Bauwelt

It`s all Rheydt Kolkata 2011

Eine Straße aus Mönchengladbach-Rheydt in Kolkata

Text: Schneider, Gregor, Berlin

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Foto: Michael Dommel

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It`s all Rheydt Kolkata 2011

Eine Straße aus Mönchengladbach-Rheydt in Kolkata

Text: Schneider, Gregor, Berlin

Das Durga-Puja-Festival war für mich eine Offenbarung. Es ist unglaublich: Ich werde eingeladen, mit Hilfe hunderter helfender Hände diese gigantische Skulptur zu realisieren – für nur acht Tage!
Und meine Skulptur wird in diesen Tagen ein Tempel und die Skulpturen darin zu Göttern. Und dann verschwindet alles wieder, wie eine Erscheinung, im Fluss. Ich wurde Teil dieser Rituale und religiösen Handlungen. So ein Ereignis ist in keiner anderen Stadt denkbar, in keiner anderen Religion.
Für mich war das alles neu und faszinierend. Seit 26 Jahren baue ich Räume, die ich im sogenannten „Haus u r“ auf der Unterheydener Strasse 12 begonnen habe. Hier ist Verdoppelung die Vorgehensweise: Noch einmal – gleich davor, gleich darunter, gleich darin, das, was schon da ist, oder etwas, das dort plausibel ist. Verdoppelung bestätigt bei mir das Vorhandene, nicht als Deklaration oder Hinweis, sondern als Form, in einer sehr aufwendigen Praxis. Das Vorhandene oder das potentiell Vorhandene werden nicht neu erfunden, sondern von Grund auf rekonstruiert. Die Verdoppelung des Bestehenden legitimiert die Arbeit in der einfachsten möglichen Weise. Mich interessiert dieser Leerlauf von Handlung.
Seitdem ich reise, nehme ich dieses Haus mit. Nach Kolkata bin ich bisher dreimal gereist, dieses Jahr mit einem maßstabsgetreuen Modell der Unterheydener Straße, an der das Haus steht. Für mich war von Bedeutung, was passiert, wenn dieses Modell von Technikern und Künstlern in Kolkata gebaut wird, die Transformation des religiösen Festes durchläuft, um dann wieder zurück nach Rheydt zu kommen. Die Techniker in einem abgelegenen Dorf in West-Bengalen haben mir erklärt, dass die Straße nicht in die ausgewählte Stelle passt. Deshalb wurde sie um 90 Grad gekippt und ein Keller unter der Straße wurde sichtbar.
Die Konstruktion ist statisch anspruchsvoll: komplett aus Bambus, 30 Meter hoch, und nur mit Kokos-Seilen verbunden. Ein deutsches Amt hätte dafür sicherlich keine Baugenehmigung erteilt. Doch die Inder wollten diesen ehrgeizigen Entwurf bauen. Ich habe auf die Handwerker vertraut, auf die Umsetzung hatte ich wenig Einfluss. Wie hätte ich den Indern sagen können, wie man Bambus oder Ganges-Lehm verarbeitet? Natürlich gab es auch Schwierigkeiten: Die Proportionen wurden geändert, die Maße nicht eingehalten, es wurden andere Materialien verwendet ... Aber das alles war Teil des Vorhabens, und alle Beteiligten haben ihr Bestes gegeben. Wie die einzelnen Elemente, wie Straßenlaternen, Mauern, der Zaun oder der kleine Hindutempel, auf der Straße gehalten haben, bleibt für mich bis heute ein Rätsel.
Die Reaktionen in Indien waren überwältigend. Wir hatten in acht Tagen nahezu zwei Millionen Besucher, große Berichte in der Times of India, überregionale Live-Schaltungen im Fernsehen. Die Kultur hat für diese Zeit die Wirtschaft überstrahlt. Besonders gefreut hat mich der Publikumspreis. Er zeigt, dass alle Beteiligten den Beitrag „It’s all Rheydt“ auch als Wür­digung ihres eigenen Festes gefeiert haben.
Der Höhepunkt des Projekts war für mich der Moment, als wir die Skulpturen der Göttin dem Fluss übergeben haben. Am nächsten Tag haben wir alles wieder herausgezogen, um es in Überseecontainer zu verladen. Der ganze Schlamm und die aufgeschwemmten Baumaterialien sind nun auf den Weg nach Rheydt. Sie sind Teil einer Transformation, die noch immer im Gange ist.

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