Joliot Curie in Bad Brambach
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Joliot Curie in Bad Brambach
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Dies ist die Geschichte von neu Gebautem, Vergessenem und Abgerissenem im kleinen Erholungsort Bad Brambach, ganz am Rande der Republik. Gegenüber vom gläsernen „Aquadon“ steht das verlassene Sanatorium „Joliot Curie“. Warum ist es noch nicht mit Unterstützung der Europäischen Union verschwunden?
Behnisch Architekten haben vor dreizehn Jahren den Kurpark von Bad Brambach entscheidend verändert. Auf dessen Nordseite steht ihr freundliches Therapie- und Wohlfühlzentrum „Aquadon“ mit Schwimmbad und Saunadorf. Der Bau wurde vom Freistaat Sachsen unter Kurt Biedenkopf gut gefördert und von der neu gegründeten Sächsischen Staatsbäder GmbH errichtet. Im Park wird seit dem Hundertsten der Gründung des Kurorts im letzten Jahr auf einer Tafel mit Guckloch ein Blick auf den Behnisch-Bau „durch die Geschichte“ geboten. Das Luftbild zeigt das alte Kurhaus in den dreißiger Jahren. Nachdem der aufs Beste renovierte Bau lange leer stand, schnappte sich ihn schließlich die Hotelkette Ramada Resort und baute ihn um. Im Gegenzug musste der Ort einen Teil des alten Wandelgangs für die Ergänzung eines Gebäudeflügels opfern. Wie das aussieht, zeigen die Fotos auf der Letzten Seite (Seite 40). Das Hotel hält sich heute mit Wellness-Specials über Wasser.
Radon
Bad Brambach liegt im Vogtland, in der südlichsten Spitze Sachsens. Die Grenze zu Tschechien verläuft am Kurpark entlang. Quellwasser wurde hier ab 1890 zunächst vom Bauern Christian Schüller per Hand abgefüllt. Neben der Schüllerquelle gab es bald auch eine Schiller-, Eisen-, Wiesen- und später eine Untere und Obere Grenzquelle. 1908 folgte die Gründung der Brambacher Sprudel GmbH. Eigentlich nichts besonderes. Doch dann kam es zu einem Ereignis von höchster Wichtigkeit: 1910 wird eine weitere Quelle mit sehr hohem Radongehalt entdeckt, die Wettinquelle. Man glaubte dies zunächst kaum. Prüfer-Sohn Fresenius vom chemischen Labor in Wiesbaden reiste persönlich an, um sich vom hohen Gehalt an diesem radioaktiven Element zu überzeugen. Daraufhin eröffnete man 1912 zügig den Bade- und Kurbetrieb. Gäste kamen aus ganz Euro-pa. Der Ort hieß bis 1963 sogar „Radiumbad Brambach“. Ein Radon-Wannenbad wirkt angeblich besonders bei rheumatischen Erkrankungen schmerzlindernd. Man kann daran glauben oder nicht. Richtig anerkannt wurde dies nie. Die Alternative sind Schmerztabletten, das große Geschäft der Pharmaindustrie. Auffallend ist der Pavillon der Eisenquelle. Als die Rote Armee sich nach 1945 im Kurort einrichtete, war sie von der Heilkraft fasziniert und ließ Marmorplatten und eine Bronzeskulptur von der Reichskanzlei Hitlers in der Berliner Wilhelmstraße hierher transportieren. Die Platten verkleiden auch heute noch den kleinen 1948 errichteten Flachbau. Mit dem Marmor wurde sogar ein Triumphbogen gebaut – und 1956 wieder abgerissen. Die Skulptur – ein sitzender Akt – steht verborgen zwischen Rhododendronbüschen am Ententeich. 1962 wurde „Radiumbad Brambach“ ein Staatsbad der DDR.
Dr. Ebel
Ein weitaus größeres Trauerspiel als die verunglückte Wandelgang-Reduzierung ist das Schicksal des vor genau hundert Jahren erbauten ehemaligen Kurhotels, das zunächst Weidighaus hieß, dann Radium-Kurhof und schließlich während der DDR in Sanatorium „Joliot Curie“ umbenannt wurde – in Verehrung Jean Frédéric Joliots und seiner Frau Irène Curie, der Tochter von Marie Curie. Beide leiteten das Institut de Radium in Paris. Der mächtige Gebäudekomplex des Sanatoriums von 1912 bildet am Kurpark das Vis-à-vis zu Behnischs Bau und ist seit achtzehn Jahren verwaist. Nach der politischen Wende wurden in vielen Kurorten der DDR wegen fehlender Rentabilität und mangelndem Komfort ältere Gebäude aufgegeben. Fördermittel flossen meist in Neubauten. Dies war die große Zeit von Dr. Ebel. Welche Firma damals genau tätig wurde, ist nicht zu klären. Heute gibt es die Dr. Ebel Fachkliniken GmbH & Co. Anlagen KG, die Dr. Ebel Grundbesitz Verwaltungs GmbH + Co. Vermögensverwaltung KG und die Ebel Bau Holding GmbH + Co. Stahlbeton Fertigteilwerk, alle mit Adressen im südniedersächsischen Bovenden. Das Unternehmen kaufte zu günstigen Konditionen das Joliot-Curie-Haus, gab es wenig später auf und baute am Hang dahinter eine neue zweiflügelige Rehaklinik. Ebel-Gebäude gleicher Bauart entstanden zu der Zeit auch in Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Der Bau thront nun über dem Ort. Den leeren Altbau am Kurpark ließ man weiter verkommen. Während der Verhandlungen mit der Dresdener Staatsregierung wurde in den Kaufvertrag die Klausel eingefügt, dass die Sanierung erst vorzunehmen sei, „wenn die wirtschaftliche Lage es zulässt“. So war klar, dass es keine Verpflichtung gab, etwas mit dem Gebäude zu unternehmen. Als der Bau noch gut in Schuss war, wimmelte die Firma Kaufinteressenten ab. Man wollte keine Konkurrenz für die Reha-Klinik.
Europa
Wie soll man nun mit dem ehemaligen Sanatorium „Joliot Curie“ umgehen? Dr. Ebel äußert sich nicht. Doch es gibt eine Lösung: Man braucht nur in den Nachbarkurort Bad Elster zu fahren. Dort stand bis vor zwei Jahren das 1909 eröffnete prächtige Palast-Hotel Wettiner Hof, später Karl-Marx-Hof. Es bildete mit dem berühmtem Albert-Bad – das Behnisch Architekten auf der Rückseite schon 1999 erweiterten –, dem Sachsenhof, dem König Albert Theater und dem Kurhaus ein eindrucksvolles stadträumliches Ensemble. 2011 wurde der leerstehende Wettiner Hof, früher als „das Vollkommenste eines Kur-Hotels“ gepriesen, abgerissen. Auf der Brache mitten im Ort sind heute Holzskulpturen verstreut. Auf einem Schild ist zu lesen: „Das Projekt Abriss der verbliebenen Bausubstanz des Wettiner Hofes wurde aus Mitteln der Europäischen Union gefördert“. In Bad Brambach braucht man also nur auf die Gelder zu warten, die Dr. Ebel-Firma würde sich sicherlich gerne vom verwaisten Joliot-Curie-Haus trennen – mit der Klausel, dass die Europäische Union es aus Fördermitteln abreißt. Damit hätte sich das Geschäft endgültig bestens gelohnt.
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