Bauwelt

Erdarbeiten

Ins Münchner Haus der Kunst ist Land Art eingezogen

Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm

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    Keith Arnatt: "Liverpool Beach Burial" (1968)
    Silbergelatinedruck, 26 x 18 cm, Courtesy of the Keith Arnatt Estate and Maureen Paley, London

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    Keith Arnatt: "Liverpool Beach Burial" (1968)

    Silbergelatinedruck, 26 x 18 cm, Courtesy of the Keith Arnatt Estate and Maureen Paley, London

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Alice Aycock, Clay #2, 1971/2012
Foto: Dagmar Meister-Klaiber

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Alice Aycock, Clay #2, 1971/2012

Foto: Dagmar Meister-Klaiber


Erdarbeiten

Ins Münchner Haus der Kunst ist Land Art eingezogen

Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm

Ein Erdhügel neben dem Eingang, mit spärlichem Grün durchsetzt, darüber ein Schild das Auskunft gibt, was sich hier tut: „Grass Grows“. Die Arbeit von Hans Haacke ist noch im Entstehen – und das einzige Werk der Ausstellung im Außenraum, dem angestammten Ort der Kunstgattung, um die es geht.
Land Art im Museum ist im Grunde ein Paradox. Nach klassischem Verständnis ist Land Art ein Eingriff in und an der Natur, der sich meist an Schauplätzen weitab üblicher Kunsträume, in den Wüsten dieser Welt, in die Landschaft eingraviert. Bagger, Erdbohrer oder Sprengstoff sind die Künstlerwerkzeuge, um großmaßstäblich Erde abzutragen, auf­zuschüt­ten oder Fels zu spalten; Handarbeit und Fußab­drücke die Hilfsmittel für Minimaleingriffe, um Trampelpfade, Bezugslinien oder Grundrisse in die Erde einzuschreiben. Nicht all diese Zeichen sind wie ein Tattoo für immer eingebrannt. Manche Eingriffe ha­-­ben die Künstler als Teil der Aktion gleich wieder beseitigt, bei anderen half die Natur nach. Zurück bleiben Spuren und Bruchstücke und mehr oder weniger fragmentarische Dokumentationen der Per­formances.
Weder die Originalaktion noch der atmosphä­rische Kern der Arbeiten lassen sich ins Museum transportieren. Dort können eigentlich nur die Fotos, Filme und Entwurfsskizzen der Spektakel präsen­tiert werden – was begrenzt attraktiv ist. Nicht zuletzt deshalb dürften sich Philipp Kaiser und Miwon Kwon, die diese vom Los Angeles Museum of Contemporary Art übernommene Schau kuratierten, für eine Weitung des Terminus Land Art entschieden haben. Die Neujustierung der Gattungsgrenzen unter dem Ausstellungstitel „End of the Earth. Land Art bis 1974“ gab ihnen die Möglichkeit, ein größeres Feld zu beackern; die nach der herkömmlichen Begriffsdefinition überschaubaren Land-Art-Beispiele ließen sich anreichern mit einer überbordenden Fülle künstlerischer Statements zum Thema Erde, die in den 50ern und 60ern in verschiedenen Kunstgattungen und Erdteilen zeitgleich virulent waren. Die Kuratoren haben Strömungen im Kontext von Land Art – Konzeptkunst, Minimal Art, Fluxus, Happening, Zero und Arte Povera – auf die Beschäftigung mit Erde im wörtlichen wie politischen Sinne abgeklopft und ihre Postulate unter dem Begriff „Earthworks“ subsumiert. Dabei kommt Überraschendes zutage.
Lange bevor der Amerikaner Michael Heizer 1969 zwei gigantische Einschnitte in die Wüste von Nevada sprengte, machte der Franzose Yves Klein, den man nicht ohne weiteres bei der Land Art verorten würde, den radikalen Vorschlag, die Oberfläche der Erde abzurasieren und die Täler mit Beton zu füllen. Und bereits 1955, lange vor Robert Smithsons aufgeschütteter Spirale im Großen Salzsee von Utah, betrachtete der Bildhauer und Bauhauslehrer Herbert Bayer die Landschaft selbst als zu gestaltendes Material und häufelte in den Bergen von Colorado seinen „Earth Mound“, einen Erdhügel, auf. Die Vorläufer der Land Art sind die eigentliche Entdeckung dieser Schau. Das geschickte Ausstellungskonzept, das die spröden Projektdokumentationen mit typischen Objekten von Yves Klein, Günter Uecker, Heinz Mack oder Franz Erhard Walther begleitet, macht erst auf die Arbeiten der Vertreter paralleler Bewegungen aufmerksam, die man so noch nicht kannte.
Wüstenboden im Haus der Kunst
Eine weitere Überraschung: Die üblichen Land-Art-Matadore sind nicht vertreten; nachdem der radikale Charakter ihrer Großraumprojekte im Museum ohnehin nicht vermittelbar ist, sind stattdessen Künstler zu sehen, die erdbezogene Arbeiten im museumskompatiblen Format geschaffen haben. Wie Haackes Grashügel vor dem Haus wurden einige „Earthworks“ aus den 60er Jahren im Ausstellungsraum rekon­struiert. So der mit Schmierfett und Industriemüll vermischte Erdhaufen „Dirt“ von Robert Morris, der die Urbanisierungsprozesse dieser Zeit thematisiert; oder Joshua Neusteins „Road Piece“, das mit Dachpappe, Heuballen und alles überlagerndem Verkehrslärm auf das Stadtwachstum auf Kosten der Natur hinweist. Herausragend: Alice Aycock, die mit „Clay#2“ kalifornischen Wüstenboden ins Mu­se­um holt, dafür einen gerasterten Holzrahmen mit Lehm füllt, der im Lauf der Zeit trocknet und Risse bekommt, bis er dem Wüstenboden des Death Valley ähnelt. Echte Grundrisse.
Auch wenn diese Schau kunsthistorische Kategorien einfach überspielt, die Differenzierung zwischen Land Art, autonomer Skulptur im Außenraum, Innenraum-Installation aus Naturmaterial und Landschaftsarchitektur aufhebt – mit ihrem Fokus auf eher unbekannte Werke ist sie eine verdienstvolle Kompi­lation wunderbarer Arbeiten. 

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