„Die besten Lehrer haben ihren Schülern beigebracht, wie man Fragen stellt“
Hani Rashid im Gespräch
Text: Meyer, Friederike, Berlin
„Die besten Lehrer haben ihren Schülern beigebracht, wie man Fragen stellt“
Hani Rashid im Gespräch
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Im Oktober übernahm Hani Rashid, der Mitbegründer des New Yorker Büros Asymptote, die Nachfolge von Wolf D. Prix an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Neben Zaha Hadid und Greg Lynn leitet er nun eines der drei Entwurfsstudios am Institut Architektur. Vier neue Studenten wurden in diesem Semester bei ihm aufgenommen. Wir sprachen mit Hani Rashid über das, was er ihnen beibringen will und welche Fähigkeiten sie mitbringen müssen.
Herr Rashid, Sie haben bereits an vielen Universitäten in der ganzen Welt gelehrt. Warum sind Sie dem Ruf an die Angewandte in Wien gefolgt?
Ich war schon immer von der Angewandten fasziniert. Es gibt hier nur drei Lehrstühle für Architektur. Das ist viel intimer als anderswo. Und ich kann mit meinen Studenten Ideen über drei Jahre hinweg entwickeln. An Harvard, an der Columbia oder in Princeton zum Beispiel wechseln die Studenten jedes Se-
mester den Professor.
Das hört sich nach dem Meisterschülerprinzip an, das wir von den Kunsthochschulen her kennen.
mester den Professor.
Das hört sich nach dem Meisterschülerprinzip an, das wir von den Kunsthochschulen her kennen.
Genau. Ich habe auch auf diese Weise studiert, an der Cranbrook Academy of Art in den USA. Nun habe ich eine Hochschule gefunden, an der ich nach diesem Konzept lehren kann. Und ich bin froh, dass dies mit zwei anderen provokativen Denkern geschieht. Ich hoffe, dass meine Anwesenheit auch etwas mehr Spannung für die Studios von Zaha Hadid und Greg Lynn erzeugen kann. Das ist das, was Wolf D. Prix wollte, als er mich fragte, ob ich bereit wäre, nach Wien zu kommen.
Wer die Bauten und Ideen von Zaha Hadid und Greg Lynn betrachtet, entdeckt viele, sagen wir formale Ähnlichkeiten, auch zu Ihrer Architektur. Unterscheiden sich Ihre Lehrinhalte?
Ich weiß, auf die Außenwelt wirkt es, als wären unsere architektonischen Ansätze ähnlich. Aber innerhalb unseres Wirkungsbereichs sind wir radikal verschieden. Zaha ist an parametrischen Problemen interessiert, Greg arbeitet an Werkstofftechnologien. Ich lehre nicht, wie man ein Gebäude parametrisch kontrolliert oder eine skulpturale Form generiert. Ich habe noch nie eine bestimmte Designmethode gelehrt. Wenn wir Parametrik und mathematische Theorien verwenden, dann dazu, den städtischen Raum zu gestalten.
Sehen Sie sich eher als Städtebauer?
Städtebau ist ein Begriff der alten Schule. Mir geht es um die Zukunft von Städten. Im Studio Rashid sehen wir die Stadt als Ort, an dem wir über neue Systeme der Fortbewegung, unsere Umwelt, Kultur und Wirtschaft nachdenken. Wir greifen alle Diskurse auf, die in einer Stadt herumschweben, was allein schon ein großes Projekt ist. Dann untersuchen wir diese aus Sicht der Architekten, nicht aus der der Stadtplaner, Politiker oder Wirtschaftler. Wir wollen uns fragen, wie wir die Probleme angehen können und in welchen Bereich wir eigentlich gehören. Es ist Zeit, über größere Maßstäbe nachzudenken.
Welchen Stellenwert nimmt dabei der Entwurf ein?
Vor 20 Jahren lehrte ich an der Columbia University digitale Architektur. Greg Lynn hatte den anderen Lehrstuhl inne. Ich erklärte den Studenten, dass sie gerade lernen, wie alle in 20 Jahren arbeiten werden. Viele Kollegen hielten mich damals für verrückt, die Studenten glaubten mir. Jetzt sage ich: Das Thema Stadt wird uns in spätestens 20 Jahren alle beschäftigen, ob in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Europa. Es wird Probleme geben, das Wachstum von Städten zu steuern. Meine Studenten sollen nicht in einem Büro als Entwerfer, Techniker oder Buchhalter anfangen, sondern als Denker, die fähig sind, große Probleme zu lösen. Parametrisches Entwerfen ist da nur ein Teil des Puzzels.
Wolf D. Prix hat mal gesagt, Architektur könne man nicht lehren, man könne nur versuchen, Talente zu fördern. Nach welchen Talenten suchen Sie?
Ich glaube, dass man Stil oder Form nicht lehren kann, man kann aber lernen lehren. Die besten Lehrer, egal in welcher Disziplin, haben ihren Schülern beigebracht, wie man Fragen stellt. Ich suche Studenten mit Neugier, Wissenshunger, Weltoffenheit, Optimismus und dem festen Glauben, dass sie, bezogen auf ihre Arbeit, etwas verändern können.
Die Aufgabenstellungen der Aufnahmeprüfung sind für alle drei Studios gleich und werden gemeinsam erarbeitet. Wie könnten Sie sich eine Aufgabe vorstellen?
Ich mag die Fragebögen von Google, in denen sehr schwere mathematische Fragen gestellt werden, um zu sehen, ob die Bewerber logisch denken. Eine mögliche Aufgabe wäre, mit dem iPhone im Straßenraum etwas Abstraktes zu filmen. Ich übe mit meinem Sohn seit Jahren. Früher gab ich ihm ein Handy und sagte: „Suche mir einen roten Gegenstand“, und als er älter war, sagte ich: „Suche mir ein Dodekaeder.“ Er ist jetzt 13. Je älter er wird, desto schwie- riger werden die Aufgaben, bis er schlauer ist als ich. Dann wird er mich herausfordern und losschicken.
Ich sah gerade, dass Ihr Studio frisch gestrichen wird. Wie wichtig sind Ihnen die Räumlichkeiten, in denen Sie lehren?
Sehr, sehr wichtig. Architekten müssen, vielleicht im Gegensatz zu anderen Disziplinen, an einem interessanten Ort sein, um zu denken. Der Ort, der Raum, das Licht – alles beeinflusst die Arbeit als Architekt.
Derzeit läuft die Ausschreibung für einen Wettbewerb um die Erweiterung des Universitätsgebäudes der Angewandten. Nehmen Sie daran teil?
Ja, ich werde mich bewerben, und ich werde eine hochmoderne Mitte-des-21.-Jahrhunderts-Kunstschule entwerfen. Ich habe im Hotelzimmer zu zeichnen
begonnen, aber ich verrate noch nichts.
begonnen, aber ich verrate noch nichts.
Aus dem Englischen von Franziska Weinz
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