Mehr als gute Gestaltung
In Städten mit historischer Bausubstanz unterliegt das Weiterbauen und das Einfügen neuer Gebäude in den Kontext oft strenger Vorgaben, um das baukulturelle Erbe zu schützen. Der Journalist Jürgen Tietz promovierte in Kunstgeschichte und sitzt im Gestaltungsbeirat der Stadt Fulda.
Text: Tietz, Jürgen, Berlin
Mehr als gute Gestaltung
In Städten mit historischer Bausubstanz unterliegt das Weiterbauen und das Einfügen neuer Gebäude in den Kontext oft strenger Vorgaben, um das baukulturelle Erbe zu schützen. Der Journalist Jürgen Tietz promovierte in Kunstgeschichte und sitzt im Gestaltungsbeirat der Stadt Fulda.
Text: Tietz, Jürgen, Berlin
Gestaltungsbeiräte eröffnen eine gute Möglichkeit, um Baukultur und Diskursqualität am konkreten Objekt sowie in der Stadt insgesamt zu fördern. Das ist meine Erfahrung aus der Mitarbeit in den Beiräten in Fulda und Darmstadt. Aber bitte keine falschen Erwartungen: Wunder können Gestaltungsbeiräte nicht bewirken.
Das hessische Fulda ist eine ehemalige fürstbischöfliche Residenzstadt des Barocks mit mittelalterlichen Wurzeln. Sie zeichnet sich durcheinen kompakten, gut erhaltenen Stadtkörper aus. Eine gepflegte öffentliche Infrastruktur, eindrucksvolle Grünanlagen (Schlosspark) sowie ein bedeutendes Erbe der Moderne (Sep Ruf) kommen hinzu. Gerade ein solches Umfeld fordert dazu auf, diesem Erbe bei jedem Neubau gerecht zu werden.
Zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit eines Beirats ist ein unbedingter Rück-halt in der Politik, so wie wir ihn in Fulda erfahren. Dafür bedarf es des gegenseitigen Vertrauens aller Beteiligten zueinander – in Politik, Verwaltung sowie auf Seiten von Bauherrenschaft und Architekten. Dieses Vertrauen ist kein Selbstläufer. Es muss wachsen. Eine Voraussetzung dafür ist die Wertschätzung im Umgang miteinander, inhaltlich, menschlich und sprachlich. Hier kommt besonders den Vorsitzenden der Beiräte eine wichtige Rolle als Vermittlern und Moderatoren zu. Klar in der Sache, verbindlich im Ton.
Als externes Beratergremium verfolgen Gestaltungsbeiräte keine wirtschaftlichen Interessen am Ort ihrer Beratungstätigkeit. Sie sind allein dem Ort und seinen Bewohnern verpflichtet. Wer in einem Gestaltungbeirat über Architektur redet, der spricht stets zugleich vom Detail und von der Stadt, von ihren Freiflächen und ihrer Kunst, von ihrer Vergangenheit, ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft. Gestaltung verstehe ich als ein ganzheitliches Konzept. Deshalb spielen dann doch auch die wirtschaftlichen Aspekte des Bauherrn und der Stadt eine Rolle.
In ihren Entscheidungen müssen Gestaltungsbeiräte aber unbedingt unabhängig sein. Sonst verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit und Berechtigung. Beiräte können nur beraten. Ihr Urteil ist kein Diktum. Allerdings nähme die Position eines Beirats dann Schaden, wenn dauerhaft gegen sein Votum gehandelt würde. Meiner Erfahrung nach führen die Hinweise eines Gestaltungsbeirats fast immer zu einem Gewinn für ein vorgestelltes Projekt und zwar sowohl baukulturell als auch wirtschaftlich. Das gilt gerade für schwierige Fälle, in denen wir nach intensivem Austausch als beratendes Gremium für einen Architektenwettbewerb eintreten, um zu einer besseren Lösung für eine Bauaufgabe zu kommen – sowohlim Interesse der Stadt als auch des Bauherrn. Um dies möglich zu machen und damit zuvor keine übermäßigen Kosten auflaufen, sollten Projekte möglichst frühzeitig vorgestellt werden. Dabei ist eine qualitätvolle Präsentation durch die Architekten, die auch Entwurfsvarianten mitdenkt und unbedingt an einem Modell erfolgen sollte, hilfreich für die folgende Diskussion.
Gestaltungbeiräte müssen stets über das einzelne Bauvorhaben hinausdenken. Dadurch erweisen sie sich als ein wirkungsvolles Instrument der Städte und Gemeinden bei ihrer langfristigen Planung und Leitbildentwicklung. So stellen sie einen Baustein für eine baukulturelle Entwicklung dar, der für ein vergleichsweise geringes Budget eine hohe fachliche Kompetenz aus unterschiedlichen Bereichen von Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung und bildender Kunst einfließen lässt.
Sinnvoll erscheint es mir, neben der reinen baufachlichen Sicht den Blick für baukulturelle „Randgebiete“ zu weiten, die Schnittstellen zur Öffentlichkeit zu suchen, und verstärkt bau- und kulturgeschichtliche Aspekte zu berücksichtigen, um so mit einem ganzheitlichen Blick auf Stadt, Haus und Detail, auf Gegenwart und Zukunft eines Ortes schauen zu können.
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