Der SWR in Baden-Baden
Mit Abriss, Neubau und Teilverkauf seines Geländes in Baden-Baden will der Südwestrundfunk seine Finanzen sanieren. Während die Politik den Weg ebnet, sehen viele Bewohner ihre Wohnidylle Renditeinteressen geopfert. Das jüngst entschiedene Verfahren „Am Tannenhof“ ist erst der Anfang
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Der SWR in Baden-Baden
Mit Abriss, Neubau und Teilverkauf seines Geländes in Baden-Baden will der Südwestrundfunk seine Finanzen sanieren. Während die Politik den Weg ebnet, sehen viele Bewohner ihre Wohnidylle Renditeinteressen geopfert. Das jüngst entschiedene Verfahren „Am Tannenhof“ ist erst der Anfang
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Um die Tragweite des Auswahlverfahrens „Wohnbebauung Am Tannenhof“ in Baden-Baden absehen zu können, muss die turbulente Vorgeschichte angerissen werden. Die traditionsreiche Kur- und Bäderstadt, die idyllisch an Oos und Schwarzwaldhängen gelegen ist, verzeichnet laut Merian 8/2010 proportional die meisten Millionäre in Deutschland. Es gibt eine Spielbank, und man hört bemerkenswert viel Russisch.
In Baden-Baden residiert der Südwestrundfunk (SWR) als großer Arbeitgeber seit den 50er Jahren – inzwischen muss er, wie so viele in seiner Branche, sparen. Kaum hatte er zur Empörung der Musikwelt entschieden, 2016 seine beiden renommierten Orchester zusammenzulegen, schreckte der Sender ganz Baden-Baden mit einer städtebaulich folgenreichen Entscheidung auf. Bislang schmiegten sich die Rundfunkbauten wie auf einem Campus mit landschaftsverträglichen Baukörpern an den Fremersberg, der in der hügeligen Topographie Baden-Badens das Stadtbild mitprägt, nun dachte sich der SWR eine rentable Strategie aus: Zwei Drittel seines weitläufigen Geländes in bester Lage verkauft er und baut auf dem Rest, an der Stelle eines Hubschrauberlandeplatzes, ein Hochhaus als „Markenzeichen“, in dem die rund 300 Mitarbeiter untergebracht werden sollen. Dass ein Maßstabssprung auf etwa 60 Meter Haushöhe mit zusätzlicher, neuer Wohnbaung realisiert werden kann, macht ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ der Stadt möglich.
Die weitgehend funktionstüchtigen Bauten auf dem nunmehr 50.000 Quadratmeter großen SWR-Gelände sollen abgerissen und durch ein „gehobenes Wohngebiet“ ersetzt werden. Nur das denkmalgeschützte Hotel „Tannenhof“ bleibt erhalten. Gegen die SWR-Pläne formierte sich Widerstand auf breiter Front in der Bevölkerung und unter anderem beim BDA –vergeblich, die Mehrheiten im Gemeinderat folgen dem Ansinnen des SWR. Abgestimmt mit dem Amt lobte der SWR den zweiphasigen Investorenwettbewerb für die neue Wohnbebauung aus, ohne dass eine städtebauliche Gesamtkonzeption im Zusammenspiel mit den SWR-Medienzentrum-Plänen erarbeitet worden wäre. Ende Oktober soll vielmehr der parallel laufende Hochhaus-Wettbewerb entschieden werden. Versucht man in Baden-Baden en miniature, was Tom Mayne im schweizerischen Vals (Bauwelt 24.2015) und Herzog & de Meuron auf der Schatzalp bei Davos planen?
In der Beschlussvorlage zum Auswahlverfahren für das Wohngebiet „Am Tannenhof“ vom 9. Januar 2015 heißt es lapidar: „Den Zuschlag erhält der Bieter, der unter Beachtung der städtebaulichen Vorgaben den höchsten Verkaufserlös ermöglicht.“ Die Entscheidung des Wettbewerbs fiel dementsprechend aus: Den 1. Preis erhielten Kuehn Malvezzi mit der Epple Projekt GmbH für ein Konzept, in dem als Zielgruppen in erster Linie „Paare über 50, Singles und Zweithaushalte ohne Kinder“ berücksichtigt sind. Damit weichen Investor und Architekten durchaus von der Auslobung ab, in der weitergefasste Nutzergruppen vorgesehen waren. Mit einer Geschossfläche von mehr als 38.000 m2 liegen Kuehn Malvezzi über dem 2. Preis (Peter W. Schmidt mit GERHARDT.stadtplaner.architekten, Karlsruhe; BAUER. LANDSCHAFTSARCHITEKTEN, Karlsruhe und Weisenburger Projekt GmbH, 34.000 m2) und dem 3. Preis (K9 Architekten Borgards Lösch Piribauer mit LBBW Immobilien Developement GmbH, 37.000 m2). Bei K9 Architekten fallen gleiche Baukörpergrößen auf, die ansatzweise parallel zum Hang aufgestellt sind, Peter W. Schmidt überrascht mit deutlicher Differenzierung der Gebäudetypologien.
Kuehn Malvezzi schlagen „Punkthäuser“ mit schiefwinkliger Kontur, Stadtvillen und Stadt- und Reihenhäuser vor – im Ganzen kommt bei ihnen eine dichte Bebauung dem Ziel des Auslobers SWR am nächsten: Das Projekt wird sich gewiss rentieren. De facto sieht es in Baden-Baden derzeit aus, als dominiere der Südwestrundfunk mit seinen Interessen unverhohlen die Stadtplanung – begleitet von der Nachgiebigkeit der Politik.
Seit 2010 übrigens bewirbt sich Baden-Baden mit anderen Kurorten um die Aufnahme ins Unesco-Welterbe. Die Stadt wäre nicht die erste, die kulturelle Ansprüche Bedürfnissen der Wirtschaft hintanstellt.
Investoren- und Architekten-Auswahlverfahren für die städtebauliche Entwicklung des Areals „Am Tannenhof“
1. Preis (8000 Euro) Kuehn Malvezzi, Berlin; Epple Projekt GmbH, Heidelberg
2. Preis (4000 Euro) Peter W. Schmidt, Pforzheim, Berlin; GERHARDT.stadtplaner.architekten, Karlsruhe; BAUER. LANDSCHAFTSARCHITEKTEN, Karlsruhe; Weisenburger Projekt GmbH, Rastatt
3. Preis (2000 Euro) K9 Architekten Borgards.Lösch.Piribauer, Freiburg im Breisgau; LBBW Immobilien Development GmbH, Stuttgart
1. Preis (8000 Euro) Kuehn Malvezzi, Berlin; Epple Projekt GmbH, Heidelberg
2. Preis (4000 Euro) Peter W. Schmidt, Pforzheim, Berlin; GERHARDT.stadtplaner.architekten, Karlsruhe; BAUER. LANDSCHAFTSARCHITEKTEN, Karlsruhe; Weisenburger Projekt GmbH, Rastatt
3. Preis (2000 Euro) K9 Architekten Borgards.Lösch.Piribauer, Freiburg im Breisgau; LBBW Immobilien Development GmbH, Stuttgart
Fachpreisrichter
Susanne Dürr, Karlsruhe; Ursula Hüfftlein-Otto, Stuttgart; Gunter Kölz, Ludwigsburg; Anett-Maud Joppien, Darmstadt; Jórunn Ragnarsdóttir, Stuttgart; Wolfgang Riehle, Reutlingen (Vorsitz); Eckart Rosenberger, Gerlingen; Anette Rudolph-Cleff, Mannheim; Elke Ukas, Karlsruhe; Wolfgang Wienk-Borgert, Baden-Baden
Susanne Dürr, Karlsruhe; Ursula Hüfftlein-Otto, Stuttgart; Gunter Kölz, Ludwigsburg; Anett-Maud Joppien, Darmstadt; Jórunn Ragnarsdóttir, Stuttgart; Wolfgang Riehle, Reutlingen (Vorsitz); Eckart Rosenberger, Gerlingen; Anette Rudolph-Cleff, Mannheim; Elke Ukas, Karlsruhe; Wolfgang Wienk-Borgert, Baden-Baden
Wettbewerbsbetreuer
Architektur 109, Stuttgart
Architektur 109, Stuttgart
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