Jenseits von Gefahrenabwehr
Die Frankfurter Bauaufsicht zeigt Arbeitsproben
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Jenseits von Gefahrenabwehr
Die Frankfurter Bauaufsicht zeigt Arbeitsproben
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Treffend „Mit Augenmaß“ betitelt, zeigt die Ausstellung, wie man mit den insgesamt eher beschränkten Mitteln einer Bauaufsicht Einfluss auf die Qualität des Wohnungsbaus nehmen kann.
So irisierend die Bankentürme, so schillernd die Mythen über das Baugeschehen in Frankfurt am Main. Dass sich etwa nach dem Beschluss zur Altstadt-Rekonstruktion das Verhältnis der Frankfurter zur Baugeschichte ihrer Stadt grundlegend geändert hätte, wie Hans Kollhoff es ihnen jüngst in einem FAZ-Artikel attestierte, ist schlichtweg falsch.Wo die Gelegenheit zur größtmöglichen Grundstücksausnutzung winkt, wird ohne viel Federlesens und Skrupel zerstört: Derzeit ist eines der besten 50er-Jahre-Ensembles der Stadt rund um den Eschenheimer Turm von Abriss bedroht. Auch dass in der Stadt nur Neues gebaut wird, wird gerne behauptet – und noch viel lieber geglaubt. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Mehr als drei Viertel der gewerblichen Immobilienkredite werden derzeit in und um Frankfurt in Umbauten und Revitalisierungen gesteckt. Und selbst dass in der Bankenmetropole vor allem Büros entstehen, stimmt nicht. Nur rund zehn Prozent ihres Umsatzes macht die Frankfurter Bauaufsicht mit Bürobauten. Das Doppelte dagegen mit Wohnungsbauten.
Büros zu Wohnungen
Wie man mit den insgesamt eher beschränkten Mitteln einer Bauaufsicht Einfluss auf die Qualität des Wohnungsbaus nehmen kann, zeigt jetzt eine Ausstellung im Foyer des neuen Technischen Rathauses. Treffend „Mit Augenmaß“ betitelt, präsentiert die Schau nicht die Arbeitsweise der Behörde, die von ihrem Leiter Michael Kummer mit „Kommunikation“ und „Beratung aus einer Hand“ umschrieben wird, sondern die Ergebnisse: von der energetischen Sanierung eines Wohnhauses, die die zwischenzeitlich verlorene Gründerzeit-Fassade wiederherstellt (Karl Dudler, Frankfurt), über einen fröhlich-frechen „Familienturm“ im sonst gesichtslosen Neubaugebiet (BB 22, Frankfurt) bis zum Geschosswohnungsbau, bei dem die Bauaufsicht den Investor auf das Grundstück inklusive der Altlasten und der Grundstücksauslastung aufmerksam machte. Man findet in der Schau zwar „Leuchturm“-Gebäude etwa von Stefan Forster oder Meixner Schlüter Wendt (von Letzteren stammt auch die Ausstellungsarchitektur), das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Alltagsarchitektur, auf den vielen eher unauffälligen An-, Um- und Ergänzungsbauten, deren Qualität sich oft erst auf den zweiten oder gar dritten Blick offenbart.
Die Ausstellung reflektiert damit den Umstand, dass nur ein kleiner Teil der in Frankfurt jährlich etwa 2700 neuen Wohnungen in Stadtentwicklungsgebieten entstehen, die besondere Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit genießen, die überwiegende Mehrzahl dagegen im Bestand. Wobei das Amt sich seit einigen Jahren besonders bei der Konversion von Büro- und Gewerbe- in Wohnraum engagiert. Anfangs eher mit Misstrauen und mitunter mit Spott begleitet, derzeit von Gerichtsurteilen behindert, hat dieses Bemühen einigen Erfolg gezeitigt: Solcherlei Konversion machte im Jahr 2010 immerhin ein Viertel der gesamten Wohnungsproduktion in Frankfurt aus. Die Beispiele erfolgreicher Umwidmungen, die manchmal auch nur Re-Konversionen von Wohnhäusern sind, die zwischenzeitlich etwa als Bürogebäude (Peter Bastian, Münster) oder als Klinik dienten (Bettina Berresheim, Frankfurt), belegen das geglückte, leider viel zu seltene Zusammenspiel von Bauherr, Architekt und Genehmigungsbehörde.
Steuerungsinstrument: Erwähnung bei Goethe
Interessant dabei ist, dass der historische Blick der Frankfurter Bauaufsicht weiter geht als der einiger Meinungsführer, welche die bestimmenden Bautraditionen der Stadt auf Klassizismus und Gründerzeit verengen. So werden Gebäude, die feinfühlig auf den Siedlungsbau der 20er und 50er Jahre reagieren, ebenso von Amts wegen gefördert wie Typologien, die sich sensibel in alte Dorf- oder Arbeitervorort-Strukturen einfügen. Gleichfalls interessant ist, dass die Ermessensspielräume der Gesetze und Verordnungen dazu genutzt werden, verlorene Stadträume zurückzuerobern. Ob ein Bauherr vom Stellplatznachweis befreit wird, um einen alten Dorfplatz wiederzugewinnen, ob der Investor in gehobener Wohnlage verpflichtet wird, die Pflege eines schon bei Goethe erwähnten Parks langfristig zu finanzieren, ob sowohl Bauherr als auch Handelskonzern dazu überredet werden konnte, das Erdgeschoss einem Supermarkt zur Verfügung zu stellen – es sind die kleinen, unscheinbaren Stellschrauben, die, richtig gesetzt, die Stadt als Lebensraum reannektieren.
An wie vielen Stellen fast gleichzeitig die Arbeit der Behörde gefragt ist, zeigt ein Modell der Hansaallee, die sich nach dem Ende militärischer Nutzungen seit 1990 ohne Masterplan enorm entwickelt hat. Ob Seniorenresidenz oder Studentenwohnheim, ob geförderter Wohnungsbau oder Infrastrukturbau, zu sehen ist ein Konglomerat verschiedener, von den Akteuren meist unabgesprochener Maßnahmen, bei denen die Behörde zumindest die Richtung vorgibt. Dass hierbei nicht alles höchsten Güteklassen entspricht, liegt nicht in erster Linie am Amt, das sich eher der Hebung des Durchschnitts verschrieben hat, grundlegende Qualitätsmaßstäbe formuliert und im Zweifel Investitionswillige mit talentierten und erfahrenen Architekten zusammenbringt. Dass man der Frankfurter Bauverwaltung insgesamt eine ambitioniertere Begleitung seitens Politik, veröffentlichter Meinung und Immobilienfinanzierung wünschen muss, darf, so präsentabel die Ergebnisse ihrer Arbeit auch sind, nicht verschwiegen werden.
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