Bauwelt

Superhub als „American Dream“

Audi Urban Future Award 2012

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Preisträger: Höweler + Yoon Architecture, Boston

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Superhub als „American Dream“

Audi Urban Future Award 2012

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Zum zweiten Mal hat der Audi-Konzern in einem eingeladenen Wettbewerb nach der Mobilität der Zukunft gefragt. Sechs Architekturbüros aus sechs Teilen der Welt sollten wieder Visionen für die Stadt im Jahr 2030 entwickeln.
Die verschiedenen Herangehensweisen erscheinen bisweilen diffus, die Ergebnisse wirken spielerisch bis naiv. Gewonnen hat „Boswash 2030“, ein gigantisches Shareway-Mobi­litätssystem zwischen Boston und Washington.

Die Audi AG hat ihr Vorhaben, neue Konzepte für die individuelle Mobilität der Zukunft in Großstädten und urbanen Landschaften zu suchen und zu präsentieren, weiter vorangetrieben. Am 18. Oktober wurde das Ergebnis der zweiten Initiative in Istanbul mit einer Ausstellung und der Siegerehrung vorgestellt. Die Ausstellung fand in Partnerschaft mit der ersten Istanbul Design Biennale (Seite 2) in einem ehemaligen Spinnereigebäude im Stadtteil Hasköy am Goldenen Horn statt; ein Ort, der zum Werkstattcharakter der Aktion des Autoherstellers passen sollte. Wie bereits vor zwei Jahren (Bauwelt 23 und 37.10) hatten die Kuratoren von Stylepark für diesen Award sechs interdisziplinär arbeitende Planerbüros ausgewählt und ins Rennen geschickt. Die Teams – Superpool für Istanbul, CRIT für Mumbai, NODE für das chinesische Pearl River Delta, Urban-Think Tank für São Paulo und Höweler + Yoon für die Region Boston/Washington – entwickelten innerhalb von sechs Monaten ein Konzept. Junya Ishigami, der für Tokio antrat, sagte nach der Präsentation der ersten Ideen, die am 16. Mai in Ingolstadt stattfand, seine weitere Teilnahme ab, da es ihm in der Kürze der Zeit angeblich nicht möglich war, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten.

Die neunköpfige Jury unter Vorsitz des britischen Designtheoretikers John Thackara hatte Arbeiten mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen zu beurteilen. Dies lag nicht allein an der Spezifik der Städte. Die Teilnehmer hatten sich große Freiheiten genommen, ihr Thema anzugehen. Dies war so auch gedacht. Basis war bei allen jedoch eine mehr oder weniger überzeugende Analyse der jeweiligen Megacity oder Region. Die daraus entwickelten Konzepte wurden dann eher fragmentarisch präsentiert.

John Thackara hob die Arbeit „Nicely Messy“ von CRIT zu Mumbai wegen ihres bescheidenen, ganzheitlich gesellschaftlichen Ansatzes in Bezug auf die sich ändernden Lebensformen in den traditionellen, dicht besiedelten Quartieren hervor. Ihre Konzepte zur Mobilität beschränken sich auf wenige Eingriffe. Beim Projekt von Superpool für Istanbul stehen das Verkehrschaos und social media im Vordergrund. Die Stadt hat die zweithöchste Zahl an facebook-Nutzern in Europa. Die Idee, die Bewohner, die ihr Auto stehen lassen und ein Dolmuş (Sammeltaxi) nutzen, mit Bonuspunkten zu unterstützen und ihnen als Dank ein Stück Straße in der Größe eines Parkplatzes zur Verfügung zu stellen, erscheint mir ein wenig infantil. Bei Urban-Think Tank und São Paulo ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen nicht erkennbar, ihr Projekt wirkt spielerisch und plakativ.

Den hochdotierten Preis von 100.000 Euro erhielt die grafisch anschauliche und in Teilen pragmatisch wirkende Arbeit für eine Region der USA, in der sich allein schon durch die Ausdehnung ganz andere Aufgaben stellen als etwa in Istanbul. Hier geht es vor allem darum, für die Region zwischen Boston und Washington (Boswash) ein Mobilitätskonzept zu entwickeln. Audi muss es bestens gefallen haben, dass Höweler + Yoon den individuellen Autoverkehr und den öffentlichen Nahverkehr zwischen Wohnung und Arbeitsplatz an verschiedenartigen Umsteigestationen bündeln. Ihr Konzept umfasst aber noch viel mehr, vom Fahrrad bis zum Flugzeug als „regional and global Network“, durchgeplant mit zahlreichen Verbindungspunkten. Audi wird es auch gefreut haben, dass sich diese Vision für eine Region, die dringend eine Erneuerung der Infrastruktur braucht, in Etappen und in bestimmten Teilbereichen gut weiter erforschen und ausarbeiten lässt – immer mit Blick auf die hier glorifizierte Verkehrstechnik der Zukunft. Das große Ding ist der zentrale Superhub, ein Knotenpunkt in einer „Mobility Capital“. Dort sollen alle Verkehrsströme kulminieren. Der Rundbau erinnert an visionäre verkehrstechnische „Stadtapparate“ mit Verkehrstrassen aus allen Richtungen, wie sie in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts visualisiert wurden.

Audis Ansatz, in einem interdisziplinären Kontext völlig offen über die Mobilität im Jahr 2030 zu diskutieren, ist lobenswert. Bei „Boswash“ nimmt das individuelle Fahrzeug – natürlich auch gut vernetzt als Carsharing im Einsatz – noch immer eine wichtige Rolle im Verbund mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ein. Aus meiner Sicht ist hierbei kritisch anzumerken, dass Höweler + Yoon trotz ihren Grundsätzen – „Die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt“ und „Teilen wird wichtiger als Besitz“ – die soziale Problematik ihres gewaltigen Verkehrsnetzes weitgehend ausgeblendet haben. Auf der Veranstaltung sprach man von einem neuen „American Dream“. Doch bietet die vernetzte Mobilität tatsächlich auch der ärmeren Bevölkerung an den Rändern der Cities neue Freiheiten?

Vor zwei Jahren hatte Jürgen Mayer H. den Future Award mit seinem Projekt „Pokeville“ gewonnen, einer Stadt mit Autos als digital gesteuerte Hightech-Maschinen. Inwiefern diese Idee inzwischen weiterentwickelt wurde, war auf der Veranstaltung kein Thema.


Eingeladener Ideenwettbewerb
Preisträger: Höweler+Yoon, Boston
Weitere Teilnehmer: CRIT, Mumbai; NODE Architecture & Urbanism, Shenzhen; Superpool, Istanbul; Urban-Think Tank, São Paulo

Fakten
Architekten Höweler+Yoon, Boston; CRIT, Mumbai; NODE Architecture & Urbanism, Shenzhen; Superpool, Istanbul; Urban-Think Tank, São Paulo
aus Bauwelt 45.2012
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