Sonderpreis
Moderieren, Kuratieren, Inszenieren
Text: Tschumi, Bernard, New Yok/Paris; Walker, Enrique
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Architektur des Augenblicks: Bernard Tschumi entwirft 1974 ein Feuerwerk wider die Herrschaft von Funktionalismus, Postmoderne, Utopie.
Bernard Tschumi, 1974 | Ein Zündholz anreißen – nur um zu sehen, wie es brennt. Das ist ein gutes Bild für den ganz und gar zweckfreien Aspekt von guter Architektur. Allerdings muss man diesen Akt von (s)einem produktiven Aspekt trennen. Zündet man mit dem Streichholz die Gasflamme an, um sich vor dem Aufbruch ins Büro den üblichen Morgenkaffee zu kochen, ist diese Konsumption nicht zweckfrei, sondern Teil eines Kreislaufs, Teil des Kapitalflusses: gute Streichhölzer – Erhalt der Arbeitskraft – Grundgehalt – gute Streichhölzer. Zündet man aber das winzige braune Schwefelköpfchen nur dafür an, es brennen zu sehen, einfach so – wegen der Farben, des sachten Knisterns, um das Absterben des kleinen Holzstiftes zu goutieren –, dann genießt man die zweckfreie Konsumption, eine, die ins Nichts führt, in vollkommenen Verlust. Echter Genuss lässt sich immer an seiner Nutzlosigkeit erkennen.
Wenn aber Architektur Genuss statt sittsame Nützlichkeit anstrebt, scheint sie sich nie zu verbrauchen. Immer ist sie wie ein kühler Spiegel, der jeden Raum, jedes Gesims, jede Säule abbildet. Jede Bewegung wird dann zugleich Bewegung als auch deren Abbildung, welche fraglos eben jene, den Bildern eigene, Würde besitzt, die das Bewusstsein daran hindert, sich an die Untiefen irriger Intuition zu verlieren.
Liebende mögen nach tieferer Lust, ein Mörder nach festerem Griff streben – Gültigkeit hat das gespiegelte Bild. Der Genuss der Architektur wird zur Architektur des Genießens, nicht um selbst zu konsumieren, sondern um konsumiert zu werden, in Gleichgültigkeit.
Der Genuss selbst erhält so eine geringere Bedeutung als seine symmetrisch dokumentierte Anschauung. Und doch scheint Architektur immer Streichhölzer anzubrennen, um Gasflammen damit anzuzünden.
Doch als wir vorhin jenes nutzlose Zündholz anrissen, jene Zeichnung um des Genusses statt einer Bedeutung, um der Darstellung statt einer Abbildung willen zu Papier brachten, da erfuhren wir das endgültige Verpuffen von Energie. Mit unserer Geste schufen wir ein flüchtiges Entzücken, das weder käuflich noch verkäuflich ist. Dieses Entzücken – nichts anderes als ein verkappter Todeswunsch – hat nichts hergestellt. Ganz so wie all die in einer solchen Geste enthaltenen erotischen Kräfte für nichts und wieder nichts aufgebraucht worden sind, muss gute Architektur erdacht, erbaut und ohne Nutzen abgebrannt werden. Die großartigste Architektur von allen ist die des Feuerwerkers: Sie zeigt den zweckfreien Konsum des Genusses in vollkommener Weise.
Wenn aber Architektur Genuss statt sittsame Nützlichkeit anstrebt, scheint sie sich nie zu verbrauchen. Immer ist sie wie ein kühler Spiegel, der jeden Raum, jedes Gesims, jede Säule abbildet. Jede Bewegung wird dann zugleich Bewegung als auch deren Abbildung, welche fraglos eben jene, den Bildern eigene, Würde besitzt, die das Bewusstsein daran hindert, sich an die Untiefen irriger Intuition zu verlieren.
Liebende mögen nach tieferer Lust, ein Mörder nach festerem Griff streben – Gültigkeit hat das gespiegelte Bild. Der Genuss der Architektur wird zur Architektur des Genießens, nicht um selbst zu konsumieren, sondern um konsumiert zu werden, in Gleichgültigkeit.
Der Genuss selbst erhält so eine geringere Bedeutung als seine symmetrisch dokumentierte Anschauung. Und doch scheint Architektur immer Streichhölzer anzubrennen, um Gasflammen damit anzuzünden.
Doch als wir vorhin jenes nutzlose Zündholz anrissen, jene Zeichnung um des Genusses statt einer Bedeutung, um der Darstellung statt einer Abbildung willen zu Papier brachten, da erfuhren wir das endgültige Verpuffen von Energie. Mit unserer Geste schufen wir ein flüchtiges Entzücken, das weder käuflich noch verkäuflich ist. Dieses Entzücken – nichts anderes als ein verkappter Todeswunsch – hat nichts hergestellt. Ganz so wie all die in einer solchen Geste enthaltenen erotischen Kräfte für nichts und wieder nichts aufgebraucht worden sind, muss gute Architektur erdacht, erbaut und ohne Nutzen abgebrannt werden. Die großartigste Architektur von allen ist die des Feuerwerkers: Sie zeigt den zweckfreien Konsum des Genusses in vollkommener Weise.
Im Keim enthielt FIREWORKS, 1974 – im Sinne einer Zufallsbegegnung zwischen einem Raum und einem Ereignis – bereits die Elemente dessen, was Tschumi später als „Redefinition“ bezeichnen sollte (Neudefinition, die zugleich auf die Architektur als Disziplin und auf seine frühen Arbeiten zum Städtebau gemünzt war) und ganz ohne Frage den Ausgangspunkt für den Architekten darstellte. In seinem Diskurs, den er in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen und theoretischen Entwürfen allmählich entwickelte, definierte Tschumi Architektur als nicht-reziproke Beziehung von Form und Funktion oder, wie er es nannte, zwischen „Raum“ und „Ereignis“. Gegen die vorherrschende Annahme einer Interdependenz argumentierte Tschumi, beide Pole stünden in einem Verhältnis der Ablösung zueinander: Form folgt nicht Funktion und umgekehrt: Funktion folgt nicht Form. Damit stellte Tschumi nicht die Begriffe selbst in Frage, sondern deren Bezugnahme; eben deshalb benötigte er auch neue Bezeichnungen. Während in der Architektur und weiteren Disziplinen, die sich mit Aktionen im Raum auseinandersetzten (etwa Performance-Kunst, Tanz und Film) „Raum“ ein eingeführtes begriffliches Konzept darstellte, führte „Ereignis“ den Gedanken der Unvorhersehbarkeit neu ein. Zwar beeinflussen nach Tschumi Raum und Ereignis einander, doch definieren sie sich nicht gegenseitig.
FIREWORKS, 1991, die als Ablauf durchgeplante Aktion, nahm den Faden einer Neuverortung von Architektur als Raum und Ereignis wieder auf: Es ging um den Entwurf, der sich auf das Ereignis an sich bezog, auf eine Architektur, die „erdacht, erbaut und ohne Nutzen abgebrannt“ sein sollte. Da Raum Ereignisse in der gleichen Weise aufwertet wie Ereignisse die Räume, verhandelt Architektur letztlich den Entwurf von Bedingungen mittels Räumen ganz so wie den Entwurf von Bedingungen mittels Ereignissen. Das Projekt FIREWORKS ist bislang unvollendet geblieben.
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