Weiß-blaues Vermächtnis
Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt a. M.
Weiß-blaues Vermächtnis
Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt a. M.
Bayern will mit einem Museum zu seiner Geschichte die Landesliebe stärken. Für den Neubau in Regensburg lieferten 254 Wettbewerbsteilnehmer zeitgenössische Architektur in weiß-blauem Gewand: mit Rauten und Scheunen und Kalkstein aus der Region.
Als Horst Seehofer im Oktober 2008 bayerischer Ministerpräsident wurde, kündigte er umgehend an, zur „Förderung bayerischer Identität“ ein Museum der bayerischen Geschichte schaffen zu wollen. Das Wissenschaftsministerium entwarf einen Kriterienkatalog, das Haus der Bayerischen Geschichte ein Konzept, und ein Eröffnungstermin wurde genannt: der 7. November 2018. Genau 100 Jahre zuvor hatte Kurt Eisner den Freistaat Bayern ausgerufen. Zunächst aber musste der Standort festgelegt werden. 25 Städte bewarben sich, das Museum zu beherbergen. Des Landesvaters „Lieblingsvorzeigeprestigeprojekt“ im Ort zu haben, lohnt sich. Der Einrichtung, die laut Seehofer ein „Mitmach-Museum“ sein und die Geschichte Bayerns seit dem 19. Jahrhundert präsentieren soll, werden bis zu 300.000 Besucher prognostiziert, und das Land trägt Bau-, Betriebs- und Personalkosten. So schlug also Kempten eine historische Textilfabrik vor, Würzburg eine Schule aus den fünfziger Jahren. Regensburg, die mit 1700 Baudenkmälern und UNESCO-Welterbestatus gesegnete Stadt, trat mit dem Donaumarkt, einem Platz in der östlichen Altstadt an – mit Erfolg, obwohl ein Bürgerbegehren schon dreimal den Bau einer Stadthalle auf der zum Parken und als Wochenmarkt genutzten Brache an der Donau verhindert hatte.
Im Mai dieses Jahres ließ sich Seehofer in Regensburg ablichten: vor dem Holzmodell der Altstadt mit dem weißen Einsatzmodell von woernerundpartner. Die Jury (Vorsitz: Josef Peter Meier-Scupin) hatte wenige Tage zuvor den Entwurf des Frankfurter Bü-ros mit dem 1. Preis bedacht. Die Arbeit fügt sich maßstäblich und mit differenzierter Dachlandschaft ein und wirkt mit einer eingezogenen Fassade von der Donau wie von der Stadt her einladend. Sie ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie sich in einem sensiblen und öffentlich diskutierten Umfeld weiterbauen lässt, ohne auf Prägnanz zu verzichten. Basis des Entwurfes ist die Bebauung des Areals vor 1890. Damals errichtete man auf Kosten einiger Abrisse u.a. ein Lagergebäude, das im 2. Weltkrieg zerstört und abgetragen wurde. Weitere Abrisse folgten für eine dann doch nicht realisierte Donaubrücke. Woernerund partner wollen nun die historische Gassen- und Platzstruktur wieder beleben und in den neuen Museumsbau als Foyer oder Fuge unter gläsernen Oberlichtern integrieren.
Die Räume für Sonderausstellung und Veranstaltungen, gefordert waren 1000 m², liegen im Erdgeschoss, diejenigen für die dreiteilige Dauerausstellung, mit insgesamt 2500 m², im stützenfreien Obergeschoss. Der Baukörper ist kleiner als das zerstörte Lager, deutlich größer aber als die umliegenden Gebäude. Für die der Verwaltung und der Mediathek zugedachten Räume schlägt das Frankfurter Büro eine ergänzende Blockrandbebauung vor, die das Stadtgefüge arrondiert. Für die Fassade soll jener regionale Kalkstein verwendet werden, den schon Leo von Klenze für die Walhalla im nahen Donaustauf und für die Befreiungshalle in Kelkheim verbauen ließ. Zur Eröffnung der Wettbewerbsausstellung bezeichnete Hans Weber, Leiter des Staatlichen Bauamtes Regensburg und Mitglied der Jury, die mit dem 1. Preis bedachte Arbeit als jene Stadtreparatur, die für den Donaumarkt schon lange überfällig sei. 254 Büros hatten sich an dem offenen Wettbewerb beteiligt, über 70 aus dem Ausland. Sie zeigten, was derzeit en vogue ist – unter weiß-blauen Vorzeichen: So wurde vor allem die schiefwinklige Raute in allen denkbaren Variationen bemüht, ob aus Glas, Metall, Fließen oder gemalt. Übergroße Scheunen waren ebenfalls ein beliebtes Motiv, und auch Zumthors Kolumba wurde gerne zitiert.
Die mit dem 2. Preis ausgezeichnete Arbeit des Grazers Titus Pernthaler erinnert an das Rotterdamer Eye Film Institute von Delugan Meissl, was nicht ohne Pikanterie ist, da Elke Delugan-Meissl Mitglied der Jury war. „Der solitäre Baukörper“, urteilten die Preisrichter, „lebt von der Negation der historischen Gegebenheiten“. Die Jury lobte ein „starkes Statement mit Zeichenhaftigkeit“, kritisierte allerdings den zu erwartenden „konstruktiven Aufwand“ des u-förmigen, weit auskragenden Baukörpers. Einen sehr kompakten, relativ hohen Solitär schlägt der Münchner Reinhard Bauer vor, der den 3. Preis erhielt. Der „mächtige, kraftvolle und spannungsgeladene Baukörper hat hohen Erinnerungswert“, kommentierte die Jury. Der Entwurf habe städtebauliche Qualität, doch die Raumhöhen seien „zu gering“ und die Fassadengestaltung könne nicht überzeugen. Ein großes Volumen plante auch die Arbeitsgemeinschaft aus Rotterdam, Zürich und Regensburg um das Architekturbüro BUBE, die den 4. Preis erhielt. Die „städtebauliche Setzung“ und die „reizvollen Innenräume“ überzeugten die Jury, „die typologische Reminiszenz an den Stadel“ sowie die Rundbögen gefielen ihr nicht. Einen lang gestreckten Solitär mit Satteldach-Landschaft entwarfen die Dortmunder Gerber Architekten. Sie erreichten zwar den 5. Preis, ernteten von der Jury aber viel Kritik, vor allem für die Fassadengestaltung.
Das neue Museum soll ein Ort sein „für alle, die Bayern lieben und auch für diejenigen, die es noch besser kennen lernen wollen“, so der Landesvater. Die Liebhaber des Weiß-Blauen müssen sich noch gedulden, wenn auch nicht ganz so lange, wie anfänglich befürchtet. In der CSU ist dann doch jemandem aufgefallen, dass Kurt Eisner Sozialdemokrat war. Kurzerhand hat man beim Eröffnungstermin nachgebessert: Jetzt soll das Museum schon am 27. Mai 2018, am 200. Geburtstag der Verfassung des Königreichs Bayern, seine Tore öffnen.
Offener Realisierungswettbewerb1. Preis woernerundpartner, Frankfurt a.M.
2. Preis Architekten Pernthaler, Graz
3. Preis Reinhard Bauer, München
4. Preis BUBE, Rotterdam; Vukoja Goldinger, Zürich; Dotter + Payer, Regensburg
5. Preis Gerber Architekten, Dortmund
Anerkennung Mauro Turin, Lausanne
Anerkennung Florian Krieger, Darmstadt
Anerkennung Architekturbüro 1, Linz
Anerkennung Pichler & Traupmann, Wien
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