Form und Gefäß
2019 feiert das Bauhaus 100-jähriges Jubiläum. Anlass, um das Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau bei Berlin um ein Besucherzentrum zu erweitern. Steimle Architekten setzten sich durch.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Form und Gefäß
2019 feiert das Bauhaus 100-jähriges Jubiläum. Anlass, um das Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau bei Berlin um ein Besucherzentrum zu erweitern. Steimle Architekten setzten sich durch.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Nach dem Bauhaus in Dessau ist im vergangenen Sommer auch die ehemalige Gewerkschaftsschule von Hannes Meyer in Bernau bei Berlin von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Der Bau, 1928 von dem frisch berufenen Bauhaus-Direktor zusammen mit Hans Wittwer und den schuleigenen Werkstätten entwickelt, zeigt die weniger heroische Ausprägung der berühmten Kunstschule, die im nächsten Jahr ihre 100- jährige Gründung feiert.
Meyer, der als Walter Gropius’ Nachfolger dort eine Bauabteilung einrichtete, legte seinen Fokus auf Funktionalität, Volksökonomie und auch materielle Dauerhaftigkeit, an der es der „Weißen Moderne“ gebricht. Für die kurzen Aufenthalte der Gewerkschaftler an der Schule war eine einfache organisatorische und soziale Orientierung vonnöten. „Die Bauanlage,“ so Meyer, „ist lediglich eine plastische Übersetzung dieser sozialpädagogischen Funktionen.“
Im Jubiläumsjahr 2019 soll für die in einem Kiefernwald gelegene Bauhausstätte ein neuer Empfangsbau bereit stehen, der aber auch als Anlaufpunkt des Ortsteils Waldfrieden dient. Dem funktionalen Spagat folgt ein gestalterischer, nämlich sich als „hochwertiges städtebaulich-architektonisches Bauwerk“ dem Weltkulturerbe unterzuordnen.
Dank der Förderung des Neubaus im Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ konnte die Stadt Bernau einen nicht offenen Wettbewerb ausloben, an dem 15 Büros – sechs gesetzt, neun gelost – teilnahmen. Das Preisgericht fand unter den überwiegend quaderförmigen Boxen und den freien Formen einen geeigneten Entwurf. Die Preise kann man als zeitgenössische Interpretationen von Gropius und Meyer deuten.
Der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Pavillon von Steimle Architekten aus Stuttgart überzeugte das Preisgericht durch „die funktional flexiblen Nutzungsmöglichkeiten und den abstrakten Duktus des Gestaltungsansatzes.“ Asymmetrisch gestellte Schotten sorgen für eine eindeutige Öffnung des Raumes zum Baudenkmal. Durch Verlagern der Sanitär- und Nebenräume ins Untergeschoss können die übrigen Funktionen so platziert werden, dass dank der geschosshohen, vollständigen Verglasung eine visuelle Durchlässigkeit weitgehend ermöglicht wird. Äußerlich fällt die breite Dachschürze ins Auge, deren charakteristische Einschnitte ihm die Schwere nimmt. Gehalten wird die Konstruktion durch in ihrer Materialstärke äußerst reduzierte Zugstützen, so dass die klare Form zwischen den Kiefern zu schweben scheint.
Der 2. Preis von Arnke Hänsch Mattmüller aus Berlin ist hingegen ein bescheidener Holzbau, der – ganz im Sinn von Meyer – weniger Form als Gefäß der Funktionen sein möchte. Der Grundriss wird bestimmt von vier gleich den benachbarten Lehrerhäusern gestaffelten Kuben, die durch eine ebenfalls Meyer zitierende, gerade Glasfront zusammengefasst und ausschließlich zum Baudenkmal ausgerichtet werden. Über Sheddächer werden die ansonsten geschlossenen, tiefen Räume belichtet, deren variable Nutzung vom Preisgericht gewürdigt wird.
Die beiden Anerkennungen sind formal ähnlich: Bei dem Entwurf von Richter Musikowski Architekten hebt das Preisgericht die ausgewogene und flexibel bespielbare Anordnung der geschlossenen und offenen Räume hervor; die markanten Oberlichter scheinen jedoch eher als Einzelobjekte statt Pläne und Fotos in Szene setzen zu wollen. Im Beitrag von Dittel Architekten stechen hingegen überraschende Ausstellungspräsentationen heraus.
Andere Arbeiten sind zu verspielt, wie ein Vorschlag verdrehter, mit Pultdächern versehener Körper, oder stellen durch edle Materialien die Gewerkschaftsschule in den Schatten. Den zukünftigen Besuchern bleibt zu wünschen, dass der erste Preisträger seinen Entwurf trotz straffer Rahmenbedingungen realisieren kann. Das Budget beträgt 830.000 Euro, die Bauzeit nur rund ein Jahr.
Nichtoffener Realisierungswettbewerb
1. Preis Steimle Architekten, Stuttgart
2. Preis Arnke Hänsch Mattmüller, Berlin
Anerkennung Dittel Architekten, Stuttgart
Anerkennung Richter Musikowski, Berlin
Fachpreisrichter
Barbara Holzer, Zürich (Vorsitz); Angela Mensing-de Jong, Dresden; Winfried Brenne, Berlin; Wolfgang Schuster, Potsdam; Silvia Schellenberg-Taut, Leipzig; Philipp Jamme, Potsdam; Johann Bierkandt, Mannheim
Ausloberin
Stadt Bernau bei Berlin
Wettbewerbsbetreuung
Gruppe Planwerk, Berlin
1. Preis Steimle Architekten, Stuttgart
2. Preis Arnke Hänsch Mattmüller, Berlin
Anerkennung Dittel Architekten, Stuttgart
Anerkennung Richter Musikowski, Berlin
Fachpreisrichter
Barbara Holzer, Zürich (Vorsitz); Angela Mensing-de Jong, Dresden; Winfried Brenne, Berlin; Wolfgang Schuster, Potsdam; Silvia Schellenberg-Taut, Leipzig; Philipp Jamme, Potsdam; Johann Bierkandt, Mannheim
Ausloberin
Stadt Bernau bei Berlin
Wettbewerbsbetreuung
Gruppe Planwerk, Berlin
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