Stefan Wewerka 1928–2013
Nachruf
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Stefan Wewerka 1928–2013
Nachruf
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Von Stefan Wewerka zu sprechen, wirft unweigerlich die Frage nach der Disziplin auf, in der er wirkte: Kunst, Design, Performance oder doch Architektur?
In der europäischen Szene der Nachkriegsarchitektur war der Tausendsassa eine schillernde Figur: Mal arbeitete er zum Broterwerb bei Kollegen, mal allein an Entwürfen der eigenen Visionen.
Bereits während seines Architekturstudiums an der Berliner Hochschule der bildenden Künste hatte er tatkräftig den Bau minimaler Studentenwohnungen in einer ehemaligen Schule geleitet und damit den Grundstein für das Studentendorf Eichkamp gelegt. Doch das Berlin der Nachkriegszeit war ihm zu eng. Nach einigen Wettbewerben im Büro der Brüder Luckhardt verschlug es ihn 1952 nach Köln zum Bau der Jugendherberge auf dem Bonner Venusberg: sein einziger realisierter Wettbewerbsentwurf.
Die Bekanntschaft mit Aldo van Eyck und Jaap Bakema führte Wewerka zum CIAM, nach dessen Auflösung 1958 wurde er Mitglied des Team X. Erst im nächsten Jahrzehnt kehrte er wieder nach Berlin zurück, wo er über drei Jahre im Atelier von Hans Scharoun arbeitete und dort u.a. das bis heute diskutierte Gästehaus des Senats für das Kulturforum entwarf. Die Idee des terrassierten Gebäudes verwendete er auch beim Entwurf für einen Schulwettbewerb, der ihm einen Ankauf einbrachte.
Auch seine Planungen für die Großsiedlungen Frühauf und Ruhwald wurden bei Wettbewerben
lediglich angekauft. Dabei erlag Wewerka, ganz anders als die Kollegen seinerzeit, nicht der Gigantomanie des Massenwohnungsbaus, sondern entwarf formal differenzierte Siedlungsstrukturen, deren Silhouetten an mittelalterliche Städte erinnerten. Er hatte die einzelnen Menschen im Blick, die „wieder wissen sollen, wohin sie gehören“.
lediglich angekauft. Dabei erlag Wewerka, ganz anders als die Kollegen seinerzeit, nicht der Gigantomanie des Massenwohnungsbaus, sondern entwarf formal differenzierte Siedlungsstrukturen, deren Silhouetten an mittelalterliche Städte erinnerten. Er hatte die einzelnen Menschen im Blick, die „wieder wissen sollen, wohin sie gehören“.
Mit der Orientierung am Individuum entsprach Wewerka dem Universalmenschen der Renaissance, als den ihn Heinrich Klotz identifizierte: Lernfreudig, gebildet und mit einem kritischen Blick auf die Konventionen ausgestattet. Ein Beispiel dafür sind seine Sitzstudien – vom Aachener Königsthron bis hin zu profanen Haltungen im öffentlichen Raum –, aus de-nen er Ende der 70er Jahre Möbel schuf, die etwas bewegten: Der dreibeinige Stuhl B1 ermöglicht dem Sitzenden vielfältigste Haltungen, die „unhierarchisch“ geformten Tische den Versammelten neue Ansichten.
Ausflüge in Mode und Performance folgten, der Kunst blieb Wewerka als Zeichner und Bildhauer treu. Vor drei Jahren erschien das Buch „Nahaufnahme Stefan Wewerka“, in dem er mit der ihm eigenen Lakonie von seinen zahlreichen Unternehmun-gen berichtete (Bauwelt 19.2011). Wer ihn persönlich als kraftvollen Erzähler und Imitator erlebt hat, wünscht sich das als Hörbuch. Im Gedächtnis bleiben wird der Name dieses Vielbegabten freilich mit dem nach ihm benannten Wewerka-Pavillon, von denen einer am Aasee in Münster, der andere beim Stuhlmuseum des Möbelherstellers TECTA in Lauenförde steht. Durch die transparente, material- und konstruktionsgerechte Gestaltung huldigte er den Prinzipien der modernen Architektur, in deren Nachfolge er sich einordnete. Am 14. September ist Stefan Wewerka in Berlin gestorben.
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