Museumsreif
Warum Verner Pantons Spiegel-Kantine jetzt in der Design-Sammlung des MKG Hamburg steht
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Museumsreif
Warum Verner Pantons Spiegel-Kantine jetzt in der Design-Sammlung des MKG Hamburg steht
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Die Innenausstattung des alten Spiegel-Verlagshauses ist nicht nur eine der umfassendsten Arbeiten von Verner Panton (1926–98), sondern auch eine der wenigen, die zumindest in Teilen erhalten ist.
Als das Hamburger Magazin 2011 in einen Neubau in der HafenCity umzog, landete die inzwischen denkmalgeschützte Redaktionskantine beim Museum für Kunst und Gewerbe (MKG). Dort ist sie nun als Teil der neu eröffneten Design-Sammlung zu sehen: ein eindrucksvolles Zeitdokument der späten 60er Jahre.
1969 bezog der Spiegel einen von Werner Kallmorgen am Hamburger Hafen errichteten Neubau. Verner Panton wurde beauftragte, die Innenräume des nüchternen 12-Geschossers an der Brandstwiete zu gestalten. Der dänische Architekt und Designer befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Karriere, hatte er doch das Verständnis von skandinavischem Design völlig verändert: Panton experimentierte mit den unterschiedlichsten Materialien, verwendete Kunststoffe für seine Möbel und Interieurs und entwickelte eine Farben- und Formenvielfalt, die mit natürlichen Materialien undenkbar war.
Beim Spiegel konnte Panton sich austoben. Er war neben dem Eingangsbereich mit Hof und Lobby, für die Kantine, den hauseigenen Pool sowie die Sitzungs- und Empfangsräume zuständig. Bis auf die Möbel, bei denen er auf Produkte der bereits beauftragten Firma Knoll zurückgreifen musste, verwendete er nur selbst Entworfenes: Stoffe, Teppiche, Wandverkleidungen und Leuchten, ganze Bündel der „Flowerpot“-Hängelampe zum Beispiel oder eben die quadratische „Spiegel-Leuchte“, die er in unzähligen Exemplaren großflächig zu illuminierten Wand- und Deckenverkleidungen addierte. Stoffbezogene, Pyramidenelemente an der Decke, Lampen aus Metall und Kunststoff, emaillierte Tischplatten, ein roter, ein orangefarbener und ein violetter Speiseraum – die Kantine beeindruckte mit einem grellen Material- und Form-Mix. Und weckte durchaus Assoziationen an eine Rotlichtbar. Im Verlagshochhaus ließ Panton die Etagen in unterschiedlichen Farben des Regenbogens streichen und Garderoben, Aschenbecher, Papierkörbe und Telefone entsprechend einfärben. Einige Ausstattungsdetails lagen nicht nur ästhetisch hart an der Schmerzgrenze. In der lediglich 2,70 Meter hohen Kantine hingen die Lampen so tief über den Tischen, dass die Spiegel-Mitarbeiter sich regelmäßig die Köpfe daran gestoßen haben sollen; außerdem entsprachen die Stoffe offenbar nicht den Hygienebestimmungen für die Gastronomie.
Mit Beginn der Ölkrise sank Verner Pantons Stern. „Jute statt Plastik“ wurde zum Slogan der folgenden Ära. Synthetische Materialien und knallige Farben gerieten aus der Mode, auch im Spiegel-Hochhaus: Eingangshof und Foyer ließ man in seriöser wirkendem grauschwarzem Granit einfassen, die Redaktionsflure einen nach dem anderen weiß streichen, die bunten Bodenbeläge durch dezentere Ware ersetzen. Pantons Ausstattung überdauerte lediglich in den Speisesälen und in der Snackbar.
Als beides 1998 renoviert werden sollte, forderte der Denkmalschutz, die Einrichtung originalgetreu wiederherzustellen; mit der zeitlichen Distanz wusste man Pantons Leistung wieder zu würdigen. So wurden Teppiche und Textilien nachgewebt und die Speiseräume vervollständigt. Die Spiegel-Kantine etablierte sich als Location für Werbespots und Musikvideos.
Pantons Stühle und Lampen sind gefragte Ikonen. Doch seine auf Gesamtwirkung konzipierten Raumgestaltungen – sei es eine kuschelige Wohnhöhle, sei es eine psychedelische Nachtbar – lassen sich kaum verändern, ohne dass sie ihre atmosphärische Dichte einbüßen. Daher war beim Spiegel von Anfang an klar, dass die Kantine nicht mit in die HafenCity umziehen würde. Dort richtete man eine neue „Snackbar à la Panton“ ein: eine dreigeschossige Lounge mit einem verkürzten Original-Tresen und einer ganzen Reihe von Spiegel-Leuchten, ergänzt durch locker im Raum verteilte Sessel aus der handelsüblichen Panton-Kollektion.
Den Rest der Kantineneinrichtung übergab der Spiegel dem Museum für Kunst und Gewerbe. Doch nur der orangefarbene Speisesaal und der Snackbar-Tresen samt Rückwandverkleidung waren im Original erhalten. Diese beiden Interieurs aus modularen Elementen – Wandpaneele, Deckenpyramiden, Lampen, Tische und Stühle – präsentiert das MKG jetzt als Raum-im-Raum-Installation. Mit der ursprünglichen Raumhöhe und einer geschosshohen Fensterfront, der Fassade im Kallmorgen-Bau vergleichbar, ist das ein weitgehend authentischer Aufbau – wenn man von der museumsimmanenten Absperrkordel absieht.
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