Die Hochstapler
Warum die Entwürfe des eVolo Skyscraper Wettbewerbs 2015 an einen James-Bond-Film erinnern
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Die Hochstapler
Warum die Entwürfe des eVolo Skyscraper Wettbewerbs 2015 an einen James-Bond-Film erinnern
Text: Meyer, Friederike, Berlin
„Die Welt ist nicht genug“ heißt der Titel eines James-Bond-Films aus dem Jahr 1999. Darin geht es unter anderem um den Bau einer Öl-Pipeline, um eine Atombombe und wie immer um den Sieg des vermeintlich Guten über das Böse. Wer die Entwürfe des eVolo Skyscraper Wettbewerbs 2015 betrachtet, könnte in ihnen Ideen für ein Remake erkennen. Da ist zum Beispiel ein mit Bäumen visualisiertes Biotop auf einer Bohrinsel, das die durch Ölförderung verseuchten Meeresgebieten regenerieren helfen soll. Da ist zum anderen eine aufgeständerte Stadt im russischen Arktishafen Dikson, die neue Bewohner anziehen soll. Und da schlägt jemand einen verglasten Multifunktionskomplex für Tschernobyl vor, in den die einstigen Bewohner zurückkehren können. Dass der seit 2006 jährlich ausgelobte Wettbewerb (Bauwelt 19.08 und 13.12) nicht unbedingt realisierbare Hochhausideen sucht, zeigt die Auslobung: Hochhaus steht hier sinngemäß für Megastruktur; in Bezug auf Größe, Programm und Ort sind keine Grenzen gesetzt, kurz gesagt: Es geht um verführerische Bilder einer eventuellen Zukunft.
Und diese Zukunft sieht nicht gut aus. Oder, wie es Jurymitglied Alvin Huang formuliert: „Viele Entwürfe machen uns glauben, das Ende der Welt sei nah. Entweder wollen sie die Welt retten oder ... die Menschheit wieder beleben.“ Willkommen im Science Fiction. Lehnen wir uns also zurück, vergessen für einen Moment die anstehende Kostenkalkulation und schwelgen unter dem Vorwand der beruflichen Weiterbildung im Phantastischen? Oder denken wir lieber darüber nach, was die prämierten Entwürfe über das Selbstverständnis ihrer – zumeist recht jungen – Verfasser und das der Jury aussagen?
Die Bevölkerung der Arktis, das Reurbanisieren von verstrahlten Landstrichen, die Aufwertung von Slums oder die Verdichtung der Metropole – es gibt kaum eine fragwürdige Herausforderung der Menschheit, die die Teilnehmer nicht mit Bildern zu lösen versuchen. Doch ist es nicht zynisch, die Zustände in einer indischen Armensiedlung mit gestapelten Hütten zu kommentieren? Und fällt einem zur Zukunft New Yorks nichts Besseres ein, als Mall, Park und Wohnhäuser über-einander zu türmen oder die Naturwunder der Welt in einer gläsernen Säule zu versammeln? Die diesjährige Jury, die über 400 Einsendungen per Internetvote begutachtet hat, sieht das offenbar anders: „Wir haben verrückte und zugleich kreative Ideen gefunden, die machbar scheinen und die ökonomischen, sozialen und kulturellen Probleme der heutigen Stadt lösen könnten“, ließ Benedetta Tagliabue ausrichten. Und auch Massimiliano Fuksas ist überzeugt, „das Vertikale kann verschiedene Probleme lösen“.
Dabei zeigen die Entwürfe wie das Internet unsere Wahrnehmung beeinflusst. Statistiken sind per Knopfdruck parat, um den Ernst der Lage zu unterfüttern. Die vermeintliche Lösung ist schnell visualisiert und noch schneller verbreitet. Das Strickmuster gleicht dem im Film, eine Kombination aus Drama, Setting und Action. Einziger Unterschied: Die Probleme der Welt sind zu Ernst, als dass Architekten sie einfach hinwegrendern und sich dafür auch noch Preise verleihen sollten.
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