Es gilt das gesprochene Wort
Die Preisträger des „Landluft Baukulturgemeinde-Preises“ in Dornbirn
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Es gilt das gesprochene Wort
Die Preisträger des „Landluft Baukulturgemeinde-Preises“ in Dornbirn
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Dass die ursprüngliche Form des Weltbezugs den medialen Surrogaten bei solch einem Thema vorzuziehen ist, drängt sich an diesem Abend auf: In freier Rede eröffnet die Bürgermeisterin von Ottensheim die Ausstellung „Landluft – Baukultur machen Menschen“, dann diskutieren drei Bürgermeister des Landes. Allen gemeinsam: Ihre Gemeinden wurden als Baukulturgemeinde ausgezeichnet.
Das ist die Idee des österreichischen „Landluft Baukulturgemeinde-Preises“: nicht Architekturobjekte, sondern Gemeinschaften auszuzeichnen, die mit Baukultur Impulse für ihre Gemeinde gesetzt haben. Die Initiative ging vom Bregenzer Architekten Roland Gnaiger aus und reicht über zehn Jahre zurück. Vor drei Jahren wurde erstmals ein Baukulturgemeinde-Preis ausgelobt, die Ausstellung der acht Preisträger an 29 Orten gezeigt, mehrfach im Ausland, der Katalog in einer Auflage von knapp 5000 Stück verbreitet. Nun die zweite Runde, wieder acht Preisträger, erneut 140 Seiten Katalog. Erste Station der Ausstellung ist das Vorarlberger Architektur Institut (vai) in Dornbirn. Nimmt man die Impulse, die von dem Preis ausgingen, die Besuche, Gespräche und Exkursionen hinzu, so lässt sich schon jetzt sagen: Es ist eine Erfolgsgeschichte.
Wir wollen Dorf bleiben!
In den Worten von Ulrike Böker, Bürgermeisterin von Ottensheim in Oberösterreich, hört sich das so an: Neue Gesichter im Gemeinderat, aktive Bürgerbeteiligung; Baukultur als Anliegen von Bürgerschaft, Gemeinderat und Bürgermeisterin; Entwicklungs-, Verkehrs- und Energiekonzepte für den Ort; Restriktion beim Einfamilienhausbau, stattdessen verdichtetes Bauen für Wohngemeinschaften und Nutzung von Bausubstanz im Ortskern, befördert durch improvisierte Formen wie temporäre Nutzung; Zuzug neuer Nutzer (darunter vier Architekturbüros); informelle Ansätze wie „shared space“ (Einsparung u.a. von 100 Verkehrsschildern), Tauschläden, Fahrradservice, Gründung eines eigenen Labels für landwirtschaftliche Erzeugnisse des Orts und Pflege der umliegenden Landschaft. Darüber hinaus klassische Sanierung der oft barocken Bauten, ein neu gestalteter Marktplatz (Arch. Boris Podrecca), Neubau des Gemeindeamts, dessen Saal sich zur Straße öffnen lässt (SUE Architekten), Schulerweiterung (Arch. Adalbert Böker). Der mittlerweile regelmäßig stark belebte Marktplatz bestätigt das Credo von Ulrike Böker: „Das Bestehende nutzen und von da aus Neues schaffen.“
So viel! Kein Problem, versichern anschließend die Bürgermeister der anderen Preisträger – wenn man den langen Atem mitbringt. Die Bewohner der Orte seien sehr wohl an ihrer Gemeinde interessiert. „Wir wollen Dorf bleiben: Das sagen wir hier wohlüberlegt, in der Nähe der großen Stadt. Wir wollen hier leben, wohnen, sterben – das sagen mir die Leute“, so Bürgermeister Elmar Rhomberg aus Lauterach (Vorarlberg). Eine Klarheit, die man in manchem Katalogtext der akademischen Landverbesserer vermisst.
Was ist „Landluft“ für die Architekten? „Landluft ist gegenwärtig, hier und jetzt, Beziehungen, Luft zum Atmen, Boden unter den Füßen, Zugriff, Dinge sehen, die man machen möchte und machen kann. Der Austausch der Gemeinden untereinander ist von besonderem Wert – so wird deutlich, was gemeinsam ist und was spezifisch, und dass Rezepte nicht taugen. Die vielen Menschen, allesamt Individuen, erhalten eine Bühne“, so der Wiener Ernst Beneder. Und Bernardo Bader ergänzt: „Es zeigt sich, dass nicht die Städte mutige Sachen machen, sondern die da draußen, auf dem Land. Landluft – frische Luft ist das.“ Dem schließt sich Marina Hämmerle, Leiterin des vai, an: „Landluft entsteht, wenn ich vor der ländlichen Region den Hut ziehe.“
0 Kommentare