Offene Wunde
Gedenkstätten im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utøya
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Offene Wunde
Gedenkstätten im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utøya
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Vor zweieinhalb Jahren erlebte Norwegen die schlimmsten Anschläge in seiner Geschichte. Die Regierung will nun den Opfern mit drei Mahnmalen gedenken.
Am Nachmittag des 22. Juli 2011 starben acht Menschen durch die Explosion einer Bombe im Osloer Regierungsviertel, 69 weitere beim anschließenden Amoklauf des Täters auf der Insel Utøya. Überlebende und Angehörige sind traumatisiert. 30 Prozent der Eltern der Opfer leiden unter Depressionen. Jeder vierte Norweger kennt laut einer Studie einen Menschen, der von den Anschlägen unmittelbar betroffen war. Gegen die spürbare Verletzung sucht Norwegens Politik noch nach der richtigen, zeitnahen Antwort.
Bereits zum 22. Juli 2015 will die Regierung zwei Gedenkstätten errichtet haben: ein Mahnmal auf einer Landzunge, die vom Festland in den Tyri- fjord reicht, mit Blick auf die 500 Meter dahinter liegende Insel Utøya, und eine temporäre Gedenkstätte auf einer Rasenfläche im Regierungsviertel, südlich der Deichmanske Bibliothek. Vor dem 17-geschossigen H-Block, an dessen Ostseite die Bombe in einem geparkten Lieferwagen detonierte, ist ab 2020 eine permanente Anlage geplant, die Teile der temporären übernehmen soll. Beim Entwerfen dieser drei Gedenkstätten taten sich die über 300 Teilnehmer eines offenen Wettbewerbs sichtbar schwer damit, nicht ins Banale oder Kitschige zu verfallen. Unter den acht Finalisten kursierten Ideen wie der „Pfad der Liebe“, ein Wanderweg mit Metallgeländer, in das die Namen der Opfer graviert sind, oder ein Hügel aus Bronze, der sich bei Berührung erhitzt, um den trauernden Besuchern „Wärme“ zu geben. Die Jury (Vorsitz: Jørn Mortensen) entschied sich schließlich für das klare Konzept des Schweden Jonas Dahlberg.
Geteiltes Land, geteiltes Leid
Der Künstler schlägt vor, mit Seilsägen ein Stück aus der Spitze der Landzunge zu schneiden, was eine „offene Wunde“ hinterließe, und die rund 1000 Kubikmeter Gestein und Gestrüpp im Regierungsviertel als temporäre Gedenkstätte aufzuschütten. Vor die- ser Erhebung, in deren konvexer Außenwand die Namen der Opfer graviert werden sollen, verläuft im Halbkreis ein Gang mit Sitztreppen. Hinter die Stufen würden die mit dem Einschnitt „mitgelieferten“ Bäume gepflanzt. 2020 soll die Landmasse auf den Platz für die permanente Anlage verlagert und in ähnlicher Form ausgebaut werden. Dahlberg richtet die Stätte auf den H-Block aus – bis zum Anschlag Sitz des Premierministers. Die von Erling Viksjø entworfene Hochhausscheibe steht seither zur Disposition (Bauwelt 25.2012). Über ihre und die Zukunft anderer Regierungsbauten soll dieses Frühjahr ein Gutachten entscheiden. Spätestens 2015 folgt ein Wettbewerb zur Neugestaltung des gesamten Quartiers.
Ebenfalls ungeklärt: der Umgang mit Utøya. Die Jugendorganisation der Arbeiterpartei will ihre Insel wieder für Veranstaltungen nutzen. Überlebende und Angehörige fordern jedoch, sie so zu belassen, wie sie ist, als weiteres, natürliches Mahnmal.
Offener, zweiphasiger Wettbewerb
Preis Jonas Dahlberg, Stockholm
Finalisten Jeremy Deller, London; Vogt Landscape, London | Estudio SIC, Madrid | Goksøyr & Martens, Oslo; Snøhetta, Oslo | Olav Christopher Jenssen, Berlin; LPO architects, Oslo | Haugen Zohar Arkitekter, Oslo | Paul Murdoch Architects, Beverly Hills | NLÉ, Amsterdam/Lagos
Finalisten Jeremy Deller, London; Vogt Landscape, London | Estudio SIC, Madrid | Goksøyr & Martens, Oslo; Snøhetta, Oslo | Olav Christopher Jenssen, Berlin; LPO architects, Oslo | Haugen Zohar Arkitekter, Oslo | Paul Murdoch Architects, Beverly Hills | NLÉ, Amsterdam/Lagos
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