Bauwelt

Lange Wege auf dem Land

Nyt Hospital Nordsjælland im dänischen Hillerød

Text: Matthys, Stefanie, Berlin

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1.Preis: Herzog & de Meuron
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Lange Wege auf dem Land

Nyt Hospital Nordsjælland im dänischen Hillerød

Text: Matthys, Stefanie, Berlin

Dänemark will bis 2020 seine Krankenhauslandschaft neu ordnen (Bauwelt 17.2012). Unter dem Leitspruch „Qualität vor Nähe“ entwarf ein Team um Herzog & de Meuron ein Akutkrankenhaus nördlich von Kopenhagen, besonders flach – und besonders weitläufig.
Die Patienten des zukünftigen Nyt Hospital Nordsjælland dürfen sich freuen. Laufen die Bauarbeiten wie geplant, werden sie ab 2020 in Ferienhausähnlichen, zweigeschossigen Kuben „residieren“ und von ihren Balkons über die weite Landschaft nördlich von Kopenhagen oder auf den innen liegenden Garten des neuen Akutkrankenhauses blicken.
Zusammen mit dem Kopenhagener Büro Vilhelm Lauritzen Arkitekter würden Herzog & de Meuron nicht nur ihr erstes Projekt auf skandinavischem Boden realisieren, die Basler wollen auch, so die eigene Ankündigung, „ein wegweisendes Zeichen an die Architekten und den gesamten Gesundheitssektor“ setzen. Damit spielen die Architekten auf ihren ungewöhnlich flach entworfenen Baukörper an: Verteilt auf nur zwei Obergeschosse, schlängeln sich die Bettenstationen zu einem Kleeblattförmigen Band, das auf einer perforierten Platte liegt. Diese durchlöcherte Ebene mit einem Heidebewachsenen Kunstgarten trennt das Band aus Patientenzimmern von den von zwei darunter liegenden Sockelgeschossen. Herzog & de Meuron wollen damit den Beweis antreten, dass auch horizontal ausgerichtete Krankenhausarchitektur funktional sein kann.
Die Grundsatzdebatte um die vertikale Organisation eines Krankenhauses war erst kürzlich in Basel anhand eines anderen Projekts der Zürcher Architekten Giuliani.Hönger entbrannt, die mit einem kurzen Bettenturm einen Wettbewerb für sich entscheiden konnten. Herzog & de Meuron, ebenfalls unter den Teilnehmern, erhielten den 2. Preis.
In dem zweiphasigen Wettbewerb für das neue dänische Krankenhaus in der Nähe des Städtchens Hillerød setzten sich Herzog & de Meuron nun gegen die Finalisten BIG und C.F. Møller durch. BIG entwarf einen Komplex im Kreuzformat und stapelte die Bettenstationen um acht Innenhöfe; C.F. Møller wiederum setzte ein sechsarmiges Rückgrat auf einen Sockel aus miteinander verflochtenen Schlaufen.
In dem auffälligen Bemühen der drei Entwürfe, einen abgerundeten, fließenden Baukörper zu schaffen, zeichnet sich der Entwurf von Herzog & de Meuron (Federführung: Christine Binswanger) durch die Schlichtheit aus, mit der sich das Gebäude in die Wald- und Wiesenlandschaft einfügt. Auch die Verteilung der Funktionen folgt zwei einfachen Prinzipien, dem Vertikalen – oben Patienten, darunter ambulante und noch ein Geschoss tiefer stationäre Bereiche – und dem Horizontalen: je häufiger Räume genutzt werden, desto zentraler liegen sie. 
Nach menschlichem Maß – eine Illusion
Krankenhausplanung ist immer ein Balanceakt zwischen optimaler Versorgung mit Tageslicht und einem Naturbezug sowie der Schaffung kurzer Wege und einem geringen Flächenverbrauch.
Das Team um Herzog & de Meuron gibt eindeutig Ersterem den Vorrang – zum Nachteil von Funk­tionalität und Kompaktheit, was im ländlichen Raum weniger problematisch ist. Der Entwurf erfüllt da­mit grundsätzlich die Vorgabe der Ausschreibung, den „Menschen in den Mittelpunkt“ zu stellen. Dank der geschlossenen Anordnung um den Garten bewegt sich der Patient bei seinem Blick aus den Fenstern – zumindest dem Anschein nach – durch einen Komplex in einem noch „menschlichen“ Maßstab, obwohl er sich im größten Akutkrankenhaus Dänemarks befindet.
Diese Illusion währt jedoch nur, solange er sich in den Bettengeschossen oberhalb der Gartenplatte aufhält. Steigt der Patient in den Sockel hinab, landet er in einem Netz aus langen Fluren und aufgereihten Funktionsbereichen, die durch Innenhöfe belichtet werden. Die in den Visualisierungen dargestellte geringe Gebäudehöhe erweist sich schließlich ebenfalls als geschickte Täuschung, erzeugt durch die Trennung des oberen Bettenbands von dem Erd- und dem in einer Erhebung eingegrabenen Untergeschoss.
Offen bleibt, wie das Pflegepersonal bei seiner täglichen Routinearbeit die Langstreckenläufe auf den Bettenstationen meistern wird. Die Bandstruktur mutiert hier förmlich zum Trimm-dich-Pfad für die Angestellten. Es ist nur zu hoffen, dass die gestalterische Qualität des Krankenhauses ausreicht, um die zukünftigen Nutzer, vor allem das Personal, zufriedenzustellen – trotz der langen Strecken zwischen den Funktionsbereichen.
Zweiphasiger, beschränkter Wettbewerb
1. Preis Herzog & de Meuron, Basel; Vilhelm Lauritzen Akitekter, Kopenhagen; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich
Finalist C. F. Møller, Aarhus; Cubo, Aarhus; Tredje Natur, Kopenhagen
Finalist BIG, Kopenhagen; WHR, Houston, Man Made Land, Berlin; TOPOTEK 1, Berlin
Fakten
Architekten Herzog & de Meuron, Basel; Vilhelm Lauritzen Akitekter, Kopenhagen; C. F. Møller, Aarhus; Cubo, Aarhus; BIG, Kopenhagen; WHR, Houston
aus Bauwelt 20.2014
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