Staatsbauhaus
Statement von Philipp Oswalt
Text: Oswalt, Philipp, Berlin
Staatsbauhaus
Statement von Philipp Oswalt
Text: Oswalt, Philipp, Berlin
Der ehemalige Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau erläutert, wie es zum Zerwürfnis mit dem Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt kam und welch schwerwiegende Konsequenzen durch dessen Vorgehen der Institution drohen.
Als mein Vertrag als Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau im November letzten Jahres nicht verlängert, sondern die Stelle neu ausgeschrieben wurde, da verwies der Stiftungsratsvorsitzende, der sachsen-anhaltinische Kultusminister Stephan Dorgerloh, als Begründung auf das „beschädigte Vertrauensverhältnis“. Mehr wolle er dazu nicht sagen, um Personenrechte zu schützen. Es gab Leute, die ihn dafür lobten, dass er „nicht öffentlich schmutzige Wäsche“ wasche. Denn hinter einem „beschädigten Vertrauensverhältnis“ stehen im allgemeinen Verständnis grobe Verstöße gegen die Amtspflichten, etwa durch inkorrekten Umgang mit Geld, Beleidigung von Personen oder Überschreitung von Befugnissen, also alles Vorfälle, die arbeitsrechtlich auch eine fristlose Kündigung begründen können. An sich, so sollte man meinen, müsste ich als Betroffener dankbar sein für eine solche Diskretion.
Doch mit dem Schleier der Diskretion schützt der Vorsitzende nicht mich als Kritisierten, sondern seine eigenen Machenschaften. Wer etwas begründet, macht sich angreif-bar. Auf meine mehrfache Nachfrage, was denn mit dem „beschädigten Vertrauensverhältnis“ gemeint sei, erhielt ich bis heute keine Antwort. Was verbirgt sich hinter dieser Mauer des Schweigens?
Sicherlich ist diese Entscheidung, die heftige öffentliche Kritik hervorrief, nicht unbegründet gefallen. Doch hat es keine Kontroverse im Stiftungsrat gegeben. Im Gegenteil. Noch Anfang des Jahres 2013 hatten sich Dorgerloh und die Vertreterin des Bundes als seine Stellvertreterin über meine Tätigkeit sehr positiv geäußert, und sie sprachen sich dafür aus, mir einen weiteren Vertrag bis Ende 2019 zu geben. Dies hatten beide im April nochmals bestätigt, und nachdem ich hierzu von beiden ein halbes Jahr nichts mehr gehört hatte, wurde ich im Oktober über den im Umlaufverfahren – und damit ohne Diskussion – gefassten gegenteiligen Beschluss informiert.
Was sich zugetragen hatte, war ein unausgesprochener Konflikt in einer wichtigen Sachfrage. Dringend brauchte die Bauhaus-Stiftung neue Räume für Ausstellungen, und so unterbreitete ich kurz nach Beginn meiner Tätigkeit im Sommer 2009 einen Lösungsvorschlag, der die Unterstützung der Stadt Dessau-Roßlau fand. Nach einigen Lippenbekenntnissen mehrerer Minister im Landtagswahlkampf 2011 wurde jedoch das Projekt nach der Wahl von der neuen Landesregierung, in der Dorgerloh nun das Amt des Kultusministers bekleidete, im Herbst des gleichen Jahres beerdigt. Die Gründe hierfür sind aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar, denn wenige Monate später hob der Minister das Projekt wieder aus der Taufe.
Die Stiftung führte im Auftrag des Stiftungsrates umfangreiche Untersuchungen durch und beauftragte mehrere Gutachten. Im April 2013 sollte der Stiftungsrat über den Standort für das neue Ausstellungshaus entscheiden. Alle Gutachter, der wissenschaftliche Beirat sowie ich als Direktor hatten sich einvernehmlich für zwei Standort-Optionen ausgesprochen, beide zwischen den Meisterhäusern und dem Bauhaus-Gebäude gelegen. Der Stadtrat hatte den Weg dafür frei gemacht. Die Vorzüge der beiden Standorte waren offenkundig: Der Neubau würde sich klug in das historische Ensemble einfügen können, und zugleich würde eine Brücke zum benachbarten Welterbe des Wörlitzer Gartenreichs geschlagen, das mit dem Georgengarten und den Erdmannsdorf-Bauten das Welterbe des Bauhauses berührt. Weitere Vorteile kamen hinzu, sodass die Empfehlung aller Fachleute einhellig war. Überdies stellte sich der Stadtpark als Alternative aufgrund von Mehraufwand und Mindereinnahmen als unwirtschaftlicher dar.
Gleichwohl fasste der Stiftungsrat hierzu keinen Beschluss, sondern delegierte auf Wunsch des Stiftungsratsvorsitzenden Minister Dorgerloh die Entscheidung an das Landeskabinett. Der Minister gab vor, selber keine Standortpräferenz zu haben. In der Stadt kursierte allerdings das Gerücht, er präferiere den Stadtpark, traue sich aber nicht, dies im Stiftungsrat durchzusetzen. Anfang Juli 2013 beschloss das Kabinett das Projekt, stellte eine Finanzierung von 50 Prozent der geplanten 25 Millionen bereit und empfahl den Standort Stadtpark zur Realisierung. Warum der Stadtpark? Im Kabinett gilt das Ressortprinzip. Als Entscheidungsgrundlage diente eine vom Kultusministerium selbst erstellte Kabinettsvorlage, über deren Inhalt hier geschwiegen werden muss. Nach Einschätzung von in Presseberichten zitierten Insidern führte ein Gespräch zwischen Staatskanzlei (CDU) und mir als Stiftungsdirektor zum Bruch. Anscheinend standen meine nach bestem Wissen und Gewissen gegebenen Auskünfte im Widerspruch zu den Darlegungen des Ministers Dorgerloh. Der Minister verstand dies – so hieß es – als Hochverrat. Ich hingegen sah mich als Direktor verpflichtet, intern und vertraulich den Entscheidungsträgern sachliche Auskunft zu geben. Im November beschloss der Stiftungsrat der Stiftung Bauhaus Dessau, der Empfehlung des Kabinetts zu folgen und den Standort Stadtpark für das Bauvorhaben festzulegen. Eine Argumentation, die dies fachlich stichhaltig begründet hätte, ist nicht bekannt.
Das machtpolitische Vorgehen beim Museumsstandort ist dasselbe wie bei der Personalentscheidung: Gründe werden keine genannt, stattdessen einstimmige Gremienbeschlüsse organisiert. Und deren Einstimmigkeit erweckt den Eindruck einer schlüssigen Lösung und erlaubt zudem jedem der Entscheidungsträger, sich hinter der Gruppenentscheidung zu verstecken und nicht eine persönliche Entscheidung begründen zu müssen. Mit Einstimmigkeit und dem Verzicht auf inhaltliche Argumente werden mögliche Angriffsflächen für Kritik vermieden.
Über die Motive des Ministers lässt sich nur spekulieren. Nachdem er auf einer USA-Reise im Sommer 2012 Daniel Libeskind kennengelernt hatte, erwachte in ihm offenkundig der Wunsch, dieser möge das Museum als werbewirksames Leuchtturmprojekt bauen. Und natürlich muss sich ein solches ikonisches Gebäude auf der grünen Wiese im Stadtpark frei entfalten können, anstatt sich wie bei den Meisterhäusern in einen städtebaulichen Zusammenhang mit benachbarten Bauten stellen zu müssen. Zudem kann man aus lokaler Sicht den Stadtpark im Zentrum Dessaus als den bedeutenderen Standort ansehen, wo man der Hoffnung erliegen mag, der Neubau könne der geschundenen Stadt ein neues Gesicht geben. Aber warum man Besucher des Bauhauses in das wenig attraktive und eher unbelebte Stadtzentrum locken sollte, bleibt unbeantwortet. Und warum man den Rat der für die Stadt wiederholt tätigen Stadtplanerin Iris Reuther, inzwischen Senatsbaudirektorin in Bremen, ebenso in den Wind schlägt wie den des Büros Chipperfield und des erfahrenen Touristikers Mathias Feige, der auch sonst die Landesregierung berät, bleibt unerklärlich.
Im Resultat gibt es nun einen für die Stiftung Bauhaus Dessau nur schlecht funktionierenden Museumsstandort mit einem für das angedachte Raumprogramm zu kleinen Budget. Was waren das für Zeiten, als Bauhausdirektor Walter Gropius noch frei über den besten Standort für die Meisterhäuser entscheiden konnte und diese und das Bauhaus binnen anderthalb Jahren entstanden! Inzwischen steht aufgrund der Wirrnis der Magdeburger Entscheidungen leider auch fest, dass eine rechtzeitige Fertigstellung des Neubaus zum 100-jährigen Jubiläum so gut wie ausgeschlossen ist.
Es ist verständlich, dass der Minister den Konflikt um den Museumsbau nicht als Grund für seine Personalentscheidung nennen will, da dies nicht das beste Licht auf ihn selber werfen würde. Aber er beließ es nicht dabei zu schweigen. Von Landtagsabgeordneten unter Druck gesetzt, die Gründe zu nennen, behauptete er, dass ich als Direktor eine Klage gegen das Bauhaus-Archiv – einen wichtigen Partner der Stiftung – erhoben hätte. Dieses Beispiel einer Kooperationsunfähigkeit war allerdings erfunden und nichts anderes als eine Lüge, mit welcher der Minister seine eigenen Gründe verschleiern wollte. Auch weitere Unwahrheiten wurden verbreitet. Als der öffentliche Druck zunahm, hielt es die Landespolitik für erforderlich, mit einem Landtagsbeschluss zur Direktorenstelle die eigentlich selbstständige Stiftung, bei der die Vertreter des Landes nicht einmal die Mehrheit haben, zu binden. Dieser Beschluss wurde ebenso mit einer Falschbehauptung – des angeblichen Zwangs zu einer Neuausschreibung im Vorfeld des Jubiläums 2018 – begründet.
Dass ein Politiker fragwürdige Entscheidungen fällt, ist das eine. Irritierend aber ist, wie es gelingt, über Partei- und Koalitionsräson hinweg alle Beteiligten auch gegen deren eigene Meinung einzubinden. Aus Berlin war zu hören, dass in Zei-ten der großen Koalition in Bund und Land das CDU-geführte Kulturstaatsministerium dem SPD-Landesminister Dorgerloh nicht in die Quere kommt. Die Stadt Dessau-Roßlau hat eine schwache Führung, ist ohnehin vom Land finanziell abhängig, und der kümmerliche Rest an Eigensinn wird über innerparteiliche Disziplin geregelt. So kommt es, dass der Stiftungsrat sich quasi selbst abgeschafft hat. Die beiden wichtigsten Entscheidungen der letzten Zeit – die Bestellung des Direktors und die Entscheidung zum Ausstellungsgebäude – wurden offenbar vom Minister persönlich getroffen, von Kabinett und Landtag sanktioniert und vom Stiftungsrat im Nachhinein gebilligt.
Nicht minder obsolet wie der Stiftungsrat war der international hochrangig besetzte zehnköpfige wissenschaftliche Beirat, dessen Argumente keine Rolle spielten und der auch nur im Nachgang gehört wurde. Er zog die Konsequenz daraus und trat geschlossen zurück. Und der Direktor, der es wagte, intern dem Minister sachlich zu widersprechen, wurde entsorgt. Entscheidungen werden nicht diskutiert, es wird nicht argumentiert, sondern verfügt. Es gibt keine Kultur der fachlichen Auseinandersetzung, der offenen Diskussion.
Sicherlich muss man Gutachten nicht folgen. Aber Einwände gegen die Gutachten sind nicht bekannt. Anders als bei der Standortentscheidung zum Bauhaus-Museum in Weimar wurde auch keine Expertenkommission eingesetzt. In einer solchen Situation, in der die Macht an die Stelle des Arguments getreten ist, braucht es eine Strukturveränderung. Nur so lässt sich die Integrität der Kulturinstitution wiederherstellen. Ähnlich wie bei der Klassik Stiftung Weimar braucht es auch in Dessau ein unabhängiges Stiftungsratsmitglied, das nicht Teil des politischen Apparates ist. Doch gegenwärtig weisen die Entwicklungen in Dessau in die umgekehrte Richtung: Der in Stiftungsgesetz und -satzung vorgeschriebene wissenschaftliche Beirat ist seit einem halben Jahr unbesetzt, und bislang gibt es keine Anzeichen für eine baldige Neubesetzung. Als kommissarischer Vorstand der Stiftung wurde der Abteilungsleiter des Kultusministeriums berufen, der nun in Magdeburg die Entscheidungen fällt und damit die eigenständige Stiftung quasi zu einer nachgeordneten Behörde des Kultusministeriums macht.
Das alles ließe sich als Provinzposse abtun, wäre es nicht eine Weichenstellung für die Zukunft des Bauhauses. Die Durchsetzung dieser reinen Machtpolitik erfolgt genau in dem Augenblick, in dem Bundes- und Landespolitik mit Blick auf den 100. Geburtstag des Bauhauses 2019 ein mehrjähriges nationales Jubiläumsprogramm auf den Weg bringen. Aber offenbar ist nur ein totes Bauhaus ein gutes Bauhaus. Kulturpolitisch gewollt ist nicht eine eigenständige, lebendige Institution, gewollt ist ein Bauhaus, das sich brav der Politik unterordnet und damit alle Eigenmächtigkeit einbüßt.
Gekürzte und aktualisierte Fassung des am 15. Mai 2014 in der Wochenzeitung ZEIT erschienenen Artikels
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