Bilbao in Karlsruhe
Der Umbau und die Erweiterung soll das Badische Staatstheater in Karlsruhe zu einem Stück Alltags- kultur machen. Offener und präsenter wünschte sich die Jury die beiden Siegerarbeiten und ließ überarbeiten
Text: Schönwetter, Christian, Stuttgart
Bilbao in Karlsruhe
Der Umbau und die Erweiterung soll das Badische Staatstheater in Karlsruhe zu einem Stück Alltags- kultur machen. Offener und präsenter wünschte sich die Jury die beiden Siegerarbeiten und ließ überarbeiten
Text: Schönwetter, Christian, Stuttgart
Die Chance, ein großes Dreispartenhaus neu zu konzipieren, bietet sich in Deutschland nicht alle Tage. Zwar geht es beim Badischen Staatstheater in Karlsruhe nur um An- und Umbau, allerdings sind die geforderten Änderungen so umfangreich, dass sie einem kompletten Neuanfang gleichkommen. Mehrere Spielstätten, die bislang über die Stadt verteilt sind, sollen zum Haupthaus verlegt und um neue Probebühnen ergänzt werden. Darüber hinaus möchte sich das Theater weiterentwickeln: weg vom nur abends geöffneten Bauwerk für die Hochkultur, hin zu einem ganztägig offenen Kulturzentrum. Das Haus soll einladender wirken, um Theater zu einem Stück Alltagskultur zu machen. Bereits heute dienen die Foyers tagsüber als „Theabib“, als Lesesaal für Studenten.
Das bestehende Gebäude aus den Jahren 1970–75 war von Beginn an ein Kompromiss. Weil man damals davon ausging, dass die Kunstgattung Oper bald aussterben würde, hatte man Vieles zu klein bemessen, vor allem die Musikprobenräume. Trotz zahlreicher Sparmaßnahmen war dem Architekten Helmut Bätzner, neben Rolf Gutbrod Miturheber der Stuttgarter Liederhalle, jedoch ein ansprechendes Stück Baukunst geglückt. Wie die skulpturale Abstraktion eines kleinen Gebirges erhebt sich das horizontal geschichtete Gebäude auf dem Grundstück, umgeben von viel Freiraum, als zeittypischer Solitär freilich ohne erkennbaren Bezug auf die Raumkanten der Nachbarschaft.
Im europaweit ausgelobten Wettbewerb für die Erweiterung des Theaters haben einige Teilnehmer nun den Versuch unternommen, den polygonalen Solitär Bätzners konsequent zu einem orthogonalen Block zu vervollständigen, der sich in das Straßenraster der gründerzeitlichen Umgebung einpasst. Doch keine dieser Arbeiten hat dafür eine überzeugende Lösung gefunden, die eine Aufnahme in die Preisgruppe gerechtfertigt hätte. Erneut zeigt sich, dass beim Bauen im Bestand kein befriedigender Entwurf entsteht, wenn man gegen das Bauwerk plant statt mit ihm. Hinzu kommt: Warum soll man einem so bedeutenden Gebäude wie einem Staatstheater nicht eine Sonderstellung im Stadtgrundriss zugestehen?
Mehr Erfolg hatten diejenigen Entwürfe, die Bätzners Architektur weiterdenken. Die Jury vergab dafür zunächst zwei erste Preise. Dietrich| Untertrifaller ergänzen den kantigen Bestand hauptsächlich an den äußeren Ecken und ordnen dort Medienfassaden an, die im Stadtraum weithin sichtbar über das Geschehen im Haus in-
formieren, während die restlichen Fassaden eine dezente Hülle aus mikroperforierten konkaven Blechstreifen zeigen. Die Jury bemängelte unter anderem, dass diese einheitliche Haut im Erd-geschoss zu abweisend wirke und die horizon-tale Schichtung des Bestands negiere. Delugan Meissl mit Wenzel + Wenzel entwickeln eine ähnliche Grundrissfigur, öffnen das Erdgeschoss fast vollflächig mit Glas, fügen als einladende Geste eine extrabreite Freitreppe zum Foyer im 1. Obergeschoss an und hüllen die oberen Etagen mitsamt Dach in ein einheitliches Kleid aus Metallgewebe, das wie ein Tuch in sanftem Schwung über den einzelnen Teilvolumina zu liegen scheint. Hier kritisierte die Jury unter anderem die Lage der Tiefgarageneinfahrt und die Ausrichtung der Freitreppe nach Norden statt nach Westen zum Vorplatz. Beide Preisträger wurden zu einer Überarbeitung in einem Verhandlungsverfahren aufgefordert.
formieren, während die restlichen Fassaden eine dezente Hülle aus mikroperforierten konkaven Blechstreifen zeigen. Die Jury bemängelte unter anderem, dass diese einheitliche Haut im Erd-geschoss zu abweisend wirke und die horizon-tale Schichtung des Bestands negiere. Delugan Meissl mit Wenzel + Wenzel entwickeln eine ähnliche Grundrissfigur, öffnen das Erdgeschoss fast vollflächig mit Glas, fügen als einladende Geste eine extrabreite Freitreppe zum Foyer im 1. Obergeschoss an und hüllen die oberen Etagen mitsamt Dach in ein einheitliches Kleid aus Metallgewebe, das wie ein Tuch in sanftem Schwung über den einzelnen Teilvolumina zu liegen scheint. Hier kritisierte die Jury unter anderem die Lage der Tiefgarageneinfahrt und die Ausrichtung der Freitreppe nach Norden statt nach Westen zum Vorplatz. Beide Preisträger wurden zu einer Überarbeitung in einem Verhandlungsverfahren aufgefordert.
Nach der Überarbeitung haben sich die ohnehin schon ähnlichen Arbeiten der beiden ersten Preisträger weiter angenähert: Bei Dietrich| Untertrifaller sind die Erdgeschossfassaden jetzt so offen gestaltet wie von Anfang an bei Delugan Meissl und der Bau zeigt eine stärkere horizontale Schichtung. Umgekehrt bespielen die Wiener nun Teile ihres Gebäudes mit einer Medienfassade, wie es Dietrich|Untertrifaller von Anfang an getan haben, und ordnen die Zufahrt zur Tiefgarage an der gleichen Stelle an. Für den Bauherrn hat sich die Überarbeitung dadurch besonders gelohnt: Er profitiert nun vom Input zweier Architekturbüros in nur einem Entwurf. Am Ende machten die Wiener das Rennen. In einer ausführlichen Bewertungsmatrix, in die übliche Teilkriterien wie Wirtschaftlichkeit, Ökologie, Funktionalität usw. einflossen, errangen sie einen Sieg nach Punkten. Ihr Entwurf bot unter dem großen einheitlichen Dach mehr Spielraum, um flexibel auf die Kritikpunkte der Jury zu reagieren und den Grundriss weiter zu optimieren. Und nicht zuletzt darf sich der Bauherr von dieser Arbeit wohl das größere „Bilbao-Pozential“ erhoffen.
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