Bauwelt

Würfel für Selbstbauer

Text: Landes, Josepha, Dresden

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Christian Gahl

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Würfel für Selbstbauer

Text: Landes, Josepha, Dresden

Der Kubus von Nicolas Sypereck soll Großes mit kleinen Räumen anstellen, mit Wenigem viel schaffen. Damit gemeint ist, nicht nur schickes Design zu entwerfen, sondern auch unerwartet-unerhoffte Raumwirkungen zu entfalten.
Die letzten 20 Jahre scheinen an Teilen von Berlin-Wedding vorbeigegangen zu sein. Manche Straßenzüge gleichen noch immer einem von Karies gezeichnetem Haigebiss. Lücken wechseln mit renovierungsbedürftigen Mietshäusern und Gewerbehöfen, die sich tief ins Blockinnere hinein fortsetzen – Hinterhaus hinter Hinterhaus hinter Haus.

In einem von ihnen ist ein weißes Raummöbel entstanden, weit hinter einer Straßenfassade mit reichem Zierrat. Bereits im ersten, braun-grau verputzten Hof zerbröselt die Illusion von gründerzeitlichem Wohlstand. In den Hausdurchgängen werben verblassende Schriftzüge für längst vergessene Gewerbe. Im letzten Hof tut sich ein Spielfeld für Künstler und Kunstliebhaber auf – Ateliers und ein Club-Café, knirsch am Bahndamm. Die Inbesitznahme dieser, direkt an den Flusslauf der Panke grenzenden Klinkerbauten ist in stetigem, privat finanziertem Werden. So jedenfalls vermittelt es die bunte Mischung unterschiedlicher Fensterrahmen.

Hinter einem der Fenster im vierten Hinterhof steht „Kubus 2“, ein Küche-Bett-Bad-Immobiliar, entworfen von Nicolas Sypereck. Ein junger Goldschmied wollte, ohne allzu viele Flächeneinbußen, eine Wohnstatt in seine Werkstatt, in der er auch Kunden empfängt, integrieren. Der Einbau sollte also in einem halböffentlichen Raum auch privaten Rückzug zulassen. Der Kubus steht selbstbewusst im Raum und verbirgt geschickt seine intimen Funktionsbereiche. Auf 4,5 Quadratmetern Grundfläche fanden eine Dusche, eine WC-/Waschkammer und, über dieser, ein Bett Platz. Die Kunden können weder Bett noch Dusche erahnen. Die Küche ist durch einen Tresen, der im Kundenbetrieb als Präsentationsfläche nutzbar ist, der Öffentlichkeit entrückt. Die Tür zur Waschkammer liegt unauffällig im Gang zwischen Kubus und Wand. Eine enge Passage dieser Art bildete Sypereck bereits mit dem Vorgängerprojekt „Kubus 1“. Dort setzte er sie ebenfalls zur Trennung der privaten von gemeinschaftlichen Zonen ein, aber auch, um den durch den Würfel abgetrennten Flur zu belichten.

Der „Kubus“ ist als Design-Reihe gedacht. In die verschachtelte Situation im Wedding passt das Konzept ausgesprochen gut – auch das Objekt ist mehrschichtig, wie eine Matrjoschka-Puppe. Es besteht aus einem dunklen Kern und einer darum gelegten hellen Schale. Dabei fügt die Bewegung der Hülle die Raumbereiche aktiv ineinander. Ein Ende ragt als Tresen auf der Längsachse des Grundrisses ins Atelier und öffnet die Figur so zum Raum. Weiß und Grau, Innen und Außen wiegen sich nahezu auf. Im Gegensatz dazu wurde die Raumtiefe von „Kubus 1“ durch teilweise Aushöhlung der Schale geschaffen. Die Grundkubatur des Würfels wurde kaum verändert, was ihn statischer im Raum positioniert. Er wirkt wie ausgepult, ein weißer Körper mit grau hinterlegten Nischen.

Beide Kuben, so monolithisch sie auch sind, scheinen im Raum zu schweben. Die weiße Hülle wirkt leicht und lässt an Marshmallows denken. Dieser Eindruck entsteht durch die schmale Fuge über dem Boden. Bei „Kubus 2“ erschließt sich daraus deutlich die Logik: Es geht um mehr als reines Formenspiel – der Kontrast zwischen Kern und Hülle wird da ablesbar, wo den Kern schwer auf dem Boden steht, während die Hülle, polsternd, erst einige Zentimeter darüber beginnt. Das Detail ist ausschlaggebend, um der Konstruktion Ausdruck zu ver­leihen. Nicht von ungefähr ist „Kubus“ mehr Raum als Möbel, denn einmal alle Teile zu einem Ganzen gefügt, ist er zu schwer, um bewegt zu werden. Um eine zu Beginn der Montage im Raum ausgerichtete MDF-Platte entwickelt sich die gesamte Holzständerkonstruktion. Die Fuge unterstreicht die Schwere im Zentrum des Raummöbels.
Die großflächigen Beplankungsplatten sind nach CAD-Vorlage aus MDF gefräst und wurden im Fall von „Kubus 2“ von Bauherrn und Architekt gemeinsam verschraubt. An einem Tag war die Grundform errichtet. Feinarbeiten wie Lackieren und Polieren verlangten dem Besitzer mehr an Zeit ab, machten das Vorhaben aber finanzierbar. Der „Kubus“ als Selbst-Bau-Kasten schwebt Nicolas Sypereck denn auch für die Zukunft vor. Preiswert und qualitativ hochwertig zugleich zu gestalten ist sein Anliegen. Damit möchte der Architekt Kunden überzeugen, deren finanzielle Mittel zwar beschränkten sind, die aber doch Ansprüche an einen Raum stellen.  
Fakten
Architekten Sypereck, Nicolas
aus Bauwelt 6.2013
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