Existierende Wohnquartiere | Public Space umarbeiten
Strategien Collective Spaces
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Existierende Wohnquartiere | Public Space umarbeiten
Strategien Collective Spaces
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Parkplatz wird Wohnungsbau plus Spielplatz von BCQ Arquitecture, Nachbarschaft auf Industriebrache von ASTOC + Molestina +Lorbeer+Paul und einen Neubau statt Nachkriegszeilen von Stefan Forster
Parkplatz wird Wohnbau plus Spielplatz. Barcelona | 2010–12
„Unsere Aufträge erhalten wir üblicherweise über Wettbewerbe. Bei diesem viergeschossigen sozialen Wohnbau im Stadtteil Badalona war es anders. Als wir den Bauplatz besichtigten wussten wir schon, dass wir das Haus mit seinen 12 Wohnungen auch bauen konnten. Der Standort war eine Brache auf einem dreieckigen Grundstück, auf dem sich informelles Parken breitgemacht hatte. Die Autos sahen aus, als würden sie dort seit Jahren stehen. Es gab eine Bar mit einem andalusischen Club, geschmückt mit Flaggen; daneben zwei weitere Bars, hier mit Wimpeln aus der Extremadura und aus Murcia. Die Häuser rund um den Platz stammen aus der ersten Migrationswelle der 60er Jahre, gebaut von Leuten, die damals aus Andalusien und Murcia nach Barcelona kamen. Die Hausfassaden sind bunt, zusammengesetzt aus einfachen Materialien. Städtebaulich fehlt es an Hierarchie. In Gesprächen mit den Bewohnern wurde schnell klar, dass der neue Wohnbau willkommen sein würde – vor allem aber sollte der Platz endlich aufgeräumt werden. Das war zu verstehen, die Bewohner hatten recht. Wir schlugen unserem Bauherrn vor, das Wohnhaus und den öffentlichen Spielplatz als Ensemble zu entwerfen. Das wurde akzeptiert. Bei den Gesprächen zwischen Nachbarschaftskomitee und Stadtverwaltung waren wir nicht dabei, aber auch dort ging der Plan durch. Proteste hatten wir erwartet, als wir vorschlugen, sowohl Haus als auch Platz in kräftigem Rot auszuführen, doch: allgemeine Zustimmung. Stattdessen wurde kritisiert, dass die Eingangstür zu massiv und die Fensterläden zu verschlossen wirkten – kulturelle Differenzen in der Nachbarschaft. Die wichtigste Entscheidung für die Aktivierung des Platzes betrifft jetzt die Frage, was künftig im Erdgeschoss passieren wird. Zurzeit ist noch alles verrammelt. Wir wünschen uns eine Bar oder einen Laden, irgendwas mit öffentlicher Funktion. Aber diese Entscheidung hängt, wie einige andere wichtige Dingen auch, leider nicht von uns ab.“
Nachbarschaft auf Industriebrache Köln-Ehrenfeld | 2011–15
Ehrenfeld im Westen des Kölner Zentrums ist ein heterogener, aber auch lebendiger Stadtteil. Geprägt vom Wachstum der Stadt im Industriezeitalter, bilden gründerzeitliche Wohnhäuser, Baulücken, Industriebrachen und die Zeugnisse des Sozialen Wohnungsbaus der Nachkriegsjahrzehnte ein bunt gemischtes Stadtbild, das von Menschen aus vieler Herren Länder belebt wird. Dank dieser Lebendigkeit, aber auch aufgrund der meist noch erschwinglichen Mieten ist Ehrenfeld in den letzten Jahren auch für neue Schichten als Wohnort attraktiv geworden. Die städtische GAG Immobilien AG hat bereits vor einigen Jahren eine Industriebrache am Grünen Weg und eine benachbarte Freifläche am Melatengürtel erworben, um hier ein gemischtes Quartier zu entwickeln. Die Nachbarschaft ist gewerblich geprägt, doch kann das Areal am Melatengürtel mit etablierten Lagen verknüpft werden. Dieser „Eingang“ ins neue Stadtgebiet soll deshalb die neue Spielstätte des Kölner Künstler Theaters aufnehmen. Außerdem sollen eine Kindertagesstätte, eine Demenz-Wohngruppe, Büroflächen und kulturelle Angebote ins Viertel integriert werden.
Die ersten beiden Bauabschnitte am Melatengürtel sehen derzeit ihrer Fertigstellung entgegen und lassen das gestalterische Prinzip bereits erkennen: ein Ensemble aus frei stehenden Gebäuden von unterschiedlicher Höhe (drei bis acht Geschosse) mit farbig teils sehr lebhaft gestalteten Putzfassaden. Auf dieser Teilfläche des insgesamt rund 25.000 Quadratmeter großen Areals entstehen 66, teilweise geförderte Wohnungen. Seit Anfang des Jahres wird auch am Grünen Weg gebaut.
Die städtebauliche Planung lag in Händen des Kölner Büros ASTOC, für die Architektur der einzelnen Gebäude sind außerdem die Kölner Architekten Molestina und Lorber+Paul verantwortlich; die Freiraumgestaltung haben die Düsseldorfer Landschaftsarchitekten Scape übernommen. Die zueinander versetzt auf dem Grundstück angeordneten Gebäude bilden unterschiedlich dimensionierte Freiräume, die dereinst verschiedenen nachbarschaftlichen Aktivitäten bis hin zum Urban Gardening offenstehen sollen. Auftakt dafür war das Projekt „Obsthain Grüner Weg“ des Design Quartiers Ehrenfeld: In Containern wurden schon vor dem ersten Spatenstich Apfel- und Birnbäume gepflanzt, die mit der Fertigstellung der Anlage nach und nach ihren festen Platz im Quartier erhalten – zur allgemeinen Nutzung durch die Bewohner.
Neubau statt Nachkriegszeilen Würzburg-Zellerau | 2007–13
Die Würzburger Zellerau ist nicht gerade die beste Wohnlage der Stadt. Ab Ende des 19. Jahrhunderts bebaut, wird das Gebiet im Westen des Stadtzentrums geprägt von Gebäuden der Nachkriegszeit – so auch an der Brunostraße. Hier entstand Ende der 40er Jahre eine Siedlung für die aus den Ostgebieten Vertriebenen; eine sparsame Anlage in strenger Zeilenbauweise, deren knappe Wohnungen heutigen Ansprüchen nicht mehr genügten. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadtbau Würzburg hatte sich deshalb 2006 entschlossen, die Siedlung zu verkaufen; damals war ein privater Entwickler von Pflegeheimen interessiert, hier tätig zu werden. Mit dem neuen Geschäftsführer Hans Sartoris aber änderten sich 2007 die Pläne – auch, weil die Stadtbau in der Umgebung insgesamt rund 2000 Wohnungen besitzt. Ein Ersatzneubauprojekt sollte auch einen Beitrag zur Aufwertung und Durchmischung der eher schlecht beleumundeten Lage liefern. Zielgruppe: „Empty Nesters“, die es aus den Einfamilienhausgebieten zurück in die Stadt zieht. Auch deshalb war geplant, nur noch 12 Prozent der Wohnungen als Sozialwohnung anzubieten, knapp die Hälfte aber als frei finanzierte Mietwohnungen. Die übrigen 40 Prozent wollte die Stadtbau als Eigentumswohnungen vermarkten. Die Ambition des Bauherren zeigte auch der Wettbewerb, der 2009 für die Neubebauung durchgeführt wurde. In dem kooperativen Verfahren wurde das Architekturbüro Stefan Forster als Partner für das Projekt ermittelt.
Von den Neubauten kann der Betrachter nicht auf die unterschiedliche Zusammensetzung ihrer Bewohner schließen – kein Detail verrät, wo Sozialwohnungen und wo Eigentumswohnungen liegen. Gegenüber den Nachkriegsbauten auf der anderen Straßenseite fällt aber sofort die differenzierte Behandlung der Freiräume auf: Wo dort Abstandsgrün bitte nicht betreten werden will, laden hier Mietergärten und gemeinschaftlich nutzbare Bereiche unter den erhaltenen alten Bäumen zum Aufenthalt im Freien ein – und dazu, mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Die Stadtbau will noch abwarten, wie sich die Bewohnergemeinschaft entwickelt – zwischen zwei Neubauten ist noch Platz für einen Pavillon als Gemeinschaftsraum, so Hans Sartoris. Sollte es dazu kommen, würde sich der von den Architekten unternommene Versuch, die Gebäude in Beziehung zu den gegenüberliegenden Außenräumen zu setzen, vielleicht auch im Alltag der Bewohner niederschlagen. Erst einmal aber ist der Bauherr zufrieden mit der Vermarktung des Projekts und stellt schon jetzt eine Ausstrahlung auf die Zellerau insgesamt fest – das jahrelang brachliegende Mero-Gelände an der Steinacher Straße etwa soll jetzt als Wohnstandort entwickelt werden. Auch für die Siedlung an der Brunostraße gibt es weitere Pläne: Die drei sich westlich anschließenden Zeilen will die Stadtbau ebenfalls abreißen und mit drei neuen Zeilenbauten ersetzen. Geplant vom Darmstädter Architekten Florian Krieger, sollen deren geförderte Maisonette-Wohnungen vor allem Familien ansprechen.
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