Tanzen in Halbhöhenlage
Neubau der John-Cranko-Schule in Stuttgart
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Tanzen in Halbhöhenlage
Neubau der John-Cranko-Schule in Stuttgart
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Eine der renommiertesten Ballettschulen der Welt soll auf einem Filetgrundstück in Stuttgart endlich adäquate Räume bekommen. Der Wettbewerb verlangte nach Lösungen für das Bauen am Hang.
Porsche-Pferdle und Mercedes-Stern künden weltweit vom tüftlerischen Genius der Schwaben. Die Herzen der Musenfreunde gewann jedoch auf allen Kontinenten das Stuttgarter Ballett. John Cranko (1927–73), Choreograph und seit 1961 Chef des Stuttgarter Balletts, wusste begnadete Tänzer/innen wie Marcia Haydée, Richard Cragun, Egon Madsen und Birgit Keil um sich zu scharen und begeisterte mit legendär choreographierten Inszenierungen das Publikum in aller Welt. 1971 konnte Cranko in Stutt-gart eine eigene Ballettschule gründen. Nach seinem Tod wurde diese Staatliche Berufsfachschule nach ihm benannt, sie gehört zu den renommiertesten Ballettschulen weltweit und ist bislang in einem biederen, viel zu kleinen Haus nahe der Württembergischen Staatsoper beheimatet.
Der Wettbewerb für den längst fälligen Neubau war prominent angesetzt, in der Jury wirkten neben dem Kammerpräsidenten Wolfgang Riehle (Vorsitz) unter anderem Max Dudler, Tobias Wallisser, Hilde Léon, Stefan Behnisch und Volker Staab mit. Diesen Wettbewerb gewannen im November 2011 die vergleichsweise unbekannten Münchner Architekten Burger Rudacs mit einem Entwurf, der den Reiz des Bauplatzes wesentlich besser aufgreift als alle Konkurrenzentwürfe.
Und es ist eben nicht irgendein Bauplatz: Das Grundstück mit knapp 6000 Quadratmetern bebaubarer Grundfläche liegt oberhalb der Alten Staatsgalerie zwischen Werastraße und Urbansplatz und erstreckt sich über einen Höhenunterschied von zwanzig Metern. Man spricht hier von Halbhöhenlage, das heißt, von den begehrtesten Flächen der Landeshauptstadt. In Stuttgart spielt die Topographie eine überaus wichtige Rolle, sie ist in den letzten Jahren allerdings bei vielen Projekten sträflich ignoriert worden.
Beim Ballettschulenwettbewerb ließ die Hanglage nun renommierte Architekten wie Zaha Hadid, gmp, Nieto Sobejano und Henning Larsen merkwürdig scheitern. Entweder überstrahlt die Funktionalität als formgebendes Thema den Genius Loci – wie bei von Gerkan Marg und Partner. Oder die Baukörpergeometrie wird allzu rigoros vereinfacht und in den Hang geschoben wie von Nieto Sobejano Arquitectos oder Lederer Ragnarsdóttir Oei. Die Baukörpergrößen, die sich im Vergleich zur Alten Staatsgalerie erfassen lassen, zeugen vom immensen Raumprogramm, das unterzubringen war, ohne das denkmalgeschützte Wasserwerk im Untergrund zu schädigen: ein großer Probensaal, acht kleinere Übungssäle, eine Mensa, die entsprechenden Nebenräume und obendrein ein Internat für 75 Ballettschüler. Bauen am Hang – eine gern geübte Studentenaufgabe – ist so einfach eben doch nicht, wenn ein großes und komplexes Raumprogramm unterzubringen ist. Birgit Rudacs und Stefan Burger sortierten das Internat nach oben an die Werastraße und passten hier die Baukörperhöhe den vorhandenen Bauten, wie dem benachbarten, älteren Teil der Musikhochschule, an. Hangabwärts staffelten sie die Tanzsäle in modularen Einheiten, die kleine Höfe bilden. Funktionale Ansprüche sind mit einer unspektakulären Baukörpergestaltung verschmolzen.
Die Baumassengliederung lässt gewiss an Rhythmus denken, aber nicht an eine formale Umsetzung tänzerischen Ausdrucks. Man weiß ja, wie schnell formale Anspielungen ins spektakulär Banale abgleiten können. Ein bisschen schweizerisch sieht der Entwurf durch seine Sichtbetonfassaden aus. Dermaßen perfekt, wie in der Visualisierung angedeutet, kennen wir ihn nur aus dem Baualltag in der Schweiz. Ob das Material so für Stuttgart taugt?
Ein Ärgernis nach dem Wettbewerb ist wieder einmal die Finanzierung. Stadt und Land sind gemeinsam in der Pflicht, es war von 25, 30 und 35 Millionen Euro die Rede, von lausigem Abspecken und Rausrechnen von Einrichtungskosten. Wenn die Stadt und das Land im reichen Südwesten der Republik hier finanziell patzen, wird ein weiterer Vertrauensverlust in die Planungspolitik zu beklagen sein. Im Ganzen aber zeigte sich einmal mehr, warum wir Wettbewerbe brauchen – wegen guter Ergebnisse und um eine Konkurrenz jenseits der etablierten Büros zu fördern.
Der Wettbewerb für den längst fälligen Neubau war prominent angesetzt, in der Jury wirkten neben dem Kammerpräsidenten Wolfgang Riehle (Vorsitz) unter anderem Max Dudler, Tobias Wallisser, Hilde Léon, Stefan Behnisch und Volker Staab mit. Diesen Wettbewerb gewannen im November 2011 die vergleichsweise unbekannten Münchner Architekten Burger Rudacs mit einem Entwurf, der den Reiz des Bauplatzes wesentlich besser aufgreift als alle Konkurrenzentwürfe.
Und es ist eben nicht irgendein Bauplatz: Das Grundstück mit knapp 6000 Quadratmetern bebaubarer Grundfläche liegt oberhalb der Alten Staatsgalerie zwischen Werastraße und Urbansplatz und erstreckt sich über einen Höhenunterschied von zwanzig Metern. Man spricht hier von Halbhöhenlage, das heißt, von den begehrtesten Flächen der Landeshauptstadt. In Stuttgart spielt die Topographie eine überaus wichtige Rolle, sie ist in den letzten Jahren allerdings bei vielen Projekten sträflich ignoriert worden.
Beim Ballettschulenwettbewerb ließ die Hanglage nun renommierte Architekten wie Zaha Hadid, gmp, Nieto Sobejano und Henning Larsen merkwürdig scheitern. Entweder überstrahlt die Funktionalität als formgebendes Thema den Genius Loci – wie bei von Gerkan Marg und Partner. Oder die Baukörpergeometrie wird allzu rigoros vereinfacht und in den Hang geschoben wie von Nieto Sobejano Arquitectos oder Lederer Ragnarsdóttir Oei. Die Baukörpergrößen, die sich im Vergleich zur Alten Staatsgalerie erfassen lassen, zeugen vom immensen Raumprogramm, das unterzubringen war, ohne das denkmalgeschützte Wasserwerk im Untergrund zu schädigen: ein großer Probensaal, acht kleinere Übungssäle, eine Mensa, die entsprechenden Nebenräume und obendrein ein Internat für 75 Ballettschüler. Bauen am Hang – eine gern geübte Studentenaufgabe – ist so einfach eben doch nicht, wenn ein großes und komplexes Raumprogramm unterzubringen ist. Birgit Rudacs und Stefan Burger sortierten das Internat nach oben an die Werastraße und passten hier die Baukörperhöhe den vorhandenen Bauten, wie dem benachbarten, älteren Teil der Musikhochschule, an. Hangabwärts staffelten sie die Tanzsäle in modularen Einheiten, die kleine Höfe bilden. Funktionale Ansprüche sind mit einer unspektakulären Baukörpergestaltung verschmolzen.
Die Baumassengliederung lässt gewiss an Rhythmus denken, aber nicht an eine formale Umsetzung tänzerischen Ausdrucks. Man weiß ja, wie schnell formale Anspielungen ins spektakulär Banale abgleiten können. Ein bisschen schweizerisch sieht der Entwurf durch seine Sichtbetonfassaden aus. Dermaßen perfekt, wie in der Visualisierung angedeutet, kennen wir ihn nur aus dem Baualltag in der Schweiz. Ob das Material so für Stuttgart taugt?
Ein Ärgernis nach dem Wettbewerb ist wieder einmal die Finanzierung. Stadt und Land sind gemeinsam in der Pflicht, es war von 25, 30 und 35 Millionen Euro die Rede, von lausigem Abspecken und Rausrechnen von Einrichtungskosten. Wenn die Stadt und das Land im reichen Südwesten der Republik hier finanziell patzen, wird ein weiterer Vertrauensverlust in die Planungspolitik zu beklagen sein. Im Ganzen aber zeigte sich einmal mehr, warum wir Wettbewerbe brauchen – wegen guter Ergebnisse und um eine Konkurrenz jenseits der etablierten Büros zu fördern.
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