Kaliningrads Mitte
Das alte Zentrum der russischen Stadt Kaliningrad soll wieder dicht bebaut werden. Ein internationaler Ideenwettbewerb forderte eine Haltung zur Geschichte der Stadt, die einst Königsberg hieß und in Ostpreußen lag
Text: Hotze, Benedikt, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin
Kaliningrads Mitte
Das alte Zentrum der russischen Stadt Kaliningrad soll wieder dicht bebaut werden. Ein internationaler Ideenwettbewerb forderte eine Haltung zur Geschichte der Stadt, die einst Königsberg hieß und in Ostpreußen lag
Text: Hotze, Benedikt, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin
Das Klischee von Kaliningrad als von Russland abgehängte, resignierte Stadt ist längst überholt. Die Atmosphäre ist aufgeschlossen, man schaut in Richtung Baltikum und Westeuropa, begreift sich als europäische Stadt. Doch während in der Stadt inzwischen viel gebaut wird und sich das neue Zentrum um den Platz des Sieges etabliert hat, wird die einstige Mitte von Grün- und Betonflächen dominiert. Nach dem Krieg hatte man
die zerstörten Stadtteile Altstadt, Kneiphof und Löbenicht durch eine Kreuzung von Schnellstraßen und das 70 Meter hohe, bis heute unvollendete Haus der Räte im Stil des Brutalismus ersetzt. Die Stelle, an der einst das Schloss stand, der Korolevskaya Gora (Königsberg), ist heute ein zugiger Ort. Der Dom, dessen Kriegsruine in den 90er Jahren mit deutschem Spendengeld wieder aufgebaut wurde, steht allein auf der einst dicht bebauten Kneiphof-Insel.
die zerstörten Stadtteile Altstadt, Kneiphof und Löbenicht durch eine Kreuzung von Schnellstraßen und das 70 Meter hohe, bis heute unvollendete Haus der Räte im Stil des Brutalismus ersetzt. Die Stelle, an der einst das Schloss stand, der Korolevskaya Gora (Königsberg), ist heute ein zugiger Ort. Der Dom, dessen Kriegsruine in den 90er Jahren mit deutschem Spendengeld wieder aufgebaut wurde, steht allein auf der einst dicht bebauten Kneiphof-Insel.
Seit langem diskutiert man, wie das alte Zentrum künftig aussehen soll. Die Fäden laufen bei der Non-Profit-Organisation „Herz der Stadt“ zusammen, die aus der örtlichen Architektenschaft und der Bauverwaltung heraus gegründet worden ist. Finanzielle und fachliche Hilfe kommt auch aus Deutschland. Die GTZ und die Zeit-Stiftung finanzierten vor zehn Jahren ein erstes Symposium, der norddeutsche Stadtplaner Julius Ehlers fungiert seitdem als externer Berater für weitere Workshops und planerische Vorbereitungen.
Die Entscheidung der FIFA, Russland 2018 zum Austragungsort der Fußball WM zu machen, hat die Zentrums-Diskussion neu befeuert. Fördergeld aus Moskau machte einen internationalen Ideenwettbewerb möglich, den „Herz der Stadt“, unterstützt durch die kommunale und regionale Politik, ausgelobt hatte und der nun entschieden ist. Dabei ging es zum einen um Bebauungsvorschläge für das Gebiet Altstadt und nördlich davon, wo anstelle des 1968 gesprengten Schlos-ses ein Kulturzentrum mit Museum, Konzerthalle und Bibliothek vorgesehen ist. Zum anderen sollten weitere knapp 60 Hektar, zu denen die Kneiphofinsel am südlichen Rand gehört, bearbeitet werden. Vor allem aber war eine Haltung zur Baugeschichte – preußische Stadt kontra Sowjetarchitektur – gefordert. Das deutsche Erbe ist in Kaliningrad längst nicht mehr tabu wie zu Sowjetzeiten; man besinnt sich auf 750 Jahre Geschichte. Einige wollen sogar den Namen Königsberg wiederbeleben. Die Auslobung stellte klar: Es soll kein historisierender Wiederaufbau werden. Der Rohbau des Hauses der Räte aus den 70er Jahren soll möglichst erhalten und (um)genutzt werden, die Kneipinsel weitgehend Park bleiben. In welcher Form an das ehemalige Schloss erinnert wird, blieb die entscheidende Frage.
Für das Verfahren gingen in der 1. Stufe 39 internationale Bewerbungen ein. 34 wurden für die 2. Stufe ausgewählt, 19 Teams gaben ab. Im September prämierte die Jury vier Arbeiten, die sehr verschiedene Ansätze zeigen, und vergab zwei Anerkennungen.
Der Architekt und Künstler Trevor Skempton aus Liverpool (ein 3. Preis) verfolgt einen explizit künstlerischen Ansatz: Gebäude als Kunstwerke in der Stadt. Hosper Sweden mit Mandaworks + Andreas Jonasson Arkitektkontor (ein 3. Preis) zeichnen ein Blockrandraster in der Manier des Berliner Planwerks Innenstadt. Die französisch-russische Arbeitsgemeinschaft Devillers et Associés und Off-The-Grid Studio + Wall (2. Preis) entwarfen eine Wasserstadt, um neue Adressen und neue Identitäten zu schaffen. Anstelle des Schlosses sehen sie einen Kulturkomplex vor, der Elemente des Schlosses aufnimmt.
Studio 44 mit dem Institut für Territorialentwicklung aus St. Petersburg (1. Preis) berufen sich auf Kontinuität und schlagen eine Bebauung des Altstadt-Gebietes auf den alten Parzellen vor. Dafür wollen sie die bis zu zweieinhalb Meter Schutt, die dort über Straßen und Bürgersteigen liegen, abtragen lassen. Auf den freigelegten Fundamenten sollen Neubauten im alten Maßstab entstehen. Die in der Auslobung geforderten Kulturbauten siedeln sie im Osten und Westen von Altstadt an.
„Auf Basis des 2. und auch des 1. Preises will die Gruppe ‚Herz der Stadt‘ nun eine Konzeption entwickeln“, sagt der Stadtplaner Julius Ehlers, der die Suche Kaliningrads nach einem Stadtplanungskonzept auch weiterhin begleitet. Zunächst aber gehe es um die Bewertung und künftige Nutzung der Grundstücksflächen, die dem Kaliningrader Oblast (Gebiet) und der Stadt gehören. Voraussichtlich im Frühjahr sollen auf Grundlage des erarbeiteten Masterplans Realisierungswettbewerbe für eine Konzerthalle und ein Kunstmuseum ausgelobt werden. Bis zur WM sind noch gut drei Jahre Zeit. Dann sollen erste Platzgestaltungen auf dem ‚Königsberg‘, rund um das Haus der Räte, auch als Fanmeile für die Fußball WM fertig sein.
Internationaler Ideenwettbewerb
1.Preis Architectural Bureau Studio 44 and Institute of Territory Development of St. Petersburg, Russland
2.Preis Devillers et Associes, Frankreich + Off-The-Grid Studio + Wall, Russland
ein 3. Preis Trevor Skempton, Großbritannien
ein 3. Preis Hosper Sweden, mit Mandaworks + Andreas Jonasson Arkitektkontor, Schweden
Anerkennung LLC Narodnij architector + Central Scienti-fic Research and Design Institute for Town Planning
under Russian Academy of Architecture and Construction Sciences, Russland
Anerkennung PAD Baum Freytag Leesch & Osterwold Schmidt Ex!pander Architekten, Deutschland
2.Preis Devillers et Associes, Frankreich + Off-The-Grid Studio + Wall, Russland
ein 3. Preis Trevor Skempton, Großbritannien
ein 3. Preis Hosper Sweden, mit Mandaworks + Andreas Jonasson Arkitektkontor, Schweden
Anerkennung LLC Narodnij architector + Central Scienti-fic Research and Design Institute for Town Planning
under Russian Academy of Architecture and Construction Sciences, Russland
Anerkennung PAD Baum Freytag Leesch & Osterwold Schmidt Ex!pander Architekten, Deutschland
Fachpreisrichter
Bart Goldhoorn, Amsterdam (Vorsitz); Alexander Y. Lozhkin, Perm; Olga V. Sezneva, St. Petersburg; Anna Brunow, Helsinki; Olov Schultz, Karlskrona; Sergey E. Tchoban, Moskau; Stephen Willacy, Aarhus; Rasmus Waern, Stockholm; Barbara Engel, Karlsruhe; Hans Stimmann, Berlin
Bart Goldhoorn, Amsterdam (Vorsitz); Alexander Y. Lozhkin, Perm; Olga V. Sezneva, St. Petersburg; Anna Brunow, Helsinki; Olov Schultz, Karlskrona; Sergey E. Tchoban, Moskau; Stephen Willacy, Aarhus; Rasmus Waern, Stockholm; Barbara Engel, Karlsruhe; Hans Stimmann, Berlin
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