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Design-Wunderkammer

Thomas Heatherwick im Londoner Victoria and Albert Museum

Text: Brensing, Christian, Berlin

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Foto: © Steve Speller

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Design-Wunderkammer

Thomas Heatherwick im Londoner Victoria and Albert Museum

Text: Brensing, Christian, Berlin

Die Welt des britischen Designers und selbsternannten Architekten Thomas Heatherwick – er studierte 3-D Design in Manchester und am Royal College of Art in London – liegt irgendwo zwischen Leonardo da Vinci und William Heath Robinson, dem humorvollen Londoner Karikaturisten und Illustrator, der für seine ausgeklügelten Nonsens-Maschinen bekannt wurde.
1994, gleich nach seiner Zeit am Royal College of Art, gründete Heatherwick sein eigenes Studio. Seitdem erregt er mit seinen Projekten regelmäßig Aufmerksamkeit. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen die Fußgängerbrücke Rolling Bridge in Paddington Basin, London (2004), der Longchamp Fashion Store in New York (2006), das East Beach Café in Littlehampton (2007), der britische Pavillon auf der Expo in Shanghai (Bauwelt 23.2010) und die neueste Version des Routemaster, des beliebten Londoner Doppeldeckerbusses mit der Plattform zum Aufspringen (2010–12).
Jetzt hat es den 42-Jährigen in den Olymp des etablierten britischen Designs katapultiert. Das altehrwürdige Victoria & Albert Museum (V&A) feiert Thomas Heatherwick mit einer ersten Solo-Ausstellung. Schon von weitem kann der Besucher erkennen, dass Ungewöhnliches Einzug ins V&A gehalten hat: Ein Vordach aus verkehrt herum aufgehängten grau-weißen Verkehrspylonen kündet über der Treppe des Haupteingangs von Überraschungen im Inneren. In einer Galerie vis-à-vis der Renaissance-Abteilung des Kunst- und Designmuseums gibt Heatherwick – sein Studio hat die Ausstellung selbst konzipiert – anhand von über 150 Exponaten Einblick in sein Schaffen, das scheinbar mühelos Disziplinen wie Architektur, Ingenieurkunst, Transportwesen, Stadtplanung, Möbelentwurf, Bildhauerei und Produktdesign vereint. Dementsprechend vielfältig sieht die Wunderkammer im V&A aus: Die Ausstellungsstücke sind teilweise gestapelt, teilweise frei stehend, andere hat man an die Wände gelehnt oder auch gehängt. Kurzum, ein Sammelsurium – weniger präsentiert als eingeräumt.
Bei aller Überfülle kratzt die Ausstellung aber nur an der Oberfläche der Objekte und Projekte. Kurze Texte, einige Zusatzexponate, Audio- oder Videodokumentationen geben ein wenig Aufschluss. Doch es ist die Masse und Vielfalt der Dinge, die hier wirken soll, weniger die Darstellung eines kreativen Prozesses oder gar dessen konstruktive und handwerkliche Umsetzung.
Stille Wünsche und Sehnsüchte
Thomas Heatherwick scheint keine Aufgabe zu uninteressant zu sein, als dass er daraus nicht ein Projekt für sich generieren könnte – sei es ein 1,80 Me­ter langer Holzbalken mit Scharnieren, der sich zu einem Tischchen oder Hocker falten lässt („Plank“ für Benchmark Furniture), sei es eine Tragetasche, deren Volumen sich mittels eines umlaufenden Reißverschlusses verdoppeln lässt („Zip Bag“ für Longchamp). Nicht selten schwanken seine Ideen zwischen technischer Akribie und skurrilen Irrläufern. Immer aber sind sie ein Spiel mit ein wenig kindlich anmutender Freude an Bewegungen, Abläufen und Riten, die er neu zu interpretieren sucht.
Die Neuschöpfung des betagten Routemaster-Busses ist so eine Abwandlung des Gewohnten, die den Adressaten nicht mit kalter Funktionalität oder zu großer Modernität verschreckt. Mit anderen Worten: Heatherwick nimmt sich der stillen Wünsche und Sehnsüchte der Menschen an und verwandelt sie, ohne sie über Gebühr zu verzerren. Die Ansammlung von Entwürfen für die Weihnachtskarten des Studios ist dafür ein gutes Beispiel. Die Transformation, die hier erfolgt, etwa indem die Briefmarkenzacken völlig manieriert verlängert werden, wertet eine meist ja sentimental-kitschige Grußformel zu einer skurrilen Gestaltungsfingerübung auf. Heatherwicks Wunderland steht dem seiner viktorianischen Vorfahren wenig nach. Die nächste große Überraschung aus dem Studio Heatherwick soll die Schale sein, in der ab 27. Juli das Londoner Olympische Feuer brennt. Noch ist es ein nationales Geheimnis, wie diese Schale aussieht und wer es sein wird, der das Feuer entfacht.
Fakten
Architekten Heatherwick, Thomas, London
aus Bauwelt 26.2012
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