Bauwelt

Mit Anspruch und Ziegel

Rostocker Wohnungsbau 1949 bis 1990

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

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Fassadengestaltung in Schmarl (Jürgen Deutler, 1976–79)
Matthias Grünzig

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Fassadengestaltung in Schmarl (Jürgen Deutler, 1976–79)

Matthias Grünzig


Mit Anspruch und Ziegel

Rostocker Wohnungsbau 1949 bis 1990

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Uniforme Betongebilde, ohne jede Gestaltungsambition geplant? Ein ganz anders Bild von Großwohnsiedlungen zeigt die Ausstellung „Endlich eine Neubauwohnung – Ideal wohnen in Rostock“ des Kulturhistorischen Museums Rostock.
Sie ist dem Wohnungsbau in Rostock zwischen 1949 und 1990 gewidmet. In dieser Zeit erlebte die Stadt ein stürmisches Wachstum, von 100.000 auf 250.000 Einwohner.
Die Schau stellt die Planungen für die zahlreichen neuen Wohngebiete, die während der DDR-Jahre errichtet wurden, mit Plänen, Fotos, Modellen, Filmen und Dokumenten ausführlich vor.
Man ist überrascht, mit welchem Anspruch Stadtplaner und Architekten wie Konrad Brauns, Wolfgang Urbanski, Rudolf Lasch und Michael Bräuer die Großsiedlungen geplant haben. Zwar wurden auch in Rostock vorwiegend Plattenbauten errichtet, doch erhielten sie meist verklinkerte Fassaden – ein Versuch, an die Tradition der norddeutschen Backsteinarchitektur anzuknüpfen. Zugleich experimentierte man mit allerlei Gebäudeformen abseits der üblichen Zeilen und Punkthäuser; mit gekrümmten Wohnblöcken und Terrassenhäusern ließen sich abwechslungsreiche Silhouetten bilden. Individuell entworfen wurden die „Wohnkomplexzentren“, wo es Kaufhallen, Gaststätten, Dienstleistungseinrichtungen, Bibliotheken und manchmal auch Kinos gab; über Rostock hinaus bekannt geworden sind die von Ulrich Müther entworfenen Hyparschalenkonstruktionen der Gaststätte „Kosmos“ in der Südstadt und der Mehrzweckhalle in Lütten Klein.
Der in Rostock tätige Kunstwissenschaftler Hermann Meuche engagierte sich für eine Zusammen­arbeit von Architekten, Landschaftsarchitekten und Künstlern. So entstanden u.a. künstlerische Giebel­gestaltungen von Reinhard Dietrich und Inge Jastram sowie großformatige Wandbilder von Ronald Paris, Plastiken und Brunnenanlagen. Für Schmarl entwickelte der Grafiker Gerd Lippmann ein einheitliches Informationssystem aus Emailleschildern für Hausnummern und Hinweisschilder. Eine besondere Herausforderung so nah an der Küste: der Wind. Seit den 70er Jahren versuchte man, die Wohnbereiche durch langgestreckte Blöcke vom Wind abzuschirmen. Bei der Planung von Schmarl und Groß Klein testete man die Baustrukturen sogar im Windkanal.
Zwar gab es nach 1990 auch in Rostocker Großsiedlungen Leerstand. Doch im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Städten verzichtete die Stadt auf umfangreiche Abrisse im Rahmen des „Stadtumbau Ost“-Programms. Stattdessen wurden Millionen in Aufwertungsmaßnahmen investiert. Der Erfolg scheint dieser Strategie Recht zu geben. Heute stehen in den Großsiedlungen der Hansestadt weniger als fünf Prozent der Wohnungen leer. Und mittlerweile gibt es erste Neubauprojekte. 

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