Bauwelt

Kategorie 1_Second Nature

Neue Landschaften. Neue Topografien

Text: Siza, Alvaro, Porto; Aires Mateus, Manuel, Lissabon

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    Cedric Price in den 1990er Jahren bei einem Besuch seines ersten Werks, ...

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Kategorie 1_Second Nature

Neue Landschaften. Neue Topografien

Text: Siza, Alvaro, Porto; Aires Mateus, Manuel, Lissabon

Minimalistischer Eingriff: Bei seinen Piscinas das Marés in Leça da Palmeira bei Porto lotet Alvaro Siza 1961 aus, wie nahe sich Architektur und Landschaft
kommen können.
Alvaro Siza, 1980 | In den alljährlichen Springfluten schluckt das Meer das Nicht-Essenzielle. An jenem Ort bricht ein gewaltig vorspringender Fels drei parallele Linien: den Horizont, an dem Wasser und Himmel aufeinandertreffen, den Saum zwischen Land und Meer und die lange Stützmauer der Küstenstraße. Jemand kam auf die Idee, eine Kuhle in der Felsformation zu befestigen und als Gezeiten-Pool zu nutzen. Aber der Atlantik ist etwas anderes als das Mittelmeer, außerdem ist es nicht so einfach, einen Swimmingpool an einem Ort hinzubekommen, wo selten einer gebaut wird: Man muss über die Klärung des Wassers und die Füllhöhe des Beckens nachdenken und sich mit komplizierten Bauvorschriften auseinandersetzen.
„Man sollte am besten einen Architekten engagieren.“
Es gab nur unwesentliche Veränderungen. Der Block mit den Umkleideräumen ist wie ein Boot an der Küstenmauer festgemacht. Betonmauern stützen die Dachkonstruktion aus Kupfer und Holz und auch die Pfade, die zum Pool hinunter führen. Diese Pfade waren bereits gebahnt (in schwierigem Gelände wissen die Menschen ganz genau, wohin sie die Füße zu setzen haben), den Pool gab es schon, die Mauern verlaufen parallel zu der Granitmauer der Straße, von der sie lediglich ein wenig abgerückt sind. Hier und dort befestigen kleine Eingriffe die natürlichen Felsplateaus.
Beim ersten Sturm nahm der Ozean ein Stück Mauer mit und korrigierte, was nicht stimmte.
Sieben Jahre lang, wie Jakob, studierte der Architekt Einzelheiten. Besonders an den Enden im Norden und Süden war es schwierig, das Neue in das einzupassen, was schon da war. Doch ergab sich aus den Forschungen schließlich ein Plan für das Küstengelände, den er einreichte und dafür umgehend ein Honorar erhielt.
Es hieß allerdings, das Ganze sei nutzlos: Der Architekt hatte einfach nur Trittstellen herausgefunden, um den Gefahren von Fels und Meer nicht zu nahe zu kommen. Und jemand sagte: „Jeder weiß doch selbst, wohin er seine Füße setzen muss, ein Architekt sollte eigentlich andere Wege kennen als alle anderen.“ Und damit konnte er dann wieder gehen.
Die Leça-Pools treten in einer Weise zu ihrem Kontext in Bezug, die den Ort in einem tiefen Begreifen erfahrbar macht, ihm Maßstäblichkeit verleiht und emphatisch verstärkt. Durch die Einführung eines anderen, in sich autonomen und präzisen Systems werden die ursprünglichen Gegebenheiten herausgearbeitet. Fels trifft auf Beton, Natur auf geometrische Form, in Urzeiten zurückreichende Vergangenheit auf gegenwärtige Präzision. Die einzelnen Bauteile werden jedes für sich betont, so dass Fels, Sand und Meer als Wunder der Natur neu wahrnehmbar werden. Jedes hinzugefügte Element scheint in aller denkbaren Hinsicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet zu sein. Das Verfahren, Elemente einzeln sichtbar zu machen, ergibt in der Summe ein System, in dem Schönheit nicht auf ein beliebiges, abstraktes Universalprinzip verweist, sondern dem Potenzial entspringt, Natur bewusst zu transformieren ... Darüber hinaus entwickelt der Entwurf nicht nur ein präzises räumliches Konzept, sondern kontrolliert den Ablauf seiner Reifung. In diesem Sinn entspricht Nutzung dem Fortschreiten in einem Prozess. Ein Prozess, der sich in vier Dimensionen entfaltet und der eben nicht nur auf den Raum Bezug nimmt, sondern das Konzept von Schönheit in die Bereiche Bewegung und Leben hinein ausweitet. Himmel, Fels, Meer – Begreifen erweist sich als Schar von tangentialen Näherungen, die jeden Ort in seinem Verhältnis zum Gleichgewicht zwischen Konstruktion und Natur bestimmen. Wie so viele andere Arbeiten Sizas eröffnet dieser Entwurf neue kulturelle Optionen: Er findet Referenzen für Erfahrungen, aus denen sich neue Formen der Erinnerung zusammensetzen lassen. Erahntes wird unermüdlich geschliffen, bis daraus Schönes geworden ist; Dinge, die in ihrer zeitlosen Klarheit unweigerlich den neuen Fundus für unser Denken und Fühlen bilden.
Fakten
Architekten Siza, Alvaro, Porto
aus Bauwelt 1-2.2011
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