Rückblick auf die orgatec 2010
Im Großraum-Dilemma
Text: Jouhar, Jasmin, Berlin
Rückblick auf die orgatec 2010
Im Großraum-Dilemma
Text: Jouhar, Jasmin, Berlin
Statt uniformen Hallen sollten Büros eher urbanen Räumen gleichen, mit Zonen unterschiedlicher Dichte und Offenheit, mit Treffpunkten und Rückzugsbereichen. Für den Anfang helfen auch ein paar Ohrensessel in der Mittelzone, um das Arbeitsklima zu verbessern.
Das Großraumbüro mag für viele nicht der bevorzugte Arbeitsplatz sein – allein, es hilft nichts, noch immer glauben Unternehmen, dass verdichtete Arbeitsplätze im offenen Raum günstiger kommen als Einzel- und Zweierbüros. Außerdem funktionieren zeitgenössische Arbeitsformen wie Desk-Sharing oder Team- und Projektarbeit im Großraum besser: Nur wer sich sieht, tauscht sich aus. Aber wer sich sieht, kann sich meist auch hören, und da beginnen die Schwierigkeiten. Mitarbeiter in Großraumbüros fühlen sich von der Geräuschkulisse gestört, beklagen Unruhe durch umherlaufende Kollegen und vermissen Privatsphäre. Die richtige Planung kann manches mildern; statt uniformen Hallen sollten Büros eher urbanen Räumen gleichen, mit Zonen unterschiedlicher Dichte und Offenheit, mit Treffpunkten und Rückzugsbereichen. Für den Anfang helfen auch ein paar Ohrensessel in der Mittelzone, um das Arbeitsklima zu verbessern – das zumindest legte ein Rundgang über die diesjährige Ausgabe der Büro- und Objektausstattungsmesse Orgatec in Köln nahe. Allenthalben waren Sofas mit hohen Lehnen, kuschelige Arbeitskabinen, Raumteiler oder Telefonzellen zu sehen. Und im Gegensatz zur schwarz-weiß-grauen Welt der Bürostühle und Schreibtische darf es hier auch gern ein bisschen farbig sein.
Nischendasein | Schon vor einigen Jahren tauchten die ersten Sitzmöbel mit Rückzugsqualitäten auf, etwa das „Alcove Highback Sofa“ von Vitra, entworfen von Ronan und Erwan Bouroullec. Mit ihren hochgezogenen Lehnen und dicken Polstern bilden die Sofas kleine, schützende Nischen für diskrete Unterredungen oder ungestörte Lektüre. Zwei davon gegenübergestellt funktionieren als Raum im Raum, akustisch isoliert und kaum einzusehen. Ein offenbar erfolgreiches Konzept, hatten zur Orgatec 2010 doch zahlreiche Hersteller eigene Versionen der Rückzugsmöbel mitgebracht. Beispielsweise das deutsche Unternehmen Cor, dessen Neuheit „Scope“ das Nischen-Prinzip mit einem modularen Aufbau verbindet und so zu unterschiedlichen Raumsituationen kombiniert werden kann.
Gemeinschaftszellen | Die entgegengesetzte Richtung zur Lösung des Großraum-Dilemmas schlägt Vitra mit „Communal Cells“ ein. Die ebenfalls von den Bouroullec-Brüdern entwickelten Boxen sollen Unruheherde wie Kaffeeküchen, Garderoben, Druckerstationen oder Besprechungsbereiche abschotten, damit Lärm gar nicht erst zum Problem werden kann. Die schallgedämpften Zellen kehren das eigentlich überholte Isolationsprinzip der Cubicles amerikanischer Herkunft um, in denen der einzelnen Angestellte mit seinem Schreibtisch gänzlich verschwindet. In den Gemeinschaftszellen von Vitra können allerdings auch Stillarbeitsplätze untergebracht werden – jedoch nur für den vorübergehen- den Rückzug. Schließlich ist Austausch heute oberste Mitarbeiterpflicht.
Telefonhäuschen | Zu guter Letzt feierte die Orgatec die Rückkehr des Telefonhäuschens – ins Büro. Dank Schnurlosem und Mobiltelefon fernsprechen wir, wo immer wir wollen. Am Arbeitsplatz am besten aber ungestört und ohne die Kollegen zu stören. Der Hersteller Bene möchte deshalb ein mit farbigem Filz überzogenes „Phonebooth“ im Büro aufstellen – nur folgerichtig, wenn man das Open Office als urbanes Szenario begreifen will. Gleich zwei Hersteller, Prooff und Buzzispace, zeigten die ebenfalls von öffentlichen Orten bekannten, auf eine Haube reduzierten Telefonzellen – nur ohne Apparat, den bringen wir ja mit.
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