Schriftgestalten
Erik Spiekermann im Bauhaus-Archiv in Berlin
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Schriftgestalten
Erik Spiekermann im Bauhaus-Archiv in Berlin
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Seinen Berufsstand sieht Schriftgestalter Erik Spiekermann nicht in Gefahr: Der viel beklagten Lesemüdigkeit stünde die Explosion in der elektronischen Welt gegenüber, die ohne Schrift nichts wäre.
Wer liest, kommt an Erik Spiekermann nicht vorbei: Für große Softwareunternehmen wie Apple und Adobe hat er eigene Schriften entwickelt, für die Deutsche Bahn die Schriftfamilie DB Type, ein stilisiertes Brandenburger Tor in Rot als Logo für die Hauptstadt. Die erste Ausstellung im Berliner Bauhaus Archiv über die Arbeit des 63-jährigen Gestalters ist folgerichtig auch weniger eine persönliche Würdigung als eine Aufklärung darüber, wie Schrift entsteht und welche Intentionen ihr innewohnen.
Das Streben nach Normalität, also zweckbetont und eindeutig zu sein ohne viel Aufhebens zu machen, charakterisiert Spiekermanns Herangehensweise. Standard-Schriften wie die Arial, die Computerprogrammen kostenlos beigefügt sind, empfindet er als Umweltverschmutzung. Sein „libidinöses Verhältnis“ zu Schriftzeichen hat seinen Ursprung in Spiekermanns Anfangsjahren in den 60ern, als noch mit Bleisatz gearbeitet wurde. „Beim Bleisatz geht viel Aufwand in den Zusammenbau der Zwischenräume, die zwar nicht mitgedruckt werden, aber aus demselben Material wie die Buchstaben und Bilder gebaut werden müssen“, erläutert er. „Auch wenn sie unsichtbar bleiben, geben die Zwischenräume dem sichtbar Gedruckten ihren Willen mit.“
Mit seinen Erfahrungen in der Schriftgestaltung zog Spiekermann 1973 nach London, wo er am College of Printing lehrte und bei Designunternehmen deutsche Kunden wie Audi und die Bank für Gemeinwirtschaft betreute. Vor diesem Hintergrund gründete er 1979 zusammen mit drei Partnern MetaDesign in Berlin, die als erste deutsche Agentur komplexe Erscheinungsbilder für Firmen entwickelte. 2001 stieg Spiekermann bei MetaDesign aus, heute firmiert er mit einer Amsterdamer Agentur als EdenSpiekermann.
In den vergangenen zehn Jahren gab er traditionsreichen Zeitschriften einen neuen Auftritt, The Economist gehört dazu – und die Bauwelt, die seit Herbst 2006 ihr von Spiekermann konzipiertes Erscheinungsbild trägt. Dass Spiekermann 1989 den FontShop (mit)gegründet hat, die inzwischen bedeutendste Datenbank, in der Schriften abgerufen werden können, dass er seit 1995 mit der TYPO Berlin ein jährliches Forum für Typografen organisiert, dass er mit unzähligen Preisen und in diesem Jahr dem Designpreis der Bundesrepublik für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, ist für ihn Geschichte. Er schaut in die Gegenwart. Seinen Berufsstand sieht Spiekermann dabei nicht in Gefahr: Der viel beklagten Lesemüdigkeit stünde die Explosion in der elektronischen Welt gegenüber, die ohne Schrift nichts wäre.
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