Bauwelt

Kurzer Eugen

Erweiterungsbau für den UN-Campus in Bonn

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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1.Preis: Stefan Lippert, Berlin; ANNABAU Architektur und Landschaft, Berlin

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1.Preis: Stefan Lippert, Berlin; ANNABAU Architektur und Landschaft, Berlin


Kurzer Eugen

Erweiterungsbau für den UN-Campus in Bonn

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Das Kerngebiet des ehemaligen Regierungsviertels hat als UN-Campus eine stimmige Nachnutzung gefunden. In dem Park zwischen den prominenten Baudenkmälern soll nun noch Raum für die 330 Mitarbeiter des Klimarahmensekretariats geschaffen werden.
Manche Wege in Bonn führen durch ein Geschichtsbuch – vorbei am ehemaligen Bundesrat, am ehemaligen Bundestag, am Alten und Neuen Abgeordnetenhochhaus und an ein paar ehemaligen Abgeordnetenwohnäusern. Längst haben alle Gebäude eine neue Bestimmung gefunden, sind denkmalgerecht saniert und an die Bedürfnisse ihrer neuen Nutzer angepasst. Einer der Nutzer sind die Vereinten Nationen, die schon seit 1951 einen Sitz in Bonn haben, doch erst seit der Bund ihnen 2003 das Neue Abgeordnetenhochhaus – den Langen Eugen – überließ, konnten sie ihre Präsenz auch im Stadtbild deutlich markieren. Inzwischen beschäftigt die UNO in ihren 19 Bonner Organisationen rund 900 Mitarbeiter. Alle Arbeitsplätze befinden sich auf einem Campus, der an drei Seiten von ehemaligen Bundesbauten eingefasst wird und sich an der Nordseite zum Rhein öffnet. Das UN-Gelände, das eine Art „internationales Territorium“ darstellt, ist von einem hohen Sicherheitszaun umgeben und darf nur nach Personenkontrolle betreten werden.
In der Nah- und Fernwirkung dominiert der 31 Geschosse hohe Lange Eugen den UN-Campus; das Alte Abgeordnetenhochhaus auf der Südseite mit seinen acht Geschossen wirkt dagegen nahezu bescheiden. Die weiteren Gebäude im Park – das Alte Wasserwerk sowie das dazugehörige Pumpenhaus, die als Ausweichquartiere des Bundestages zu unerwarteter Prominenz gelangten –  scheinen hinter dem dichten historischen Baumbestand des Parks fast zu verschwinden, sodass man derzeit kaum von einer Ensemblewirkung des Bonner UN-Standorts sprechen kann. In einem offenen Wettbewerb suchte der Bund nun nach Ideen, einen geeigneten Platz für den Erweiterungsbau auf dem 30 Hektar großen Campusgelände zu finden und den Park entsprechend umzugestalten. In einem modularen Raumkonzept sollten im Neubau 330 Büros, ein Konferenzraum sowie Magazin- und Archivflächen für das Klimarahmensekretariat der UN untergebracht werden. Da das Sekretariat die Umsetzung der Klimaziele der Vereinten Nationen begleitet, sollte das Gebäude in vorbildhafter Weise höchsten Anforderungen an Nachhaltigkeit entsprechen.
Einstimmig wählte die Jury unter Vorsitz von Dörte Gatermann den Vorschlag von Stefan Lippert und ANNABAU aus Berlin als ersten Preisträger. Der schlanke, 17-geschossige Büroturm erweitert die schüttere Bonner Skyline von zwei auf drei Hochhäuser. Doch die Höhe des Gebäudes überzeugt nicht nur aufgrund der Fernwirkung. Dank der geringen Grundfläche des Neubaus, der in einer Reihe mit Wasserwerk und Pumpenhaus parallel zum Rheinufer platziert wurde, kann auch der Park weitgehend unangetastet bleiben. Durch ihn zieht sich ein landschaftlich gestalteter Konferenzboulevard bis ins Foyer des Neubaus. Hier wird mit einer zweigeschossigen Orangerie eine formale Überleitung vom Park zu den fünf in den Obergeschossen vorgesehenen Wintergärten hergestellt. Ob diese, wie in der Lokalpresse gern beschrieben, dem Gebäude zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen, ist fraglich – ein großes Plus für die Arbeitsplatzqualität sind sie bestimmt. Im Sitzungsprotokoll zeigte die Jury nur verhaltene Euphorie über den Siegerentwurf, in dem sie „eine relativ unspektakuläre Lösung“ mit einem „dezenten, aber charaktervollen baulichen Beitrag“ sieht.
Nicht ganz so ruhig gingen BARCODE Architects mit West 8 (2. Preis) an die Aufgabe heran. Mitten auf dem Campus platzieren sie ein 14 Geschosse ho-hes Gebäude auf parallelogrammförmigem Grundriss. So erzielen sie im südlichen Bereich eine starke Verdichtung, die eine gute funktionale Vernetzung von Alt und Neu ermöglicht. Die filigranen Leichtbetonelemente der Fassade – abgeleitet von wehenden Fahnen – erscheinen als Neuinterpretation der strengen Lochfassade des Bestands. Deutlich wird hier das Bemühen, ein Ensemble aus den Bauten der verschiedenen Epochen zu bilden, ohne die Identität des Neubaus dabei zu verstecken. Der durchgehende Campuspark wird von einem organischen Wegenetz durchzogen, das eine hohe Aufenthaltsqualität verspricht.
Die Auswahl der Anerkennungen zeigt, dass es auch Beiträge gab, die mehr Mut zum Ausdruck bewiesen haben: ungewöhnlichere Kubaturen, aufregendere Strukturen und größere Gesten. Doch dafür fügt sich der Erweiterungsbau auf dem UN-Campus, wie Stefan Lippert ihn geplant hat, harmonisch ein in den stilvollen Pragmatismus seines historischen Umfelds. Auch dies ist eine Form der Nachhaltigkeit – nicht unbedingt grün, aber architektonisch zukunftsweisend.
Offener, zweiphasiger Wettbewerb nach RPW
1. Preis Stefan Lippert, Berlin; ANNABAU Architektur und Landschaft, Berlin
2. Preis BARCODE Architects, Rotterdam; West 8, Rotterdam
Anerkennung Estudio Cano Lasso Arquitectos, Madrid + hochrein_architekten, Frankfurt/M.; OOK paysage & urbanisme, Bordeaux | XML Archi­tecture, Amsterdam; LOLA Landscapes, Den Haag | Günter Katherl, Wien; YEWO Landscapes, Wien

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