Kroatiens spektakuläre Ferienburgen
in der Berliner ngbk
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Kroatiens spektakuläre Ferienburgen
in der Berliner ngbk
Text: Geipel, Kaye, Berlin
An den Tourismuslandschaften der Nachkriegsmoderne zeigen sich die radikalen Brüche des 20. Jahrhunderts wie in einem Bilderbuch. Signifikantes Beispiel für den Paradigmenwechsel von einer archaischen Landwirtschaft zu einer hypermodernen Freizeitlandschaft ist die Adriaküste des ehemaligen Jugoslawien.
Die Planer des Massentourismus mussten hier zwei Extreme unter einen Hut bringen: Zum einen sollten sie den Weg des Einzelnen vom Ferienbett über den Strand ins Wasser als glücksversprechenden Freiraum inszenieren; zum anderen waren megalomane Großbauten und Campinganlagen zu entwerfen, die als Teil des industrialisierten Massenwohnbaus in die Landschaft gedrückt wurden.
Die in den 60er und frühen 70er Jahren erbauten Großanlagen waren auch Ausdruck des Spagats einer Öffnung zum Westen, den Tito mit seinem Dritten Weg gegangen ist. Jugoslawien hatte vergleichsweise offene Grenzen; die wechselseitige kulturelle Beeinflussung lässt sich bis heute an einer ganzen Reihe von Architektenbiografien überprüfen. Die damals realisierten Großbauten sind meist gut erhalten und in Betrieb. Aber es gibt auch grausam schöne Ruinen. Zu ihnen gehört das Haludovo Resort (1972) von Boris Magaš auf der Insel Krk, von amerikanischen Investoren finanziert, an dessen Pool für kurze Zeit 70 eingeflogene Bunnys des Penthouse-Magazins ihre Dienste verrichteten. Viele dieser architektonisch herausragenden Ferienanlagen sind jetzt in einer klug zusammengestellten Ausstellung in der Berliner ngbk zu sehen, eine Übernahme vom Haus der Architektur in Graz. Sie dokumentiert den Zustand der Bauten von den 60er Jahren über den Krieg 1991–94 bis in die Gegenwart. Kurator Michael Zinganel konnte sich auf ein langjähriges Forschungsprojekt zu den Tourismusorten der Nachkriegszeit in Ost- und Westeuropa stützen, an dem auch Elke Beyer und Anke Hagemann beteiligt waren; der lesenswerte Katalog umfasst überdies einen Vergleich mit der bulgarischen Schwarzmeerküste. Das Projekt will die Verflechtungen von Wirtschaftspolitik und Ferienarchitektur aufzeigen.
Der Fall Kroatien ist insofern ein bemerkenswertes Lehrbeispiel, als die kollektiven Wirtschaftsformen jener Zeit mit ihren Arbeiter-Selbstverwaltungen in Form einer besonderen Identifikation der Kommunen hinsichtlich ihres kulturellen Erbes fortwirken. So gilt bis heute, dass auch 5-Sterne-Hotels einen 100 Meter breiten Uferstreifen für alle frei lassen müssen, und dass die gemeinschaftlichen Einrichtungen der örtlichen Bevölkerung offenstehen. Am erstaunlichsten ist aber, mit welcher Konsequenz der spekulative Sprawl der Küste verhindert wurde. Weitergebaut wird bis heute innerhalb restriktiver Zonen. Länder wie Montenegro, aber auch Griechenland und Spanien, die große Teile ihrer Küste im neoliberalen Rausch der letzten Jahre verramscht ha-ben, könnten neidisch werden.
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