Bauwelt

Der Park, die IGA und die IBA

Interview mit Regula Lüscher und Almut Jirku

Text: Geipel, Kaye, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin

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Senatsbaudirektorin Regula Lüscher
Foto: Kaye Geipel

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Senatsbaudirektorin Regula Lüscher

Foto: Kaye Geipel


Der Park, die IGA und die IBA

Interview mit Regula Lüscher und Almut Jirku

Text: Geipel, Kaye, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin

Welche Pirouetten gedreht werden müssen, damit es in Berlin zu einer neuen Internationalen Bauausstellung kommen kann und warum das Tempelhofer Flugfeld davon profitieren, aber nicht der Hauptdarsteller der IBA sein wird, erläutern die Berliner Senats­baudirektorin Regula Lüscher und ihre Mitarbeiterin Almut Jirku
im Interview.
Das preisgekrönte Parkkonzept von Gross.Max. rückt die Internationale Gartenbauausstellung IGA 2017 in einen direkten räumlichen Zusammenhang zum Flughafengebäude. Die Land­schaftsarchitekten aus Edinburg wollen zum Beispiel das Vorfeld unter dem Flughafendach für „fahrende Blumenbeete“ nutzen. Vor allem aber soll das Empfangsterminal Foyer für die Besucher der IGA sein. Dort aber, Frau Lüscher, sitzt bereits, mit entsprechenden Verträgen ausgestattet, die Modemesse Bread & Butter und will die Hallen und Hangars nicht teilen.
Regula Lüscher | Momentan werden Varianten zur Logistik untersucht. Wie bringt man viele Besucher zu dieser Ausstellung, und wie bewegen sie sich auf dem Feld? Eine Möglichkeit ist, dass man die IGA über das Flughafengebäude betritt. Das wird aber ein Flaschenhals sein. Man könnte den Zugang auch mit Shuttles und den verschiedenen Eingängen in den Park lösen.
Almut Jirku | Der Zugang über das Gebäude wird auf jeden Fall nicht der einzige sein.
RL | Der Wunsch, die Blumenhalle in einem der Hangars unterzubringen, ist verständlich. Das muss man prüfen und mit der Bread & Butter besprechen.
Die zurückliegenden IGAs waren keine aufregenden Gartenausstellungen, wie es sie etwa in Frankreich oder in den Niederlanden gibt. Muss sich eine Berliner IGA nicht etwas anderes zutrauen?
RL | Wir haben lange gerungen, ob wir uns überhaupt für die IGA bewerben sollen, weil uns genau diese Frage beschäftigt hat. Ja, eine IGA in Tempelhof muss etwas anderes sein. Eine IGA die sich in das Leitbild einbindet, ressourceneffizient ist, integrativ. Wir haben die Pioniernutzungen, die den Ort bereits prägen. Das ist vielleicht nicht so stylish, aber es hat Charakter. Und es kommt noch etwas hinzu: Mit Gross.Max. haben wir bereits einen Gestalter, der eine starke IGA-Identität ausstrahlen könnte. Das Tolle an Gross.Max. ist, dass sie in ihren atmosphärischen Bildern und im Kunstbezug diese IGA bereits mitgedacht haben. Auch der Vorschlag mit dem neuen Berg auf der Neuköllner Seite gehört dazu. Das kann man so und so sehen. Manche feinden das an, andere finden das sehr poetisch.
In der Bauwelt kam der Berg gut weg. In der gesamten Parkplanung ist er eher ein Apercu.
RL | Jedenfalls ist mit diesem Berg auch ein Anspruch verbunden. Bei den Blumenhallen in den Hangars sind wir eher zurückhaltend. Eine Halle würde sicher ausreichen.
IBA in Tempelhof, IBA im Bestand
Kommen wir zur Internationalen Bauausstellung, die für 2020 anvisiert ist und zur Entwicklung der Ränder des Tempelhofer Flugfelds. In der Anfangsphase hatten Sie vor­geschlagen, dass die IBA auf dem Tempel­hofer Feld stattfindet. Später hieß es, Neukölln kommt hinzu. Und seit Anfang des Jahres, mit der Vorstellung der Konzepte des Prä-IBA-Teams ist klar, die IBA soll in der ganzen Stadt stattfinden. Uns schien dieser Prozess sehr verzwickt. Soll jetzt, wo sich die Planung für das Flugfeld konkretisiert, die IBA wieder auf das Tempelhofer Feld zurückkehren?
RL | Nein, das ist nicht so. Ausgangspunkt der IBA-Idee war in der Tat Tempelhof. Das entspricht unserer Überzeugung, dass Tempelhof ein spezieller Ort ist. Der Entwicklung dort könnte so etwas wie ein Ausnahmezustand oder ein Qualitätssiegel gut tun. Deshalb habe ich gesagt, Tempelhof würde sich als Ort für eine dritte IBA eignen, auch um anders über Stadtentwicklung und Architektur zu diskutieren. Im Laufe der Vertiefung der IBA-Konzeption war aber schnell klar, das kann man nicht allein auf dem Tempelhofer Feld umsetzen, das hat sehr viel mit den Nachbarn zu tun. Denn wir wussten eines: Eine IBA wird in jedem Fall auch eine IBA im Bestand sein. Der Umgang mit dem Bestand ist das Gegenwarts- und das Zukunftsthema. Und dazu kommt, dass der verfügbare Raum und die Freiräume auch international ein enorm wichtiges Diskussionsthema geworden sind. So kam es zur Konzeption mit der Raumstadt. Andererseits: Der große Freiraum in Berlin ist Tempelhof. Und bald wird auch noch Tegel hinzukommen.
Wenn wir jetzt auf Tempelhof zurückkommen und sagen, das Projekt einer neuen Zentralen Landesbibliothek und dieses Bildungsquartier könnten im Rahmen der IBA behandelt werden, dann hat das eher damit zu tun, dass die IBA zu ihren Projekten geht. Das ist unsere Idee: Die IBA geht mit ihrer Philosophie, mit ihrem Vorschlag der Raumstadt hin zu den Projekten. Dazu gehört dann auch das Flughafengebäude. Das ist ein „Riese“, eines dieser internationalen XXL-Gebäude die man umnutzen muss.
Wird es also auf allen Bebauungsfeldern, die momentan rund um das Flugfeld ausgewiesen werden, mögliche IBA-Projekte geben?
RL | Nein, nicht unbedingt. In Frage kommen diese Standorte, weil es Neubaugebiete sind. Z.B. Neukölln, wenn man dort Wohnungsbau realisiert, ist das ein wunderbares Spielfeld für eine IBA. Aber es entspricht nicht unserer Konzeption, dass die IBA auf dem Tempelhofer Feld und sonst nirgends stattfindet.
Widerstand gegen die Bebauung
Wie stehen Sie zur Randbebauung um das Tempelhofer Feld? Sie haben im April, bei der Eröffnung der Berliner IBA-Konferenz, Ihren Abteilungsleiter zitiert, der von einem möglichen „Clash“ des Bürgerwillens sprach. Viele wollen gar keine Bebauung.
RL | Für die Planung dieser Randbebauung brauchen wir qualifizierte Prozesse. Ob das im Rahmen einer IBA stattfindet, sei dahingestellt. Was zurzeit auf den Plänen zu sehen ist, sind einfach Flächen, reine Chiffren. Man muss es realistisch sehen, denn es geht auch um sehr lange Zeit­perioden. Bis 2020 werden diese Baufelder nicht fertig entwickelt sein, deswegen kann man daraus auch keine alleinige IBA machen. Wir müssen festlegen, mit welchem Feld wir beginnen wollen, unter den Aspekten der Vorinvestition und der späteren Refinanzierung. Dies hängt zudem von den bereitgestellten Haushaltsmitteln ab, und so sind wir mitten in der politischen Diskussion.
Kommen wir zur Frage zurück, ob die Bebauung einen „Clash“ auslösen kann. Sehen Sie eine Gefahr, dass da gar nicht gebaut wird?
RL | Dieses Zitat meines Kollegen hat sich gar nicht auf Tempelhof bezogen, sondern auf unsere gesamte Arbeit. Jede Veränderung hat mit Widerständen zu tun.
AJ | Und nachher merkt man, das war vielleicht doch ganz gut, zum Beispiel die Schließung des Flughafens. Aber dann soll auch nichts mehr geändert werden.
Sehen Sie solche Schwierigkeiten bei der Rand­bebauung auch?
RL | Ja, aber nicht ausgeprägter als anderswo. Diese Auseinandersetzungen hat man immer und überall. Tempelhof ist als Ort ein Mythos. Alles, was man dort verändert, ist schwierig, weil man ganze Mentalitäten mitnehmen muss. Die Schließung selbst war schwierig. Die Öffnung als Park im Mai 2010 war ebenfalls schwierig, aber sie erweist sich jetzt als Erfolg. Jeder Entwicklungsschritt produziert Widerstände und braucht enorm viel Kommunikation. Das ist so.
AJ | Das unterscheidet sich auch je nach Milieu. Am stärksten ist sicher der Widerstand gegen das Columbiaquartier im Norden, weil in Kreuzberg die Ökobewussten nun mal stark sind. Dabei wissen wir eigentlich, man kann das alles so hinkriegen, dass das Stadtklima auch weiter funktioniert.
RL | Auf Neuköllner Seite (siehe auch Seite 48, A.d.R.) hat man es mit Gentrifizierungsangst
zu tun. Am wenigsten mit Ängsten und Widerständen verbunden ist die Entwicklung auf der westlichen Seite, am Tempelhofer Damm.
Neuer Großstadtpark
Warum heißt der neue Park jetzt Tempelhofer Freiheit?
RL | Weil man nach einem Namen gesucht hat, der den Spirit, den dieser Ort auslöst, vermittelt.
In dem Konzept von 1998 hieß es, Tempelhof soll der Großstadtpark des 21. Jahrhunderts werden. Wie würden Sie den Park, der jetzt entsteht, beschreiben?
RL | Ich finde, Gross.Max. ist es gelungen, genau dieses Versprechen, Park des 21. Jahrhunderts zu sein, einzulösen. Es ist ein Park, der eine starke Prägung hat; ein Park, der die Monumentalität, die diesen Ort prägt, verarbeitet. Es ist ein Park, der es wagt, große Themen gestalterisch aufzugreifen und der gleichzeitig in der Lage ist, ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Orte, Aufenthalts- und Betätigungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Es ist auch ein Park, der mit der Tatsache umgeht, dass wir relativ bescheidene Mittel haben und also akzeptieren müssen, dass wir nicht mehr diese großen gestalterischen Dinge tun können. Ein Park mit Identität und eigener Gestaltungskraft, dem es
gelingt, Pionierfelder und deren Vielfalt zu integrieren.
Im Moment funktioniert das Feld einfach so. Was wird anders sein, wenn der Park fertig ist?
RL | Der große Gewinn wird sein, dass es nicht mehr das Flugfeld sein wird, das sich ständig zum Flughafengebäude orientiert. Sondern es wird ein Park, an dessen Rand ein ehemaliges Flughafengebäude steht. Das ist der große Unterschied. Tempelhof braucht diese Transformation. Das Flugfeld gehört der Vergangenheit an, die Stadt braucht einen Park. Das ist Gross.Max. unglaublich gut gelungen.

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