Mehr als Haus Schröder
Rietvelds Universum
Text: Baumeister, Ruth, Rotterdam
Mehr als Haus Schröder
Rietvelds Universum
Text: Baumeister, Ruth, Rotterdam
Dass der Utrechter Architekt neben dem Haus Schröder und dem weltberühmten rot-blauen Holzsessel mehr als hundert Bauten realisiert und zahllose Möbel entwickelt hat, möchte die aktuelle Rietveld-Ausstellung des Centraal Museum Utrecht in Erinnerung rufen.
Gerrit Rietveld (1888–1964) ist vor allem als Entwerfer des weltberühmten rot-blauen Holzsessels und des Hauses Schröder sowie als „De-Stijl-Protagonist“ bekannt. Dass der Utrechter Architekt mehr als hundert Bauten realisiert und zahllose Möbel entwickelt hat, möchte die aktuelle, in Zusammenarbeit mit dem Rotterdamer NAi konzipierte Rietveld-Ausstellung des Centraal Museum Utrecht in Erinnerung rufen. Bereits der Ausstellungstitel, „Rietvelds Universum“, verdeutlicht diese Absicht. Er weist zum einen auf das persönliche Universum des Architekten, auf die Ursprünge seines Schaffens hin, zum anderen zielt er auf den internationalen Kontext sei-nes Wirkens ab, sowohl architektur- als auch zeitgeschichtlich. Auf rund tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche wird das Werk des gelernten Tischlers anhand der thematischen Leitlinien Raum, Massenproduktion und der echte Rietveld beleuchtet, werden seine Möbel, seine Architektur- und Städtebauplanungen chronologisch präsentiert, wird der Mythologisierungsprozess, der durch die De-Stijl-Ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, untersucht.
Am Eingang wird dem Besucher mitgeteilt, dass die Platzierung der Objekte maximale Zugänglichkeit gewährleistet, man jedoch nicht vergessen sollte, dass es sich hier um eine Ausstellung historisch wertvoller Stücke handelt. Diese Bemerkung verrät die Leitidee des Ausstellungskonzepts, das auf Lebendigkeit, Erfahrbarkeit und Authentizität abzielt. Dabei verzichten die Kuratoren auf erläuternde Texte und lassen stattdessen den Architekten und seine Zeitgenossen zu Wort kommen – zum einen durch Zitate, die den Ausstellungsschwerpunkten zugeordnet sind, zum anderen in historischen Tonaufzeichnungen, in denen Rietveld selbst durch eine Ausstellung seiner Werke führt, die Ende der 50er Jahre stattfand. Eine Serie von „One minute“-Filmen belegt Rietvelds Wirken bis in unsere Gegenwart hinein; sie zeigt unter anderem ein Interview mit der Schreinerin eines Rietveld-Stuhls, eine von Rietveld entworfene Busstation und einen Künstler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Rietvelds Möbel in Lego nachzubauen.
Wie praxis- und lebensnah sich ein eigentlich historisches Thema wie dieses präsentieren lässt, beweisen auch die Exponate eines Restaurators und von Möbelherstellern, die sich mit den bau- und konstruktionstechnischen Vorgängen bei der Produktion eines „Rietveld“ auseinandersetzen, oder der „Rietveld-Werkplaats“, wo Besucher ihr eigenes Rietveld-Möbel oder -Haus bauen und sich damit fotografieren lassen können, um dann selbst auf einem Bildschirm in der Ausstellung zu erscheinen. „Rietvelds Universum“ ist eine überaus gelungene Präsentation, die durch inhaltliche Tiefe, eine Vielzahl an wertvollen Exponaten und eine überaus lebendige, zeitrelevante Darstellung glänzt – durchaus ein Anlass für eine Reise nach Utrecht.
0 Kommentare