Bauwelt

„Es geht immer um den Mehrwert für den öffentlichen Raum“

Jórunn Ragnarsdóttir im Gespräch mit Friederike Meyer

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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    Die Juryvorsitzende Jórunn Ragnarsdóttir erklärt der Presse den siegreichen Wettbewerbsentwurf für die Bildungslandschaft Altstadt Nord in Köln
    Foto: Kölner Stadtanzeiger/Bause
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    Die Juryvorsitzende Jórunn Ragnarsdóttir erklärt der Presse den siegreichen Wettbewerbsentwurf für die Bildungslandschaft Altstadt Nord in Köln
    Foto: Kölner Stadtanzeiger/Bause

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„Es geht immer um den Mehrwert für den öffentlichen Raum“

Jórunn Ragnarsdóttir im Gespräch mit Friederike Meyer

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Frau Ragnarsdóttir, was macht eine gute Jury aus?
Gute Jurymitglieder, die fundiert diskutieren können. Jede Jurysitzung ist ein Prozess. Man begibt sich gemeinsam auf den Weg der zunehmenden Erkenntnisse, die im Laufe des Tages ein konkretes Bild annehmen. Die Bereitschaft zur Abwägung aller Faktoren ist eine Voraussetzung für ein gutes Ergebnis.
Was macht gute Preisrichter aus?
Gute Preisrichter müssen eine schnelle Auffassungsgabe und fundierte Kenntnisse über Architekturgeschichte und Architekturtheorie haben. Sie müssen Funktionsabläufe, Konzepte und sonstige Eckdaten rasch und präzise erklären können und unabhängig von ihrer architektonischen Haltung und ihren Vorlieben argumentieren. Gute Preisrichter kennen die Auslobung auswendig und haben bereits vor der Sitzung alle Möglichkeiten des Grundstücks untersucht. Dabei ist die Preisrichtervorbesprechung eine wichtige Vorbereitung. In ihr wird die Auslobung endgültig formuliert. Die Preisrichter sind sozusagen ein Stück weit für die Auslobung verantwortlich und das ist gut so. Eine sorgfältige Auslobung ist die Grundlage für ein gutes Ergebnis.
Woran erkennt man gute Wettbewerbler?
Das weiß ich nicht. Die Anonymität ist ein elementarer Bestandteil eines Wettbewerbs. Aber in der Regel sind gute Arbeiten leicht zu erkennen: Man kann den Inhalt der Pläne auf einen Blick erfassen.
Was läuft gut im Wettbewerbswesen?
Es ist schon mal gut, dass in Deutschland Wettbewerbe ausgelobt werden. Anonymität, sorgfältige Vorbereitung und qualifizierte Fachpreisrichter sind die Ecksteine für gute Lösungen.
Was hat sich über die Jahre hin positiv oder negativ verändert?
Es werden zu viele Leistungen verlangt. Es geht doch in erster Linie um ein robustes städtebauliches und architektonisches Konzept. Die Visualisierungen erschweren die Suche nach guten Lösungen. Die scheinbar fertigen Bilder, ich nenne sie gerne Blendwerk, sind Momentaufnahmen von etwas, das es so nicht gibt. Immer öfter werden Kostenschätzungen und konkrete Energiekonzepte gefordert. Doch gute Architektur zeigt sich nicht anhand von Zahlen und Tabellen. Ein guter Preisrichter erkennt sofort, ob eine Arbeit wirtschaftlich ist oder nicht. Laien hingegen orientieren sich gerne an Zahlen und Tabellen, weil sie Halt suchen und wenig in den Plänen erkennen können.
Was wünschen Sie sich von den Teilnehmern?
Schöne und gute architektonische Konzepte, die den öffentlichen Raum ernst nehmen. Es geht immer um den Mehrwert für den öffentlichen Raum.
Was wünschen Sie sich von den Auslobern?
Mehr Freiheit, keine zwingenden Vorgaben, kleinere Gremien.
Was muss sich ändern?
Nutzer sollten bei der Vorbereitung der Auslobung mitwirken und nicht im Preisgericht sitzen. Funktionäre aller Art sollten auf ihren Sitz im Preisgericht verzichten. Die Politik muss mehr Vertrauen in die Architekten haben. Das nachgeschaltete VOF-Verfahren gehört abgeschafft. Hierbei geht es meistens um das billigste Angebot. Doch ein niedriges Honorar bedeutet immer auch schlechtere Arbeit in kürzerer Zeit. Die Juristen sollten endlich einen kreativen Vorschlag machen, wie man diese unsägliche EU-Vergabevorschrift umgeht. Ich fände es gut, wenn alle Wettbewerbe zweistufig offen wären. In der ersten Stufe gibt jeder ein Blatt mit einem architektonischen Konzept ab. In der zweiten Stufe wird die Aufgabe konkretisiert. Ein Wettbewerb ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Es geht immer um die Qualität von Architektur und Städtebau.
Die Fragen stellte Friederike Meyer am 9. Juni per E-Mail
Jorunn Ragnarsdóttir 1957 geboren in Akureyri, 1976–1982 Architekturstudium, Universität Stuttgart 1982 Diplom, seit 1985 Inhaberin Büro Lederer Ragnarsdóttir, seit 1992 Lederer Ragnarsdóttir Oei, 2010–12 Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf, Mitglied des Gestaltungsbeirates in Lübeck und in Freiburg, Mitglied der Kommission für Stadtgestaltung in München, Mitglied des Landesdenkmalrates in Berlin
Fachpreisrichterin u.a. Deutscher Architekturpreis 2015, Gründungsviertel Lübeck, DAM Preis für Architektur in Deutschland 2014, Neubau Sudetendeutsches Museum Rosenheim, Neubau von Kanzlei und Residenz der Deutschen Botschaft Kairo, Ehemalige Bayernkaserne München, Neubau der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Neubau der Opernwerkstätten und Fundi der Hamburgischen Staatsoper Hamburg, Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin, Brüder-Grimm-Museum Kassel, Neubau Campus der Hochschule für Musik und Tanz in Köln

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