Bauwelt

Die Möglichmacher

Bollinger + Grohmann im Deutschen Architekturmuseum

Text: Brensing, Christian, Berlin

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Cinema Complex in Busan von Coop Himmelb(l)au
Duccio Malagamba

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Die Möglichmacher

Bollinger + Grohmann im Deutschen Architekturmuseum

Text: Brensing, Christian, Berlin

Hinter einem guten Architekten stehen (fast) immer auch gute Ingenieure. Im Grunde ist das eine Binsenweisheit, aber trotzdem bedarf es einer besonderen, leider nicht oft anzutreffenden Neugierde, diesem für das Bauen so essentiellen Verhältnis von Architekt und Ingenieur nachzuspüren – und es auch noch im Deutschen Architekturmuseum zu präsentieren.
DAM-Direktor Peter Cachola Schmal wies zur Eröffnung der Ausstellung von Bollinger + Grohmann auf diese Herausforderung hin. Und so lässt die Schau mit dem Untertitel „Hinter den Kulissen“ nicht nur hinter die Kulissen des Frankfurter Ingenieurbüros blicken, sondern auch – man nimmt es mit einem Schmunzeln zur Kenntnis – tief hinter jene des Architekturbetriebs. Exemplarisch beleuchtet die Ausstellung die Kräfte, die Architektur formen. So stehen nicht fertige Projekt im Rampenlicht, sondern Ideen und Prozesse, die letztendlich zum Bauwerk führen.
Vor dreißig Jahren haben Klaus Bollinger und Manfred Grohmann ihr Ingenieurbüro für Tragwerksplanung in Frankfurt am Main gegründet. Seither suchen sie den Austausch mit Architekten, die Ungewöhnliches vorhaben: Die rote Info-Box am Potsdamer Platz in Berlin (Schneider+Schumacher), die Nordkettenbahn in Innsbruck (Zaha Hadid), das Kunsthaus Graz (Peter Cook), das Rolex Learning Center in Lausanne, (SANAA) oder die Europäische Zentralbank in Frankfurt (Coop Himmelb(l)au) sind längst auch Synonyme für die Kunst von Bollinger + Grohmann geworden, Lösungen zu finden, mit denen selbst die abgehobenste Architektenidee baubar wird. Wie gelingt es der Ausstellung, diese Vielfalt und die damit verbundenen, zum Teil konträren Entwurfsphilosophien zu verbinden?
Die Kuratoren, Oliver Elser und Anke Wünschmann, inszenieren den Auftritt der Tragwerksplaner im ersten Obergeschoss des Museums vor und hinter einem raumteilenden Band aus gelben Schalungstafeln. Die übliche Kulisse einer Baustelle wird zu der einer Schaustelle; statt Armierung und Beton nimmt die Schalung, wenn man so will, Ideen und Pläne von Bollinger + Grohmann auf, verleiht ihnen Form und Halt. Um nicht die Übersicht zu verlieren, hat man sich in diesem Teil der Ausstellung auf drei Hauptprojekte konzentriert, deren Entstehung und Entwicklung der Besucher parallel entlang dreier „roter Fäden“ – die hier allerdings schwarz sind – von den ersten Skizzen bis auf die Baustelle verfolgen kann. Unschwer ist zu erkennen, dass die Entwürfe der Architekten jeweils vollkommen unterschiedliche Herausforderungen für die Ingenieure bereithielten: Wolf D. Prix mit seiner in der Mitte geteilten, verdrehten Stahl-Glas-Skulptur für das Hochhaus der Europäischen Zentralbank; SANAA mit der superdünnen Betonschale des Rolex Learning Center; Talik Chalabi mit seiner aufgerollten Betonschlange des Sheik Zayed Desert Learning Center in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Didaktisch funktioniert dieser Teil der Ausstellung im Wortsinne wie am Schnürchen, allerdings nicht unbedingt linear: Planungs- und Bauabläufe sind eben keinesfalls immer stringent.
An einigen Stellen erweitert sich das Band aus Schalungstafeln zu sogenannten Themenräumen, wo die Kuratoren anhand weiterer Projekte der Ingenieure Planungsansätze und -prinzipien vertiefen: „Skelette“ zum Beispiel, „Entwicklungen“ oder „Fassade/Nachhaltigkeit/Bauen mit dem Bestand“. Dort findet der Besucher u.a. so anschaulich Großformatiges vor wie ein Original-Mauerstück der Frankfurter Großmarkthalle, nach ihrer Sanierung Teil der Europäischen Zentralbank, oder einen hölzernen Knotenpunkt im Maßstab 1:1 des Hèrmes Rive Gauche Flagshipstore in Paris. Auch an den Spaß am Interaktiven haben die Ausstellungsmacher gedacht: Sie verleiten die Besucher dazu, am Computer z.B. die parametrischen Bedingungen des Dachtragwerks der Baltic Arena in Danzig zu modifizieren.
Am Ende der Ausstellung wird vermutlich selbst der eine oder andere Architekt sein Bild von der Arbeit des Tragwerksplaners aktualisieren müssen. Bei Bollinger + Grohmann jedenfalls reicht das Spek­trum von komplexen Berechnungen über Raumvisionen bis hin zu poetischen Interpretationen von Konstruktion und Architektur. Ein offensichtlich spannendes Spiel, vor wie hinter den Kulissen.

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