Bauwelt

Neu-, Re- und Dekonstruktion

Katharina Gaenssler in München

Text: Paul, Jochen, München

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Florian Holzherr

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Neu-, Re- und Dekonstruktion

Katharina Gaenssler in München

Text: Paul, Jochen, München

Katharina Gaenssler sagt, sie beginne ein Projekt nur, wenn sie von seiner „Notwendigkeit“ überzeugt sei; der vorgefundene Ort müsse durch seine Eigenheiten und seine Ausstrahlung faszinieren. Dem rückwärtigen, doppelt geschosshohen Ausstellungsraum der Galerie der DG ist das offenbar gelungen.
Unter den Künstlern ihrer Generation gibt es nicht viele, die eine ebenso unverwechselbare Arbeitsweise entwickelt haben wie die 1974 in München geborene Katharina Gaenssler – Thomas Demand
vielleicht, aber der ist zehn Jahre älter und (noch) ungleich bekannter. Gaensslers großformatig-raumgreifende Fotoinstallationen würden nicht etwa „das Wesen von Menschen oder Bauwerken mithilfe einer Kamera“ erkunden wollen, so Kurator Wolfgang Jean Stock bei der Vernissage ihrer Ausstellung in der Galerie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst (DG), sie seien vielmehr komplexe Auseinan­dersetzungen mit Räumen und Raumsituationen.
Die gelernte Silberschmiedin wandte sich erst während ihres Studiums an der Münchner Akade­mie der Bildenden Künste, von 1999 bis 2005, der Fotografie zu. Das – anfangs noch analoge – Me­dium nutzt Katharina Gaenssler seitdem für große Wandarbeiten, bei denen sie Raumaufnahmen mithilfe von Digitalkamera und Laserdrucker in fotografische Einzelbilder zerlegt und nach dem Prinzip der Collage neu zusammensetzt. Die aktuelle Ausstellung „Ephemer“ bietet zweierlei: zum einen eine erste Retrospektive von Gaensslers bislang 21 Arbeiten umfassendem Schaffen, zum anderen eine neue, speziell für den Ort entwickelte Wandinstallation.
Katharina Gaenssler sagt, sie beginne ein Projekt nur, wenn sie von seiner „Notwendigkeit“ überzeugt sei; der vorgefundene Ort – meist ein Intérieur – müsse durch seine Eigenheiten und seine Ausstrahlung faszinieren. Dem rückwärtigen, doppelt geschosshohen Ausstellungsraum der Galerie der DG ist das offenbar gelungen. Allerdings geht es bei der „Kathedrale des erotischen Elends“ genannten Installation nur bedingt um die Auseinanderset-
zung mit diesem Raum, sondern mit Kurt Schwitters’ Merzbau – um ganz genau zu sein: mit der Rekonstruktion des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Originals, die Peter Bissegger 1983 für Harald Szeemanns Ausstellung „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“ auf der Grundlage von drei Weitwinkelaufnahmen aus dem Jahr 1933 anfertigte und die sich heute im Museum Sprengel in Hannover befindet.
Deren „überbordende Fülle von Einzelheiten“ splitterte Gaenssler in 3271 DIN-A-4-querformatige Einzelfotos auf, die sie im Computer collagiert und anschließend in wochenlanger Handarbeit Blatt für Blatt und leicht überlappend mit Tapetenkleister auf die Wände des Ausstellungsraums aufgebracht hat. Die differenzierte Gestaltung und die durch wiederholte Standortwechsel filigran gebrochenen Perspektiven der Installation machen den Verlust an Materialität gegenüber dem Original mehr als wett: Katharina Gaensslers analog-digitale, kaleidoskop­artige Bildtapeten fragen nach dem Verhältnis von Detail und Ganzem, von (Re-)Konstruktion und Dekon­struktion und nicht zuletzt nach den Grundlagen der Wahrnehmung.

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