Hans Herkommer (1887–1956)
Jenseits des Neuen Bauens
Text: Sohn, Elke, Saarbrücken
Hans Herkommer (1887–1956)
Jenseits des Neuen Bauens
Text: Sohn, Elke, Saarbrücken
Unter dem Motto „Moderne Architektur exemplarisch“ thematisiert die TU Kaiserslautern zurzeit eine Reihe von südwestdeutschen Architekten und ihre Werke.
Das Lehrgebiet Geschichte und Theorie der Architektur unter der Leitung von Matthias Schirren hat sich zur Aufgabe gemacht, jene regional spezifische Moderne erstmalig umfassend zu dokumentieren und zu analysieren; dabei möchte man jenseits der kanonischen Verengung der Architekturmoderne auf das Neue Bauen eine differenziertere Sicht der Dinge kultivieren.
Ein durch jene nachträgliche Einengung ins Abseits beförderter Architekt ist der Stuttgarter Hans Herkommer (1887–1956), Schüler von Theodor Fischer und Martin Elsässer. Dabei stand Herkommer mit einem Œuvre von über hundert Projekten seinerzeit durchaus im Interesse der Fachöffentlichkeit. Von ihm stammen u.a. die St. Augustinuskirche in Heilbronn (1925–26), die Frankfurter Frauenfriedenskirche (1927–29), die Michaelskirche in Stuttgart-Sillenbuch (1952/53), das Paulusheim in Bruchsal (1921–23) und das neue Rathaus in Schwenningen (1926–28). Der renommierte Architekturkritiker Werner Hegemann widmete ihm 1929 eigens eine Publikation in der Reihe Neue Werkkunst. Nach 1945 verschwand Herkommer aus den Diskussionen. Dies ist umso bedauernswerter, da ein vertieftes Studium seiner Arbeit einen interessanten Aspekt verdeut-licht: Mit annähernd 40 Kirchenprojekten zeigt sein Werk, dass die Ästhetik moderner Architektur – Abstraktheit, vereinfachte, auf Fernsicht komponierte Baukörper, Reduktion von Erzählung und Schmuck etc. – gerade im Sakralbau ein wichtiges Experimentierfeld fand. Herkommers katholische Kirche St. Michael für Saarbrücken, geplant ab 1913, wurde zu Recht als eines der ersten größeren modernen Kirchenprojekte Deutschlands gerühmt.
An diesem frühen Entwurf wird deutlich, wie mühelos Herkommer eine beachtliche Bandbreite dezidiert moderner Gestaltungsanliegen aufnahm. Mit diesem von Reduktion und Klarheit geprägten Baukörper gelang ihm eine moderne Dominante für den Stadtraum, die zugleich das Kommunikationsangebot an den Betrachter durch erinnernde Atmosphären aufrecht erhielt, ein Eindruck, der sich vor allem in der Nahsicht einstellt. Diesem speziellen Weg Herkommers nachzuspüren, war Ziel einer internationalen Tagung an der TU Ende Oktober 2010. Die Beiträge der 13 Referenten (u.a. Sylvia Claus, Anke Fissabre, Hartmut Frank, Ulrich Knufinke, Robin Rehm, Wolfgang Voigt) sollen in Kürze in einer Pubklikation erscheinen. Eine Ausstellung in der Architekturga-lerie Kaiserslautern präsentiert bis Mitte Januar in Form von zehn studentischen Modellen einen Querschnitt durch das Werk Herkommers.
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