Shared Space (nicht) in Deutschland
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Shared Space (nicht) in Deutschland
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Wenn wir es mit dem Umbau unserer Städte wirklich ernst meinen, wenn diese Städte in der Zukunft CO2-neutral sein sollen, angepasst an den demografischen, gesellschaftlichen und sozialen Wandel, dann müssen wir über den öffentlichen Raum und dessen Umbau neu nachdenken.
Die Mobilität in der Stadt wird künftig von einer Mischung aus langsamen und schnellen Bewegungen geprägt sein, mit ganz unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern und -mitteln im selben Raum. Die Rolle des Autos wird abnehmen, die Bedeutung der Geschwindigkeit wird sich verändern. Nicht mehr schneller und weiter weg, sondern langsamer und nicht so weit fahren. Nicht mit dem Auto oder der Schnellbahn, sondern zu Fuß und mit dem Fahrrad werden sich die Menschen in Zukunft in der Stadt bewegen.
Die typisch deutsche Antwort auf diese Herausforderung lautet: „Das müssen wir organisieren und dann verordnen.“ Aber genau das klappt nicht, das Gegenteil führt zum Erfolg – unorganisiert und nicht verordnet, im Shared Space liegt eine Lösung, die so gar nicht zu den vermeintlich deutschen Tugenden zu passen scheint. Deshalb kommt die Idee ja auch aus Holland. Verkürzt ist ein Shared Space der sich selbst erklärende Raum. In ihm weiß jeder, egal ob Fußgänger, Auto- oder Radfahrer, wie er sich verhalten muss, um anderen nicht zu schaden oder sich nicht selbst zu gefährden. Drei Paradigmen legt Sabine Lutz, Wahl-Holländerin und ehemalige Kollegin von Hans Monderman, der das System populär gemacht hat, dabei zugrunde: Da ist zum einen die Umgebung, die durch ihre bauliche und landschaftliche Gestaltung erkennen lässt, dass man sich unter Menschen befindet; da ist der psychologische Aspekt, wonach weniger Regeln Unsicherheit erzeugen, was wiederum mehr Eigenverantwortung verlangt, die zu mehr Sicherheit führt; und da ist schließlich die Partizipation der Planer, Politiker und Bürger bei der Entstehung solcher Shared-Space-Projekte.
Deutschland immobil
Deutschland liegt in dieser Disziplin weit zurück. Bei zwei anderen großen Herausforderungen unserer Zeit, Energie und Demographie, haben Architekten, Ingenieure, Planer, Soziologen und andere längst Modelle entwickelt, die zukunftsfähig sein sollen und nun ausprobiert werden. So beispielsweise das „Effizienzhaus-Plus“, welches vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert wird.
Beim öffentlichen Raum sieht das Engagement anders aus, geradezu armselig. Es gibt kaum großmaßstäbliche Beispiele, und sie werden hierzulande kaum theoretisch diskutiert. Nicht mal angestoßen wird diese Diskussion. Dabei bekäme hier endlich einmal die Jahre zurückliegende Zusammenlegung des Bau- und Verkehrsministeriums inhaltlich Sinn. Der gemeinsam genutzte öffentliche Raum ist ein Verkehrs- und Städtebau-Thema.
In kleinen Kommunen funktioniert Shared Space ganz gut. Das deutsche Vorzeigeproket ist Bohmte, 13.570 Einwohner, so oft zitiert, dass wir es hier nicht vorstellen. Bezeichnenderweise liegt Bohmte nur hundert Kilometer von der holländischen Grenze entfernt. Holland war auch die Heimat von Hans Monderman, der das Expertenteam des 2004 für sieben Gemeinden initiierten EU-Projektes „Shared Space“ leitete. In Bohmte hat man, verkürzt gesagt, im Jahr 2005 die Bürger befragt, hat sich gute Beispiele in Holland angesehen und drei Jahre später die Verkehrsschilder abgeschraubt. Das Ganze ging einher mit der Aufwertung des Ortskerns. Und es funktioniert. Hans Monderman hat die Anfänge noch erlebt, er starb 2008.
Auch für Hamburg, ca. 1,8 Millionen Einwohner, war unter der Ägide der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013, ein Shared Space geplant. Im Rahmen des Schulprojektes „Tor zu Welt“ sollte die „Architektur der dritte Pädagoge“ werden, so zu lesen in der Zwischenbilanz von 2009. Zum Shared Space wäre ein Schulhof geworden, durchkreuzt von einer kleineren Straße, der Krieterstraße, ganz ohne Ampeln, Verkehrsschilder, Bürgersteige, Zebrastreifen oder Poller, ohne Schülerlotsen oder verordnete Regeln. So ist es nicht gekommen. Schuld war die rechtliche Situation, die besonders im Bereich Schule schwierig ist. An einem „runden Tisch“ einigte man sich auf eine andere Lösung. Die Straße liegt nun im obligatorischen Tiefboard, Möblierungen halten Fußgänger von ihr fern. Also kein ungeteilter, gleichberechtigter, gemeinsamer öffentlicher Raum.
Was Deutschland nicht gelingt, schaffen andere. Es folgen Projekte aus London und Barcelona und zuvor zwei kontroverse Statements zur Zukunft des öffentlichen Raums.
Die typisch deutsche Antwort auf diese Herausforderung lautet: „Das müssen wir organisieren und dann verordnen.“ Aber genau das klappt nicht, das Gegenteil führt zum Erfolg – unorganisiert und nicht verordnet, im Shared Space liegt eine Lösung, die so gar nicht zu den vermeintlich deutschen Tugenden zu passen scheint. Deshalb kommt die Idee ja auch aus Holland. Verkürzt ist ein Shared Space der sich selbst erklärende Raum. In ihm weiß jeder, egal ob Fußgänger, Auto- oder Radfahrer, wie er sich verhalten muss, um anderen nicht zu schaden oder sich nicht selbst zu gefährden. Drei Paradigmen legt Sabine Lutz, Wahl-Holländerin und ehemalige Kollegin von Hans Monderman, der das System populär gemacht hat, dabei zugrunde: Da ist zum einen die Umgebung, die durch ihre bauliche und landschaftliche Gestaltung erkennen lässt, dass man sich unter Menschen befindet; da ist der psychologische Aspekt, wonach weniger Regeln Unsicherheit erzeugen, was wiederum mehr Eigenverantwortung verlangt, die zu mehr Sicherheit führt; und da ist schließlich die Partizipation der Planer, Politiker und Bürger bei der Entstehung solcher Shared-Space-Projekte.
Deutschland immobil
Deutschland liegt in dieser Disziplin weit zurück. Bei zwei anderen großen Herausforderungen unserer Zeit, Energie und Demographie, haben Architekten, Ingenieure, Planer, Soziologen und andere längst Modelle entwickelt, die zukunftsfähig sein sollen und nun ausprobiert werden. So beispielsweise das „Effizienzhaus-Plus“, welches vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert wird.
Beim öffentlichen Raum sieht das Engagement anders aus, geradezu armselig. Es gibt kaum großmaßstäbliche Beispiele, und sie werden hierzulande kaum theoretisch diskutiert. Nicht mal angestoßen wird diese Diskussion. Dabei bekäme hier endlich einmal die Jahre zurückliegende Zusammenlegung des Bau- und Verkehrsministeriums inhaltlich Sinn. Der gemeinsam genutzte öffentliche Raum ist ein Verkehrs- und Städtebau-Thema.
In kleinen Kommunen funktioniert Shared Space ganz gut. Das deutsche Vorzeigeproket ist Bohmte, 13.570 Einwohner, so oft zitiert, dass wir es hier nicht vorstellen. Bezeichnenderweise liegt Bohmte nur hundert Kilometer von der holländischen Grenze entfernt. Holland war auch die Heimat von Hans Monderman, der das Expertenteam des 2004 für sieben Gemeinden initiierten EU-Projektes „Shared Space“ leitete. In Bohmte hat man, verkürzt gesagt, im Jahr 2005 die Bürger befragt, hat sich gute Beispiele in Holland angesehen und drei Jahre später die Verkehrsschilder abgeschraubt. Das Ganze ging einher mit der Aufwertung des Ortskerns. Und es funktioniert. Hans Monderman hat die Anfänge noch erlebt, er starb 2008.
Auch für Hamburg, ca. 1,8 Millionen Einwohner, war unter der Ägide der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013, ein Shared Space geplant. Im Rahmen des Schulprojektes „Tor zu Welt“ sollte die „Architektur der dritte Pädagoge“ werden, so zu lesen in der Zwischenbilanz von 2009. Zum Shared Space wäre ein Schulhof geworden, durchkreuzt von einer kleineren Straße, der Krieterstraße, ganz ohne Ampeln, Verkehrsschilder, Bürgersteige, Zebrastreifen oder Poller, ohne Schülerlotsen oder verordnete Regeln. So ist es nicht gekommen. Schuld war die rechtliche Situation, die besonders im Bereich Schule schwierig ist. An einem „runden Tisch“ einigte man sich auf eine andere Lösung. Die Straße liegt nun im obligatorischen Tiefboard, Möblierungen halten Fußgänger von ihr fern. Also kein ungeteilter, gleichberechtigter, gemeinsamer öffentlicher Raum.
Was Deutschland nicht gelingt, schaffen andere. Es folgen Projekte aus London und Barcelona und zuvor zwei kontroverse Statements zur Zukunft des öffentlichen Raums.
0 Kommentare