Verhinderter Bürgerentscheid
zur Potsdamer Garnisonkirche
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Verhinderter Bürgerentscheid
zur Potsdamer Garnisonkirche
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Tempelhofer Feld in Berlin, Ulrichkirche in Magdeburg, Eichplatz in Jena – immer häufiger wollen Bürger mittels Volks- und Bürgerentscheiden über Bauprojekte mitbestimmen. In Potsdam hat diese Form der Beteiligung nun einen jähen Dämpfer erhalten. Mit einem umstrittenen Trick hat die Mehrheit der Stadtverordneten einen Bürgerentscheid über den Wiederaufbau der Garnisonkirche verhindert.
Die 1730 bis 1735 nach Plänen von Philipp Gerlach errichtete Garnisonkirche wurde 1945 von britischen Bombern zerstört. 1968 riss man die Ruine ab. Die Bemühungen um einen Wiederaufbau reichen zurück bis ins Jahr 1984, als in Iserlohn die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ gegründet wurde. Die ließ einen Nachguss des historischen Glockenspiels der Garnisonkirche anfertigen, der 1991 nach Potsdam gebracht und neben dem ehe-maligen Standort der Kirche aufgestellt wurde. 2001 gründete sich zur Förderung des Wiederaufbaus die „Stiftung Preußisches Kulturerbe“, 2004 die „Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnison-kirche Potsdam“, und 2008 nahm die „Stiftung Garnisonkirche Potsdam“ ihre Arbeit auf. Die in Potsdam regierende Rathauskooperation aus SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen unterstützt die Wiederaufbaubemühungen. Begründet wird das Ansinnen vor allem mit städtebaulichen Argumenten: Man betrachtet die Garnisonkirche als unverzichtbaren Bestandteil des Potsdamer Stadtbilds.
Die Gegner des Wiederaufbaus formierten sich 2011 in der Bürgerinitiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“, die von den Parteien Die Linke und Die Andere unterstützt wird. Sie verweisen vor al-lem auf die Vergangenheit der Garnisonkirche – als „Ruhmeshalle“ der preußischen und deutschen Ar-mee, als Wallfahrtsstätte antidemokratischer Kräfte nach dem ersten Weltkrieg und als Schauplatz na-tionalsozialistischer Selbstdarstellung. So fand in der Kirche am 21. März 1933 der sogenannte Tag von Potsdam statt, bei dem Nationalkonservative und Nationalsozialisten ihr Bündnis besiegelten. Ein Wiederaufbau dieser Kirche würde nach Ansicht der Gegner ein völlig falsches Signal senden.
2005 hatte man den symbolischen Grundstein gelegt. Lange schien es, als sei der auf 100 Millionen Euro geschätzte Wiederaufbau nur eine Frage der Zeit. Doch der Wind hat sich gedreht. Es fließen kaum Spenden, weshalb der Baubeginn immer wieder verschoben wurde. 2012 landete bei einer Abstimmung über den Potsdamer Bürgerhaushalt überraschend ein Sparvorschlag auf dem ersten Platz: der Verzicht auf den Einsatz städtischer Gelder für die Garnisonkirche. Der langjährige brandenburgische Landeskonservator Detlef Karg mahnte, der Wiederaufbau sei unverantwortlich angesichts 1900 gefährdeter Kirchen in Brandenburg. Im Juni 2014 meldete sich die Jüdische Gemeinde gegen den Wiederaufbau der „Kirche der Schande“ zu Wort. Bereits im April hatte die „Stiftung Preußisches Kulturerbe“ nach Streit mit der „Stiftung Garnisonkirche Potsdam“ den Ausstieg aus dem Projekt beschlossen.
14.000 Unterschriften in drei Monaten Ihren Höhepunkt erreichten die Proteste mit einem Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche, das im März dieses Jahres gestartet wurde. Die Resonanz übertraf alle Erwartungen. Binnen dreier Monate kamen über 14.000 gültige Unterschriften zusammen; das nötige Quorum von 13.300 Stimmen war lange vor der gesetzlichen Frist von einem Jahr erreicht. Auf dem Weg zum Bürgerentscheid galt es, nur noch eine Hürde zu überwinden: Das Bürgerbegehren musste zunächst durch die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung abgelehnt werden. Eine reine Formsache, so schien es, da dort die Parteien der Rathauskooperation die Mehrheit haben, die das Bürgerbegehren ablehnt. Doch deren Vertreter griffen zu einem Trick. Sie enthielten sich bei der Abstimmung am 30. Juli der Stimme – mit der Folge, dass das Bürgerbegehren angenommen und so ein Bürgerentscheid verhindert wurde. Das Kalkül: Ein von der Stadtverordnetenversammlung beschlosse-nes Bürgerbegehren ließe sich später eher ausbremsen als das Ergebnis eines Bürgerentscheids.
Die Wiederaufbaugegner fühlen sich betrogen und fordern den Stopp aller Wiederaufbau-Vorbereitungen. Die Lokalpresse, bisher der Garnisonkirche durchaus zugewandt, empört sich über „Tricks“, „Finten“ und „politische Arroganz“ und vermutet, der Bürgerentscheid sei nur deshalb verhindert worden, weil er eine Mehrheit gegen die Garnisonkirche gebracht hätte. Inzwischen bemüht sich Oberbürgermeister Jann Jakobs um Schadensbegrenzung. Er hält eine Bürgerbefragung für denkbar. Gut möglich also, dass die Potsdamer bald doch noch über die Garnisonkirche abstimmen werden.
Die Gegner des Wiederaufbaus formierten sich 2011 in der Bürgerinitiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“, die von den Parteien Die Linke und Die Andere unterstützt wird. Sie verweisen vor al-lem auf die Vergangenheit der Garnisonkirche – als „Ruhmeshalle“ der preußischen und deutschen Ar-mee, als Wallfahrtsstätte antidemokratischer Kräfte nach dem ersten Weltkrieg und als Schauplatz na-tionalsozialistischer Selbstdarstellung. So fand in der Kirche am 21. März 1933 der sogenannte Tag von Potsdam statt, bei dem Nationalkonservative und Nationalsozialisten ihr Bündnis besiegelten. Ein Wiederaufbau dieser Kirche würde nach Ansicht der Gegner ein völlig falsches Signal senden.
2005 hatte man den symbolischen Grundstein gelegt. Lange schien es, als sei der auf 100 Millionen Euro geschätzte Wiederaufbau nur eine Frage der Zeit. Doch der Wind hat sich gedreht. Es fließen kaum Spenden, weshalb der Baubeginn immer wieder verschoben wurde. 2012 landete bei einer Abstimmung über den Potsdamer Bürgerhaushalt überraschend ein Sparvorschlag auf dem ersten Platz: der Verzicht auf den Einsatz städtischer Gelder für die Garnisonkirche. Der langjährige brandenburgische Landeskonservator Detlef Karg mahnte, der Wiederaufbau sei unverantwortlich angesichts 1900 gefährdeter Kirchen in Brandenburg. Im Juni 2014 meldete sich die Jüdische Gemeinde gegen den Wiederaufbau der „Kirche der Schande“ zu Wort. Bereits im April hatte die „Stiftung Preußisches Kulturerbe“ nach Streit mit der „Stiftung Garnisonkirche Potsdam“ den Ausstieg aus dem Projekt beschlossen.
14.000 Unterschriften in drei Monaten Ihren Höhepunkt erreichten die Proteste mit einem Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche, das im März dieses Jahres gestartet wurde. Die Resonanz übertraf alle Erwartungen. Binnen dreier Monate kamen über 14.000 gültige Unterschriften zusammen; das nötige Quorum von 13.300 Stimmen war lange vor der gesetzlichen Frist von einem Jahr erreicht. Auf dem Weg zum Bürgerentscheid galt es, nur noch eine Hürde zu überwinden: Das Bürgerbegehren musste zunächst durch die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung abgelehnt werden. Eine reine Formsache, so schien es, da dort die Parteien der Rathauskooperation die Mehrheit haben, die das Bürgerbegehren ablehnt. Doch deren Vertreter griffen zu einem Trick. Sie enthielten sich bei der Abstimmung am 30. Juli der Stimme – mit der Folge, dass das Bürgerbegehren angenommen und so ein Bürgerentscheid verhindert wurde. Das Kalkül: Ein von der Stadtverordnetenversammlung beschlosse-nes Bürgerbegehren ließe sich später eher ausbremsen als das Ergebnis eines Bürgerentscheids.
Die Wiederaufbaugegner fühlen sich betrogen und fordern den Stopp aller Wiederaufbau-Vorbereitungen. Die Lokalpresse, bisher der Garnisonkirche durchaus zugewandt, empört sich über „Tricks“, „Finten“ und „politische Arroganz“ und vermutet, der Bürgerentscheid sei nur deshalb verhindert worden, weil er eine Mehrheit gegen die Garnisonkirche gebracht hätte. Inzwischen bemüht sich Oberbürgermeister Jann Jakobs um Schadensbegrenzung. Er hält eine Bürgerbefragung für denkbar. Gut möglich also, dass die Potsdamer bald doch noch über die Garnisonkirche abstimmen werden.
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