Bauwelt

Die Nutzerin in mir

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

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Brigitte Schutz wünscht sich eine geordnete Rückdämmung

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Brigitte Schutz wünscht sich eine geordnete Rückdämmung


Die Nutzerin in mir

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

Ich gestehe: Ich bin eine schlechte Nutzerin. Aber lassen Sie uns von vorne beginnen. Schon seit dem Architekturstudium wohne ich in einer alten Villa, die in den siebziger Jahren zum geförderten Wohnungsbau für sechzehn Mietparteien umgebaut wurde. Das Haus sieht mit seinen teilweise gebogenen Wänden von außen beeindruckend aus, im Inneren ergibt ein Wohnungsgrundriss auf der Fläche eines Viertelkreises so manche Komplikationen. Eine davon ist unsere „Problemecke“, eine astreine Wärmebrücke in unserem Arbeitszimmer. Während des Studiums war die Wand hier so kalt, war die Ecke so zugig, dass ich meine Pläne auch bei voll aufgedrehter Heizung mit Handschuhen zeichnen musste. Da die Beschwerden sich häuften, entschloss sich die Baugenossenschaft, das Haus komplett zu dämmen. Für die gute Sache verbrachten wir die Sommermonate hinter einer Plastikplane, während außen alles ohne Wenn und Aber dick eingepackt wurde.
Zuerst waren wir begeistert. Die Villa sah zwar nun, mit der Wandstärke einer Burg, nicht mehr ganz so schick aus, aber die Außendämmung schien zu halten, was das Lehrbuch versprach: Unsere Heizkosten reduzierten sich auf eine hübsche Null, und die zugige Ecke war passé. Das Ganze funktioniert auch wunderbar – solange sich einer bis keiner in der Wohnung aufhält. Doch aus Studenten werden Eltern, und die Personenzahl in der Wohnung wächst proportional mit dem Wäscheberg. Wenn alle zu Hause sind, herrscht nun im Winter eine Art Tropenklima, dem nur mit ständigem Lüften zu entkommen ist. Die Architektin in mir weiß natürlich um die Notwendigkeit des regelmäßigen Luftaustauschs, insbesondere in der Gegend unserer alten Bekannten, der Wärmebrücke. Aber während wir mit Job und Kindern das alltägliche Chaos in halbwegs geordnete Bahnen lenken, bleibt der Nutzerin in mir keine Energie dafür übrig, fünf mal täglich „Räumlein wechsele dich“ zu spielen, um Teile der Wohnung mit Zugluft zu fluten. Das Ende vom Lied? In unserer Problemecke hat es angefangen zu schimmeln. Und ich wünsche mir meinen zugigen Altbau zurück. Die gedämmte Welt überfordert mich!

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