Familienplanung
Editorial "Metropole Ruhr"
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Familienplanung
Editorial "Metropole Ruhr"
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Nehmen wir die „Metropole Ruhr“ mal beim Namen und nennen sie dem Altgriechischen nach eine „Mutterstadt“. Unweigerlich stellt sich die Frage, wer dann ihre Kinder sind. Wer ist der Familienstolz, der brave Sohn, die verwöhnte Tochter, und welche Rolle spielen die übrigen Verwandten – der ewig nörgelnde Cousin aus Westfalen oder der spendable Großonkel vom Rhein?
Dass die arme, aber lebhafte Großfamilie aus 53 Städten als „Metropole“ ihre alten Streitereien und ihr engstirniges Handeln (genannt „Kirchturmdenken“) hinter sich lässt, ist der Wunsch Vieler. So auch des Regionalverbands Ruhr (RVR). 2009 wurde der Nachfolgerverband des 1920 gegründeten Siedlungsverbands Ruhrkohlebezirk wieder zur Regionalplanungsbehörde der „Metropole Ruhr“. Zuvor war die Planungskompetenz aufgeteilt auf die drei Bezirksregierungen in Münster, Ansbach und Düsseldorf. Jeder hatte beim Schicksal des alten Kohlepotts mitzureden – und mitzutragen.
Nun soll der RVR zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder einen gemeinsamen Regionalplan aufstellen, der die derzeit existierenden fünf Masterpläne vereint. Die Hoffnung ist groß, der Plan könnte als Befreiungsschlag auf das behäbig vor sich hin strukturwandelnde Ruhrgebiet wirken – ähnlich vorangegangener Paukenschläge wie denen der IBA Emscher Park oder der Kulturhauptstadt 2010. Der Regionalplan soll daher, über Vorgaben zur Flächennutzung hinaus, angereichert werden mit „Zukunftsbildern jenseits des bisher Gedachten“. So wünschte es sich der RVR zur Auslobung seines „Ideenwettbewerbs Zukunft Metropole Ruhr“.
Fünf Planungsteams, deren Büros mehrheitlich nicht aus dem Ruhrgebiet stammten, beteiligten sich an dem vom NRW-Wirtschaftsministerium und RVR finanzierten Verfahren. Nach einem halben Jahr Planungsarbeit und öffentlichen Diskussionen zum Zwischenstand ging der „Wettbewerb“ im Herbst zu Ende. Ohne Preise und ohne verbindliches Ergebnis, dafür mit teils weitgreifenden Szenarien, gehüllt in Neologismen wie „Ruhrbanität“, „Schwammstadt“ und „Ruhr Evolution“. Im Wust der Wortakrobatik stecken jedoch auch Ideen, für deren Umsetzung man sich finanzielle Wege und politische Willenskraft wünscht – wie unter den 36 „Werkzeugen“ des TeamsA um die Leipzig-Berliner Landschaftsarchitekten bgmr, oder bei den zwei konträren und klarsten Konzepten des Verfahrens: TeamB um das holländische Planungsbüro Maxwan setzt durch eine straffe Verkehrshierarchie auf die Zentren; TeamE um das Berlin-Zürcher Büro yellowz will einzelnen Quartieren mit gesetzlichen Außnahmeregelungen zum Neustart verhelfen. Was passiert mit diesen Vorschlägen?
Das mit Lokalpolitik, Wissenschaft und manchem Externen wie dem Münchner Stadtdirektor Stephan Reiß-Schmidt besetzte Gremium formulierte seine Empfehlungen geschickt offen: Entstehen sollte ein „dynamischer“ Regionalplan mit einer übergeordneten „Governance-Struktur der Kommunikation“, mit „Experimentierräumen“, „Knotenpunkten der Mobilität“ und einer „produktiven Freiraumnutzung“. So kann der RVR mit den Ergebnissen alles machen – oder auch nichts. Schade wärs um die ganze Energie, die Zeit und die Kosten. Aber auch um die Familienplanung der „Metropole Ruhr“.
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