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Freiraumgestaltung in der Regensburger Altstadt
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
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Freiraumgestaltung in der Regensburger Altstadt
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Regensburg erhält ein neues Museum – das Museum der Bayerischen Geschichte (Heft 21.2013). Nun soll auch die dorthin führende Verkehrsachse der Altstadt auf ein passantenfreundliches Maß gestutzt werden.
Im Osten des UNESCO-Welterbes Regensburger Altstadt etabliert sich ein veritables Museumsquartier. Das historische Museum im ehemaligen Minoritenkloster, die Städtische Galerie Leerer Beutel, das Diözesanmuseum sowie das Domschatzmuseum und, über der Donau, das Schifffahrtsmuseum sollen mit dem Museum der Bayerischen Geschichte (MdBG) nach Plänen des Frankfurter Büros wörner traxler richter bis 2018 ergänzt werden. Einer funktionierenden Museumslandschaft steht jedoch jene unwirtliche Achse im Weg, die von der Eisernen Brücke über den Hunnenplatz und die Adolf-Kolping-Straße bis zum Schwanenplatz und weiter bis zur D.-Martin-Luther-Straße führt.
Bis zu 16.000 Autos rattern jeden Tag über diese in den 60er Jahren brutal in den Stadtgrundriss geschlagene Schneise. Hinzu kommt der öffentliche Busverkehr. Richtung Süden fahren die Autos unter dem Kolping-Haus, einem 50er-Jahre-Wohnhaus für Auszubildende, hindurch. In der Gegenrichtung müssen die PKWs auf die östliche Kallmünzer- und die Ostengasse ausweichen. Zwar soll künftig die Belastung auf 10.000 Fahrzeuge pro Tag reduziert werden und die Adolf-Kolping-Straße den Verkehr in beide Richtungen aufnehmen, die Bedeutung für den ÖPNV wird – weil in der engen Altstadt für Gelenkbusse keine andere Durchfahrt möglich ist – aber bleiben. Andererseits will die Stadtplanung die Gelegenheit des Muesumsneubaus nutzen, um vor dessen Türen die Qualität des öffentlichen Raumes zu verbessern. Mit dem MdBG werden mehr Fußgänger erwartet, außerdem soll das Museum einen Vorplatz erhalten, der Fahrradverkehr erleichtert und am südlichen Schwanenplatz eine Haltestation für Reisebusse errichtet werden.
Im April lobte die Stadt einen Wettbewerb für Landschafts- und Hochbauarchitekten nach einem vorgeschalteten VOF-Auswahlverfahren aus. Wegen der hohen Anforderungen und bindender Vorgaben, die die Auslobung mit „aus Platzgründen nicht realisierbar“ oder „aufgrund der Vielzahl räumlicher Zwangspunkte“ und unter auffällig häufiger Verwendung des Wortes „muss“ umschrieb, wurde den Teilnehmern die Hinzuziehung eines Verkehrsplaners „dringend“ empfohlen. Ob sie diesem Rat nun folgten oder nicht – viele der teilweise prominenten Teilnehmer versuchten, etwa mit durchgehendem Pflaster, den Verkehr zu regulieren.
„Die verkehrlichen Notwendigkeiten werden auf allen Ebenen gut erfasst,“ urteilte die Jury (Vorsitz: Ulrich Holzscheiter) über die Arbeit von TDB Landschaftsarchitektur, die den 1. Preis erhielt. Der Entwurf würde Hunnen- und Schwanenplatz „richtigerweise“ als zwei Stadträume definieren, die mit „unaufgeregten“ Belägen aus Granit verknüpft werden. Die Fahrbahnen legt das Berliner Büro wie Intarsien zwischen die Platzflächen in den Asphalt. Bemerkenswert ist auch, dass die Arbeit auf den historischen Stadtgrundriss zurückgreift, um den Raumbedarf einer autofreundlichen Gegenwart einzudämmen – etwa in der Kallmünzer- und der Ostengasse. Wegen der „räumlich unbefriedigenden Situation“, so die Auslobung, sollten die Teilnehmer einen ergänzenden Neubau mit „angemessener Baumasse“ an die Schnittstelle der Gassen setzen. TDB schlug hier einen tiefen Baukörper vor, der nicht nur historische Baukanten, sondern auch einen ansprechenden Stadtraum reaktivieren könnte – belebt mit bestehender und neuer Gastronomie.
Das „gestalterische Understatement“, das die Jury an dem Entwurf von TDB mit nüchternen Worten lobte, lässt sich auch im Entwurf der beiden Berliner Büros Lützow 7 und Lorenzen Architekten (2. Preis) finden. An ihm schätzte das Preisgericht die „angemessen einfache und selbstverständliche Einordnung in den vorgefundenen und geplanten städtebaulichen Ort“. Auffällig ist das vorgeschlagene Lichtkunst-Konzept für die Unterführung des Kolping-Hauses, das unabhängig davon, welcher Entwurf zur Realisierung kommt, weitergedacht werden sollte. Und das Berliner Team verdeckte – wie auch die Landschaftsarchitekten von TDB, aber anders als viele Teilnehmer – die Reste einer ehemaligen Römermauer nicht mit einer „ahistorischen“ Baumreihe. Umso ärgerlicher sind die Defizite der Arbeit – Bäume über einer Kanaltrasse, zu viel Raum für den Verkehr am Hunnenplatz – die, so lässt das Protokoll vermuten, den Ausschlag gaben, dass sich die Jury für den Entwurf von TDB entschied.
Eine Unsitte fällt allerdings auch bei diesem Verfahren auf: Nach dem Wettbewerb soll noch ein weiteres VOF-Verfahren mit den Preisträgern folgen.
Begrenzt offener Realisierungswettbewerb
1. Preis | TDB Landschaftsarchitektur, Berlin | 2. Preis | Lützow 7, Berlin; Lorenzen Architekten, Berlin | zwei 4. Preise | Rainer Heinz Architektur, Rosenheim; Tobias Frauscher Landschaftsarchitektur, München | lohrer.hochrein, München | drei Anerkennungen | Wamsler Rohloff Wirzmüller, Regensburg | Terra.Nova Landschaftsarchitektur, München | JOMA Landschaftsarchitektur, Bamberg
1. Preis | TDB Landschaftsarchitektur, Berlin | 2. Preis | Lützow 7, Berlin; Lorenzen Architekten, Berlin | zwei 4. Preise | Rainer Heinz Architektur, Rosenheim; Tobias Frauscher Landschaftsarchitektur, München | lohrer.hochrein, München | drei Anerkennungen | Wamsler Rohloff Wirzmüller, Regensburg | Terra.Nova Landschaftsarchitektur, München | JOMA Landschaftsarchitektur, Bamberg
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