro, in Gestalt von Fräulein Hilde Wangel (Ines Marie Westernströer). Hilde, 22 Jahre jung, vergöttert den Architekten, seit dieser zehn Jahre zuvor den Kirchturm in ihrer Heimatstadt gebaut hat und sie, wie von allen guten Geistern verlassen, umschmeichelte. Hilde kitzelt an Solness’ Stolz, als sie ihn nun besucht, damit er ihr das dereinst versprochene Luftschloss baue. Mit jugendlicher Leichtfüßigkeit wischt sie alle Sorgen hinweg, die den Baumeister über die Jahre tief in seinen Bürostuhl gedrückt haben. Solness wird später, von Hildes angestachelt und seine Höhenangst mißachtend, ein Gerüst erklimmen und in den Tod stürzen.
Der Schauspieler und Regisseur Burghart Klaußner hat Ibsens 1892 veröffentlichtes Stück am Staatsschauspiel Dresden inszeniert. Die Bühne zeigt das Büro des Baumeisters. Eine Fensterwand mit Schiebeelementen trennt das Chef-Büro von den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter weiter hinten. Rechts führt eine Treppe in die Solness’sche Wohnung. Dreh- und Angelpunkt der Bühne sind zwei Sandsteinbrocken, die, wie vom Himmel gefallen, in der Mitte des Büros liegen. Sie sind das Stein gewordene Trauma der Familie: Beim Brand des Wohnhauses starben die Zwillingssöhne. Gleichzeitig öffnete die Zerstörung der „alten Kiste“ für Solness ungeahnte Möglichkeiten. Er parzellierte das Grundstück, baute Einfami­lienhäuser am laufenden Band. Doch mit seinen Söhnen verlor er die Leidenschaft fürs Bauen, seinen Glauben an Gott. Nie wieder wollte Solness Kirchen bauen, verschrieb sich stattdessen dem lukrativen Immobiliengeschäft – den Wunsch anderer nach Bürgerlichkeit befriedigend, wissend, dass er selbst niemals derart „glücklich“ sein werde. Seine Frau Aline (Christine Hoppe) versinkt in sturer Ausübung „ihrer Pflicht“, sieht Geliebte um Geliebte ihres Mannes vorbeiziehen, putzt und richtet weiter gewissenhaft die verwaisten Kinderzimmer her.
Die holzgetäfelten Wände der Bühne verschließen Massen von Büchern – Vergangenheit und Wissen, angehäuft und ignoriert. Fenster zeigen ins Nichts. Resignation spricht aus diesem Bühnenbild (Jens Kilian) wie aus den Kostümen (Marion Münch). In einem Fächer aus Brauntönen ist Aline im ersten Aufzug gekleidet. Und selbst auf die Angestellten färbt die Bedrückung ab. Kaja Fosli (Christine-Marie Günther), Buchhalterin und Geliebte des Baumeisters, ist zwar jung, doch Lebensfreude versprüht sie nicht im hochgeschlossenen, fahlen Kostüm.
Hilde befreit Solness aus seiner Lethargie; im Überschwang setzt der Alte sogar ihre Pudelmütze auf. Das Mädchen stiftet Aufruhr. Mit nichts als „ein bisschen Unterwäsche“ im Rucksack stürmt sie ins Büro. Frau Solness erkennt „ihre Pflicht“, das Mädchen einzukleiden, kauft ihm ein weißes Puppenkleid und rote Schuhe. Derlei Feinheiten zeigen die Qualität von Klausners Inszenierung. Ist Aline Solness naiv, wenn sie in dem Mädchen ein unschuldiges Püppchen sieht? Oder ist sie sich Hildes Verführungskraft bewusst, und die roten Ballerinas sind purer Sarkasmus? Vielschichtig bleiben die Personen, ihre Beweggründe, ihre Stellung am Abgrund, hinter dem der Wahnsinn lauert. Minutiös sind die Szenen choreographiert, die Darsteller bewegen sich be­deu­tungsvoll zwischen hinten und vorne, oben und unten, Mitte und Rand der Bühne. An die Steine wagt sich nur Hilde heran. Und bloß einmal noch steigt der Baumeister empor – und fällt.

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