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Nur eine Bereicherung des Ideenhimmels über der Ruhr?

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Nur eine Bereicherung des Ideenhimmels über der Ruhr?

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Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf; Voß, Arnold, Herne

Der Autor und Herausgeber Frank Maier-Solgk sowie der Stadtplaner und Germiumsmitglied Arnold Voß über den Ideenwettbewerb "Zukunft Metropole Ruhr".
Nur eine Bereicherung des Ideenhimmels über der Ruhr?
Eine Metropole Ruhr auf einer Höhe mit Greater London und Grand Paris. Große Ambitionen hatte das Revier schon immer. Die Wirklichkeit bleibt – trotz mancher Erfolge in den vergan­genen Jahren – oft dahinter zurück. Heute liegen fünf der zehn ärmsten Städte Deutschlands im Revier, der Einwohnerschwund des Ruhrgebiets beträgt bis 2030 voraussichtlich 7,5 Prozent, und in Bochum macht Ende 2014 Opel dicht. Das Gesamtbild der Region ist eine polyzentrale Patchwork-Metropole: Kleingärten neben Fördertürmen, ausgedehnte Brachen neben begrünten Halden, oft überfüllte Autobahnen neben Straßen mit Kopfsteinpflaster. Ein Siedlungskon­glomerat, das mehrheitlich aus den 1960ern stammt, eine 440.000 Hektar große Zwischenstadt. Vier Zentren liegen an einer alten Handelsstraße, dem mittelalterlichen Hellweg, der von Ost nach West, von Dortmund über Bochum und Essen nach Duisburg führte – alte Städte, die sich ihre Unabhängigkeit nicht gern streitig machen lassen. So ergibt sich eine im Kirchturmdenken befangene Region, was sich auf dem Spielfeld in der Rivalität der Königsblauen und der Schwarz-Gelben äußert.
Es gibt zwei Landschaftsverbände, sechs Industrie- und Handelskammern und natürlich die 53 Städte und Kommunen. Nun also geht es mit der seit 2009 neuen Planungskompetenz des Regionalverbands Ruhr zurück zum Gemeinsamen: Ein neuer Regionalplan soll erstellt werden, angereichert mit den Ideen des hier besprochenen Wettbewerbs.
Ein Feuerwerk an Beteiligungsverfahren
Wie meist wenn im Revier weit gesteckte metropolitane Ziele formuliert werden mischen sich Hoffnung und Skepsis. Notwendigerweise ist der Ideenwettbewerb in ein Gesamtverfahren integriert, dessen Komplexität eher Befürchtungen weckt. Neben dem formalen Weg wurde zusätzlich ein ganzes Feuerwerk an informellen Verfahrensinstrumenten gezündet. Es gab eine Ideen-Sammel-Aktion, genannt „1000 Ruhrideen“, regelmäßig stattfindende öffentliche Großveranstaltungen, Fachdialoge zum „Gender-Mainstreaming“ und zur Chancengleichheit im Revier. Auch die bekannten Akteure sind auf den Plan getreten. Die Handelskammern melden Bedarf an Gewerbeflächen an, um eine „Deindustrialisierung“ zu verhindern; die Landwirtschaft wiederum sorgt sich um ihre Flächen. Und schließlich hat man aus dem Ideen­wett­bewerb und den bisherigen regionalen Diskussionen einen Katalog an „Perspektiven für die räumliche Entwicklung“ abgeleitet, der nicht weniger als rund 120 einzelne Ziele auf­listet. So ist man wieder auf bestem Weg in die Permanenz der Diskussionsrunden.
Ein derartiger Dauerzustand wäre angesichts der vielversprechenden Ergebnisse des Ideenwettbewerbs bedauerlich. Die Stärke der Vorschläge liegt in ihrer Verbindung von Ab­straktion und Konkretem. Projektbezogene Unternehmungen früherer Jahre wie der IBA Emscher Park könnten durch den Regionalplan so in die Fläche ausgeweitet werden – ohne sich dabei zu verzetteln, denn die Teams setzen mehrheitlich auf ein prozessorientiertes Planungsverständnis. Allen Ideen sehen vor, die  öffentliche Mobilität deutlich zu verbessern und  Wirtschaftszentren zu clustern. Angesichts der vielen Landwirtschaftsflächen im Ruhrgebiet erscheint auch die Einführung einer regionalen Nahrungsmittelproduktion zumindest strukturell interessant. Dazu passt der mehrmals angeführte Vorschlag eines Revier-weiten Flächenpools, in dem Interessenten, Kommunen und Eigentümer Brachen austauschen können. Auch Ideen, die sich auf ausgewählte Grünräume und -korridore konzentrieren, liefern notwendige Anstöße für die Landschaftsplanung. In der Tat sind es solche und andere Akzentsetzun- gen, die dem Revier bei der Suche nach einer neuen Basis helfen könnten.
Der Wettbewerb zeigt Wege für die Region auf. Ob sie mehr werden als eine Bereicherung des Ideenhimmels über der Ruhr, hängt von den Diskussionen in den kommenden zwei Jahren ab. Schon manches Vorhaben ist im Ruhrgebiet wieder zerredet worden. Frank Maier-Solgk
Das Ruhrgebiet steckt in der Sackgasse – und braucht radikale Ideen
Ich werde hier als Gremiumsmitglied kein Sondervotum zum Wettbewerb abgeben, sondern mich auf die Einschätzung der Lage des Ruhrgebiets und des Auslobers und damit auf die Rea­lisierungschancen der Wettbewerbsergebnisse, beschränken. Die Situation, in der dieser Wettbewerb stattgefunden hat, könnte nämlich für den Regionalverband Ruhr (RVR) kaum schwie­riger sein. Der RVR hat zwar nach vielen Jahren des politischen Ringens seine Planungskompetenz für den gesamten Ballungsraum wiederbekommen, seine Planungsressourcen sind heute jedoch so knapp wie noch nie. Viele Städte des Ruhrgebietes sind in einer wesentlich schlech­teren Lage als zu Zeiten des Vorgängerverbandes, dem Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, in den 1960ern.
Das Ruhrgebiet steckt in einer Sackgasse, in die es sich zum Großteil selbst hineinmanö­vriert hat. Denn trotz enormer Subventionen, die insgesamt fast alles sprengen, was je eine europäische Region vor der Eurokrise bekommen hat, ist es ihm bis heute weder im nationalen, geschweige denn im internationalen Rahmen gelungen, eine ökonomische Führungsrolle einzunehmen. Im Gegenteil: Die Wachstums­daten liegen immer weit unter dem Bundes- und Landesdurchschnitt. Es gibt und gab zwar einen Strukturwandel, aber er hat den Niedergang der Region bis heute nicht stoppen können. Stattdessen hat eine soziale und wirtschaftliche Spaltung zwischen dem Norden und dem Süden stattgefunden, die bedrohliche Ausmaße angenommen hat. Schrumpfung, Überalterung und Verarmung bilden mit dem Nord-Süd-Gefälle eine hochproblematische sozialräumliche Gemengelage, deren Basis auf Grund der massiv zunehmenden öffentlichen Verschuldung immer weiter erodiert. Gleichzeitig nehmen sowohl EU-Gelder, die Hilfsbereitschaft der prosperierenden Städte Nordrhein-Westfalens und die Städtebauförderung des Bundes weiter ab. Selbst beim Länderfinanzausgleich gibt es im­mer weniger Bereitschaft, den schwächeren Regionen zu helfen, sodass sich die Bürgermeister der Metropole Ruhr vor kurzem gezwungen sahen, mit dem RVR nach Berlin zu fahren, um sich direkt an die Bundesregierung zu wenden. Ein gemeinsamer, in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie da gewesener Hilfeschrei. Allerdings täuscht die Aktion einen gemeinsamen Willen vor, der nicht sehr stark ist. Im Gegenteil: In Ermangelung einer überregionalen Führungsrolle versuchen vor allem zwei der vier großen Städte, die in der zentralen Hellwegzone liegen, ihre regionale Leitungsfunktion sogar auszubauen: Dortmund und Essen. Die beiden Städte, die auch das Planungsbüro Speer und Partner 2010 in seinem Gutachten Projektskizze Ruhrplan 21 für die Landesregierung als die verbleibenden Entwicklungspole einer Schrumpfungs- und Reorganisationsstrategie des vor sich hin siechenden Ballungsraums benannt hat.
So unmissverständlich war den Verantwortlichen des Ruhrgebietes in den letzten Jahrzehnten noch nie aufgezeigt worden, dass es ein „Weiter-wie-Bisher“ nicht geben darf. Deswegen verschwand die aus der Privatwirtschaft finanzierte Auftragsarbeit auch sehr bald aus der öffentlichen Diskussion. Andererseits hatte das Speer-Gutachten auch keine überzeugende Entwicklungsidee für die Teile der Region, die keine Führungsrolle übernehmen sollten – insbesondere nicht für die verarmte Emscherzone. Es verwies aber gerade wegen dieser Defizite auf die Notwendigkeit, endlich eine Strategie für das gesamte Ruhr­gebiet zu entwickeln, die bisherige Master­pläne der Teilregionen zu integrieren vermag.
Es fehlt an einer kritischen Aufarbeitung der IBA Emscher Park
Der Ideenwettbewerb zur Zukunft der Metropole Ruhr war also längst überfällig. Vorgeschlagen wurde er bereits im Jahre 2004 von Christoph Zöpel, ehemaliger Landesminister und Initiator der IBA Emscher Park, im Rahmen einer der vielen Ruhrstadt-Debatten, die immer mal wieder über diesen Ballungsraum schwappt, aber bisher nie zu einer Städtevereinigung führte. Den Mut zur Durchführung eines Wettbewerbs hatten allerdings erst die jetzige Direktorin des RVR Karola Geiß-Netthöfel und ihr Planungs­dezer­nent Martin Tönnes. Der RVR war sogar bereit, die Auslobung so zu gestalten, dass radikalere, zumindest unkonventionelle Planungs- und Strategieansätze eine Chance haben sollten – wohl wissend, dass gerade diese das Veto der mächtigen Bürgermeisterinnen und Bürger­meister bei der Umsetzung auf den Plan rufen würden. Der Mut zu einer unabhängigen und kritischen Aufarbeitung der IBA Emscher Park wurde dagegen bis heute nicht aufgebracht. Sie wäre aber eine wichtige Voraussetzung für den Wettbewerb gewesen. Die Folgekosten der IBA schlagen immer größere Löcher in die Haushalte der betroffenen Städte und Kreise. Selbst einstige IBA-Fans stellen sich heute die Frage, ob weniger nicht mehr gewesen wäre. Ob das Ruhrgebiet nicht an zu wenig, sondern an zu viel Förderung gescheitert sein könnte und ob die immer neuen Programme und ihre mediale Inszenierung als Dekaden- und Leuchtturmprojekte nicht gerade einer Funktion dienten: vom nicht gelungenen Strukturwandel abzulenken.
Andererseits lernen Gesellschaften erst in der Zuspitzung einer Krise, sprich: nur unter allerhöchstem Druck. Der ist spätestens gegeben wenn die Zinsen wieder ansteigen und die Kassenkredite der meisten Ruhrgebietsstädte endgültig zum Mühlstein um den Hals der dort Verantwortlichen werden. Der Wettbewerb ist aus dieser Sicht also nicht zu spät, viel mehr genau zur richtigen Zeit gekommen. Das Ruhrgebiet  braucht gerade jetzt radikale Ideen – und Politiker, die diese konsequent umsetzen. Arnold Voß

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