Shopping- und Erlebniszentrum VOLT Berlin
Die volle Ladung Lifestyle
Text: Gräwe, Christina, Berlin
Shopping- und Erlebniszentrum VOLT Berlin
Die volle Ladung Lifestyle
Text: Gräwe, Christina, Berlin
In der Berliner Mitte, nicht weit vom Alexanderplatz, ist mal wieder ein Einkaufszentrum geplant. Diesmal soll es aber anders werden: wilder, greller, schräger. Die „Shopping- und Erlebnisimmobilie“ der Zukunft?
„Alexa“ – „Alea 101“ – „VOLT Berlin“: Wenige Schritte südlich vom Alexanderplatz soll demnächst die dritte Shopping-Mall dieser Gegend die Achse zwischen dem Platz und der Spree fortführen. Gleich neben dem grobschlächtigen Alexa kündigen ein Immobilienentwickler und ein Spezialist für Freizeitarchitektur in schönstem Marketingsprech eine „Multibrand Shopping- und Erlebnisimmobilie“ mit rund 60 Shops auf 9500 Quadratmeter Verkaufsfläche an. „VOLT Berlin“ – der energiegeladene Name ist Programm, und das ist auf eine „spontane, lifestylebewusste und erlebnisorientierte Zielgruppe“ zugeschnitten. Die Bauherren, TKN Real Estate Solutions AG aus Aschheim und Jochen Schweizer Projects aus München, hatten zu einem Wettbewerb (Betreuer: Keller, Elles & Kollegen, Berlin) in kleinem Kreis geladen, so ausgesucht, dass man von einem Wettbewerb eigentlich nicht recht sprechen mag. Die Jury unter Vorsitz von Amandus Sattler vergab den ersten Preis an das Berliner Büro Jürgen Mayer H., auf Rang zwei und drei folgen kadawittfeldarchitektur aus Aachen und Sauerbruch Hutton aus Berlin.
Das VOLT Berlin soll eine breite Mischung aus Markenläden, Pop-up-Stores, Gastronomie sowie einem Hotel aufnehmen. Blickfang und Magnet zugleich für das jung-dynamische Publikum sollen jedoch zwei sportliche Attraktionen sein: ein zehn bis 15 Meter großes Becken, in dem eine Surfwelle schwappt und ein Windkanal, in dem ein 280-Stundenkilometer-Luftstrom die Besucher in die Höhe trägt. Dieser Eventcharakter ist es, der die neue Mall von bisherigen unterscheiden soll – kaufen können wird man hier das Gleiche wie nebenan. Die Wünsche der Auftraggeber scheinen klar formuliert gewesen zu sein, denn die Vorschläge der drei Preisträger zeigen einige Parallelen. Ein kompaktes Volumen gliedert sich in mehr oder weniger horizontale Schichten und lässt viel Raum für Werbung, seien es Aufdrucke oder der Blick auf die Aktivitäten im Haus. Die Innenräume wirken fließend und sind über mehrere Geschosse durchlässig für Sichtachsen. Kein geruhsamer Bummel ist hier geplant, sondern ein ständiges Neugierigmachen auf die nächste Attraktion. Ein Hotel sitzt, vom Trubel abgeschirmt, jeweils im obersten Geschoss der drei Entwürfe.
Der zweite Blick verrät dann die individuellen Wege, die die Architekten einschlagen, um den Erlebnischarakter Architektur werden zu lassen. Jürgen Mayer H. stapelt scheinbar zufällig vor- und zurückspringende Würfel aufeinander. Dazwischen bleibt, ungefähr auf der Höhe der zweiten Etage, eine Glasfuge frei, die die Architekten als „Spannungsriss“ bezeichnen. Das Hotelgeschoss nimmt die Würfeloptik in gemäßigterem Tempo wieder auf. Den Blick auf die Grundrisse gewähren die Bauherren der Presse wie der Öffentlichkeit noch nicht, aber auf den Visualisierungen der Innenräume setzt sich das Aufgeregte und zugleich Lässige des äußeren Eindrucks fort. Hier ist man mit dem Surfbrett unterm Arm und im Bikini unterwegs, wie in München zum berühmten Wellen-Vorbild, dem Eisbach im Englischen Garten.
Lässt das Barbie-Haus vergessen, das Alexa erröten
Kadawittfeld entwickeln einen Gegenentwurf zu herkömmlichen introvertierten Einkaufszentren und den meist vertikal gegliederten Fassaden der Nachbarbebauung. Sie schichten helle, aluminiumverkleidete Bänder und Glasstreifen übereinander. Das Leitmotiv, vom Haupteingang bis ins oberste Erlebnis-Geschoss, sind Freitreppen mit Sitzstufen; wie „heruntergeklappte Tribünen“ halten sie die Besucher über alle öffentlichen Ebenen hinweg in Bewegung. Die Idee der Offenheit setzen die Architekten im Außenraum fort, indem sie einen durchgängigen Bodenbelag vom Erdgeschoss über den Vorplatz hinaus bis ans Spreeufer vorschlagen: ein Shared Space für Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrer.
Sauerbruch Hutton, die derzeit am Alexanderplatz noch das Alea 101 bauen, das nach Bauverzögerungen nun im Sommer 2014 eröffnet werden soll und sympathisch an aufeinandergestapelte Schiffscontainer erinnert, liefern den nach außen ruhigsten Entwurf. Man erkennt die Boxen-Optik des Alea 101 – diesmal in hellerer Ausführung – wieder. Auch Sauerbruch Hutton setzen mittig, wie Jürgen Mayer H., eine breite gläserne Fuge. Im Inneren sorgen kreisförmige Deckenausschnitte für ein luftiges Atrium über mehrere Etagen. Das Hotel auf dem Dach behandeln die Architekten wie Pavillons in einer Landschaft; durch einen sägezahnartigen Grundriss des Gebäudes erhalten auch die Zimmer tief drinnen in den Garteneinschnitten viel Licht.
Man darf schon fragen, ob die Shopping-Mall-Dichte rund um den Alexanderplatz tatsächlich weiter wachsen und mit kurzlebigen Events zum Kundenfang garniert werden muss. Als optischer und städtebaulicher Baustein aber wird das VOLT Berlin, wenn es, wie geplant, 2018 den Betrieb aufgenommen hat, in einer Gegend voller Bau-Gesten das temporäre Barbie-Haus von 2013 auf demselben Grundstück noch rascher vergessen lassen – und das Alexa noch tiefer erröten.
Einladungswettbewerb
1. Preis Jürgen Mayer H., Berlin
2. Preis kadawittfeldarchitektur, Aachen
3. Preis Sauerbruch Hutton, Berlin
1. Preis Jürgen Mayer H., Berlin
2. Preis kadawittfeldarchitektur, Aachen
3. Preis Sauerbruch Hutton, Berlin
0 Kommentare