Bauwelt

Im Labyrinth von Sevilla

Metropol Parasol - Ein Vorbericht in Schnappschüssen

Text: Ballhausen, Nils, Berlin

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Foto: Nils Ballhausen

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Im Labyrinth von Sevilla

Metropol Parasol - Ein Vorbericht in Schnappschüssen

Text: Ballhausen, Nils, Berlin

Außer einer Nacht in Madrid und zwei Wochen Teneriffa hat der Redakteur keine Spanien-Erfahrung. Warum lässt man ihn dann nach Sevilla? Kein Wunder, dass er völlig verwirrt zurückkehrt. Als ob „Metropol Parasol“, das Langzeitprojekt von J. Mayer H. Architekten, nicht schon kompliziert genug wäre. Ein Vorbericht in Schnappschüssen.
Schon der Beginn meiner Reise nach Sevilla ist surreal: Auf Platz 14 C (Gang) der Boeing 737-800 sitzt Michael Spreng. Zwölf Stunden vorher hatte ich den Ex-„BamS“-Chef als Talkgast auf dem Bildschirm gesehen, nun sitzt er zwei Plätze weiter und wühlt sich durch die Presse. Handelsblatt, FAZ, Welt, Süddeutsche, Tagesspiegel, Stern, Spiegel und weitere Blätter werden von ihm durchgeknautscht. Das Wichtigste reißt er aus, alles in allem: eine Seite. In seinem Blog namens „Sprengsatz“ wird dieser Donnerstagsflug nach „Malle“ keine Spuren hinterlassen. 
Zwischenstopp in Palma
Spreng verschwindet mit seinem Exzerpt zum Ausgang, ich bleibe im Transitbereich. Mallorca – kein schlechter Lebensmittelpunkt, und zwischendurch zum Talk nach Berlin? Dagegen stehen nur all die deutschen Rentner. Dort wandert gerade ein Trupp aus Düssseldorf durch das Terminal, vorweg die dralle Reiseleiterin mit neongelber Regenkutte und aufgespanntem Schirm. Die Augen, wissen Sie? Ja, das schmerzt wirklich. Wie halten die Mallorquiner das nur aus? 
Boarding
In die Sevilla-Maschine sind heute scheinbar noch mehr Sitzplätze hineingequetscht worden als üblich. Winterkleidung wird zu Ergonomie umfunktioniert. „Ihre Jacke müssten Sie bitte entweder anziehen oder in das Fach legen“, korrigiert mich der deutsche Flugbegleiter. Das Ser­vicegesicht wird gegen Ende des Artikels noch einmal in Erscheinung treten. Ihm nicht widersprochen zu haben, wird sich auszahlen. 
Taxi!
Der Aeropuerto von Sevilla sieht aus wie ein amputiertes Stück des Nazi-Baus in Berlin-Tempelhof. Genauso abgeschabt, genauso übersichtlich. Am Taxistand steige ich fairerweise in das vorderste Fahrzeug der Schlange. Ein Fehler. Der Fahrer flucht während der gesamten Fahrt, behält dabei aber die Kippe im Mund. Ein Rauchertaxi, so was gibt es noch in Europa? Mit offenem Fenster über die Autobahn Richtung City. Blick auf den Tacho: Kann ein 17 Jahre alter Skoda tatsächlich 270 km/h fahren? Oder sind in Spanien nicht nur die Wirtschaftsdaten frisiert? Und was bedeutet das für den Fahrpreis? Mir hatte man eingeschärft: Nicht mehr als 23 Euro für die Strecke bezahlen! Niemals! Was will der haben? 35,90 Euro? Schnell ein Fragezeichen aufsetzen. Aber der Fahrer hat die besseren Nerven, zieht einen grabbeligen Zettel hervor, der schwarz auf weiß besagt: Tarifa 1: 29,90 Euro, Tarifa 2: 35,90 Euro. Na, wenn das so ist.
Erster Aufstieg
Leider ist „Metropol Parasol“, das Bauwerk, für das ich angereist bin, immer noch nicht fertig. Das war schon aus dem Taxi-Qualm heraus zu erkennen: Gerüststangen ohne Ende, keine Chance auf vorzeigbare Bilder. Darf man da überhaupt schon hinauf? Soll nicht der König nächste Wo­che zur Einweihung kommen? Eigentlich könnte ich gleich wieder umdrehen, aber der grantige Fahrer ist schon weg. Also ins Hotel „Cervantes“. Dort haben sie mir das Zimmer direkt über dem Portal reserviert. Drei Flaggen stehen auf dem Balkon: Europa, Spanien, Andalusien. Ich fühle mich geehrt. Nur im Bad hakt die Tür.
Zweiter Aufstieg
Abends treffe ich Andre Santer aus dem Büro J.Mayer H., der zusammen mit seiner Kollegin Marta Ramírez das Tagesgeschäft auf der Baustelle leitet. Wir besteigen das höchste Niveau, das Dach des künftigen Dachrestaurants. Erste Teilstücke des Aussichtsparcours sind installiert. Eigentlich hätten Touristen hier oben schon 2007 lustwandeln sollen, dann hieß es 2009, dann Ende 2010, dann Anfang 2011, allerspätestens aber im März. Immerhin stehe ich jetzt mal hier. In Sevilla kann es überhaupt nicht schaden, möglichst schnell auf irgendetwas Hohes zu klettern, sich aus dem Termingewirr der Stadt zu lösen, durchzuatmen und Weitblick zu bekommen.
Salvador
21:30 Uhr, Zeit zum Abendessen. Wir verlassen die noch immer vor sich hin lärmende Baustelle auf der Plaza de la Encarnación und gehen südwärts in das Ausgehviertel Santa Cruz. Der Weg führt über die allseits beliebte Plaza del Salvador, eher eine überbreite Straße als ein Platz. Hier das Überraschendste: An einem Donnerstagabend bei 8 Grad Außentemperatur stehen Hunderte auf diesem Platz, sie trinken moderat und unterhalten sich. Die reden ja alle miteinander, die grölen gar nicht! Das bin ich nicht ge­wohnt. Sind vielleicht alle unkultivierten Sevillaner zeitgleich in Berlin unterwegs?
Plan und Wirklichkeit
„Marta, Andre, sagt mir bitte: Wieso klappt das zwischen Deutschen und Spaniern nicht?“ „So einfach ist das nicht. Sevilla ist etwas vollkommen anderes als Madrid!“, sagt die Madrilenin Marta. Ist das eine Antwort? Nein, aber sie sei durch die Arbeit am Metropol Parasol immer deutscher, und Andre, der Deutsche, immer spanischer geworden. Ich interpretiere fortan „deutsch“ als „streng an der Planung orientiert“ und „spanisch“ als „gelassen mit Hindernissen umgehen“. Ob das andere auch so sehen? Zurück im Hotel gehe ich der Sache mit der Badezimmertür nach. Die Tür rumpelt bei jedem Öffnen gegen das Waschbecken, es ist schlichtweg zu groß. Der Schleifspur am Türblatt nach zu urteilen, geht das schon eine ganze Weile so: rumms-auf, rumms-zu, rumms-auf, rumms-zu. Vermutlich nicht nur in meinem Zimmer. Und alle im Hotel wissen das.
Dritter Aufstieg
Am Freitag ist ein PR-Termin anberaumt: Manuel Rey, der Baustadtrat, montiert symbolträchtig das letzte der über 3500 Holzelemente und verspricht, dass das Bauwerk „poco a poco“ bis Ostern fertiggestellt werden wird. Jürgen Mayer trifft zwar pünktlich aus Berlin ein, kommt aber trotzdem zu spät. Der Pressetermin war kurzfristig war um eine Stunde vorverlegt worden. Die Delegation will gerade wieder aufbrechen, da entdecken einige den Star. „Oh Jurgen, how do you like it? Isn’t is beautiful?“, fragen jene, die Englisch sprechen. Der Umringte tauscht artig Höflichkeiten aus.
Antonio Belmonte
Zum Startum gehört es, sich in Gruppen zu bewegen. In konzentrischen Kreisen lagern sich die Mitarbeiter, Freunde der Mitarbeiter und deren Freunde, Bauherrenfreunde und ihre Untergebenen um den großen Namen herum an. Gemeinsam bewegt man sich durch Restaurants und Bars. Der Andalusien-Chef des Generalunternehmers Sacyr lädt ein, alle Schwierigkeiten der letzten Jahre scheinen vergessen. Samstagmorgen ist die Gruppe weiter angewachsen, sie füllt jetzt drei Reisebusse. Die gesamte Baustelle ist mit dabei, aus Aichach in Bayern ist die Belegschaft der Holzbaufirma Finnforest Merk angereist. Zusammen fahren sie zu einer Finca, die einem berühmten Paar – Stierkämpfer und Flamenco-Sängerin – gehört. Dort wird erst ein Stierkampf durchgeführt (zwei Stiere tot, ein bayerischer Monteur ohnmächtig), dann Flamenco gespielt. Ich reise via Palma zurück. 
Richtig getippt
Im Terminal ist ein Promo-Team von tipp24.com auf Rentnerfang. Ich frage eine Blondine: „Wie unterscheiden sich die Deutschen von den Spaniern?“ Sie sagt: „Die Deutschen sind zu dick angezogen und die Spanier zu aufgebrezelt.“
Mit Bild an Bord
Das nette Servicegesicht vom Hinflug hat wieder Dienst, wir grüßen uns. Vielleicht hält er mich für Michael Spreng, denn wenig später steckt er mir ein älteres Exemplar der „Sport-Bild“ zu, wohl die einzige deutsche Illustrierte an Bord. Leider weiß ich schon, wie die angekündigten Bundesliga-Spiele ausgegangen sind. Wenn es nur immer so wäre. Alles Weitere über Metropol Parasol am 6. Mai in Heft 18.
Fakten
Architekten J.Mayer H., Berlin
aus Bauwelt 13.2011
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